Neulich musste ich mich sehr wundern. Ich arbeitete in Google Docs an einem Dokument und verfiel auf die Idee, ein neues Absatzformat zu definieren. Es ging um Tipps zu ChatGPT: Die Vorschläge für Prompts sollten mit einem eigenen Format klar als solche erkennbar sein.
Ich klickte im Format-Menü bei Absatzstile herum, ohne fündig zu werden. Und weil ich kaum fassen konnte, dass hier nirgends der Menüpunkt Neuer Absatzstil existiert, lud ich probehalber ein Worddokument mit ein paar individuellen Absatzformaten hoch, nur um festzustellen, dass die verloren gehen und als normaler Text erscheinen.
Eine unverzichtbare Funktion, die seit 18 Jahren fehlt
Aber es ist tatsächlich so: Google enthält den Nutzerinnen und Nutzern von Google Docs eine absolut zentrale und unverzichtbare Funktion vor. Und das seit bald zwanzig Jahren, in denen es Google Docs gibt.
Es könnte nun passieren, dass jemand einen scheuen Einwand erhebt und darauf hinweist, dass Absatzformate zwar eine hervorragende und einleuchtende Erfindung sind, sich aber nie richtig durchgesetzt haben.
Und das stimmt: Wer Textdokumente fremder Leute in Augenschein nimmt, blickt in Textverarbeitungs-Abgründe. Die allermeisten Leute nutzen nur die absolut grundlegenden Funktionen. Es ist daher völlig egal, dass Google Docs auch keine Dokument- oder Zeichenvorlagen unterstützt, uns Endnoten verweigert, Inhaltsverzeichnisse nur unzureichend formatiert und noch nie von Serienbriefen gehört hat.
Google sollte daher nicht einen einzigen Gedanken daran verschwenden, diese Features für 2026 einzubauen – dann, wenn Docs zwanzig Jahre alt wird und endlich erwachsen sein sollte.
Und hier kommen sie, die am meisten unterschätzten Textverarbeitungs-Funktionen
Nein, das ist natürlich sarkastisch gemeint. Die aufgezählten Dinge sind alles sinnvolle Features, die die Arbeit erleichtern. Vielleicht sollten sich die Hersteller die Mühe machen, sie zugänglicher zu implementieren. Oder vielleicht müssten sich Nutzerinnen und Nutzer etwas mehr Mühe geben, Software souverän einzusetzen.
Jedenfalls nehme ich gern die Gelegenheit wahr, hier eine Rangliste am wenigsten wertgeschätzten Funktionen aus den «dicken» Textverarbeitungen aufzustellen.
Und ja, ich motze hier im Blog häufig über Bloatware: Ein Programm wie Word braucht meines Erachtens kein Bildbearbeitungsmodul; dazu verwenden wir besser ein separates Programm.
Aber für grössere Arbeiten mit gewissen Ansprüchen sind die folgenden Funktionen unverzichtbar:
10) Serienbriefe Dokumentvorlagen
Serienbriefe? In Zeiten von E-Mail hat diese Funktion ihren Zenit wohl überschritten – auch wenn man sie durchaus für persönlich adressierte Massenmails verwenden kann. Ich erwähne diese Funktion auch bloss, damit die Top Ten tatsächlich aus zehn Punkten besteht – und um nochmals darauf hinzuweisen, dass es sie in Google Docs nicht gibt.
Aber natürlich könnte ich stattdessen auch die Dokumentvorlage erwähnen: Die gibt es bei Google Docs ebenfalls nicht, bzw. nur für zahlende Kunden mit einem Google Workspace-Account. Dabei ist völlig klar, dass diese Dokumentvorlagen unverzichtbar sind, weil wir sonst ständig vorhandene Dokumente kopieren und neu benennen müssen, um bei Briefen oder anderen Arbeiten ein einheitliches Erscheinungsbild zu erhalten.
Ach ja, und wo ich so darüber nachdenke: Auch die Querverweise und die Schnellbausteine hätten es verdient, auf Platz zehn erwähnt zu werden.
9) Felder
Ein unverkennbares Zeichen, dass wir es mit einem Textverarbeitungsprofi zu tun haben, sind Felder in einem Dokument. Sie haben den Zweck, dynamische Informationen im Dokument anzuzeigen, ohne dass die automatisch aktualisiert werden müssten.
Wer beispielsweise möchte, dass in der Fusszeile der Dateiname des Dokuments steht, fügt in der Fusszeile seiner Dokumentvorlage (siehe Punkt 10) das entsprechende Feld für den Dateinamen ein. Wer möchte, dass seine Briefe automatisch datiert werden, tippt das Datum nicht manuell, sondern legt in der Vorlage für den Brief ein entsprechendes Feld an.
Der Fundus an Feldern in Word ist beachtlich. Es gibt z.B. die Möglichkeit, eine fortlaufende Nummer im Dokument zu verwenden, den Namen des Autors oder den Titel des aktuellen Kapitels in der Fusszeile zu platzieren und vieles mehr.
8) Abschnittswechsel
In meiner Karriere als Betreuer der Tagi-Kummerbox wurde ich mindestens alle zwei Wochen einmal gefragt, wie es denn möglich sei, in Word in einem Dokument im Hochformat eine Tabelle auf einer Seite im Querformat einzufügen. Antwort: über einen Abschnittswechsel.
Diese Abschnittswechsel erlauben es auch, unterschiedliche Seitennummerierungen zu verwenden, z.B. fürs Inhaltsverzeichnis oder den Index.
7) Das Benutzerwörterbuch
Es scheint sich nicht herumgesprochen zu haben, dass sich das Benutzerwörterbuch von Textverarbeitungen wie Word mit eigenen Einträgen ergänzen lässt. Das sorgt dafür, dass der eigene Name nicht ständig rot unterkringelt wird (es sei denn, man heisst Meier oder Huber). Auch Fachbegriffe oder Wörter, bei denen wir auf eine eigene Schreibweise bestehen (Indesign statt InDesign), lassen sich hinzufügen.
Übrigens: Vor mehr als zehn Jahren haben ich einen etwas exzentrischen Trick für die Benutzerwörterbücher dargelegt, der auch heute noch funktioniert und es erlaubt, diese Wörterbücher via Dropbox oder über eine andere Internet-Ablage zu synchronisieren.
Die bessere Idee wäre heute, eine Korrektur-Lösung zu verwenden, die über die Computer und Apps hinweg funktioniert. Ich setze Language Tool ein, das es auch für Google Docs und für Word gibt.
6) Automatische Aufzählungen
Zugegeben, die Aufzählungen und nummerierten Listen sind in vielen Textverarbeitungen, insbesondere in Word, tückisch. Trotzdem: Gegenüber der manuellen Formatierung sparen sie Zeit – vornehmlich, wenn wir bei einer nummerierten Liste mit dreissig Positionen an zweiter Stelle noch etwas einfügen müssen.
PS: Man kann auch Überschriften automatisch nummerieren.
5) Automatische Inhaltsverzeichnisse
Es soll sie geben, die Leute, die in ihren Masterarbeiten das Inhaltsverzeichnis von Hand erstellen. Aber wehe, wenn auf Seite fünf ein Wort eingefügt werden muss und deswegen sämtliche dreissig nachfolgenden Überschriften um eine Seite nach hinten rutschen. Wer hingegen die Absatzformate für die Überschriften einsetzt und sich das Inhaltsverzeichnis automatisch erstellen lässt, der klickt es an und drückt einmal F5.
4) Manuelle Seitenumbrüche …
Eine häufig zu beobachtende Unsitte besteht im Seitenumbruch mittels Leerzeilen.
Ausgangslage: Ein einsamer Titel steht am unteren Rand einer Seite, was natürlich nicht schön ausschaut. Der wird mittels Leerzeilen am Ende des vorherigen Absatzes auf die nächste Seite geschoben.
Das Problem: Diese Methode führt unweigerlich zu einer Zerfledderung des Dokuments. Wenn im Lauf der Bearbeitung weiter oben Text eingefügt wird und der Absatz weiterrutscht, bleiben die Leerzeilen bestehen und erzeugen Weissraum, wo er nicht hingehört. Mit einem manuellen Seitenwechsel lässt sich das verhindern. Solche Seitenumbrüche sind auch praktisch, um Bilder oder andere Elemente auf einer Seite zu positionieren.
Zugegeben: Wenn ein manueller Seitenumbruch weiterrutscht, verursacht er eine annähernd leere Seite an einer Stelle, wo das unnötig und unerwünscht ist. Aber sie sind leichter zu finden und zu entfernen, als Leerzeilen.
3) … und oft noch besser: Die Absatzkontrolle
Die wirklich saubere Methode für einen schönen Seitenumbruch, der auch bei intensiven Bearbeitungen pflegeleicht bleibt, sind die Umbruchoptionen. Um die sinnvoll zu verwenden, müssen wir mit Absatzformaten arbeiten (Punkt 2) und diese Optionen erst einmal finden. Dazu klicken wir in der Menüleiste im Bereich Start mit der rechten Maustaste auf das Absatzformat für unseren Fliesstext oder einen Titel und wählen Ändern aus dem Kontextmenü.
Links unten klicken wir auf die Schaltfläche Format und im Flyout-Menü auf Absatz. Wir öffnen den Reiter Zeilen- und Seitenumbruch und wenden uns dem Abschnitt Paginierung zu. Hier aktivieren wir die Option Absatzkontrolle.
Wir haben nun folgende Checkboxen zur Auswahl:
- Nicht vom nächsten Absatz trennen: Diese Einstellung ist sinnvoll für Titel, die nicht einsam am unteren Rand einer Seite stehen sollen.
- Diesen Absatz zusammenhalten: Ebenfalls sinnvoll für lange Titel, die nicht durch einen Seitenumbruch auseinandergerissen werden sollten. Auch für Bildlegenden oder ähnliche Elemente würde ich diese Option einschalten.
- Seitenumbruch oberhalb: Diese Option sorgt dafür, dass ein mit dem fraglichen Format ausgezeichneter Absatz immer auf einer neuen Seite landet. Praktisch für Kapiteltitel, die immer auf einer eigenen Seite beginnen sollen.
Profitipp: Die Layoutsoftware Indesign hat noch mehr zu bieten. Für Absätze gibt es die Möglichkeit, festzulegen, wie viele Zeilen am Anfang und Ende mindestens zusammenbleiben müssen, damit ein Absatz noch auf eine Seite passt.
2) Absatz- und Zeichenformate
Diese Formatierungs-Vorgaben helfen nicht nur dabei, Dokumente konsistent zu gestalten. Sie erlauben es auch, sie ohne viel Aufwand für einen anderen Zweck aufzubereiten und z.B. aus einem Heft-, Buch- oder Broschürenlayout eine Website oder ein E-Book zu fabrizieren. Die Faustregel gilt: Direktformatierungen nur in Ausnahmefällen!
1) Tabulatoren und Einzüge
Texte mit Leerzeichen auszurichten, war im Schreibmaschinen-Zeitalter in Ordnung – selbst wenn viele elektronische Modelle schon damals Tabulatoren setzen konnten. Wer es heute noch tut, hat den Schuss nicht gehört. Das gleiche gilt für handgestrickte Einzüge.
Beitragsbild: Erst einmal die Absatzformate einrichten (Christin Hume, Unsplash-Lizenz).
Moin zusammen,
also wer bürotechnisch, schriftstellerisch oder wissenschaftlich unterwegs ist und irgendwelche Texte erfassen muss, der wird mit Sicherheit keinen einzigen Blick auf Google-Docs richten.
Ich wundere mich, dass diese „Textverarbeitung“ überhaupt in den Focus genommen wird. Als Wochenend-Hobby-Sportler trete ich ja auch nicht bei Olympia an.
Da gibt es doch ganz andere Programme, die man zu einem Vergleich mit Word bzw. MS-Office heranziehen kann:
SoftMaker Office NX mit TextMaker für schriftstellerische oder Büroarbeiten
Papyrus für alle Autoren,
Mellel für wissenschaftliche Arbeiten,
Scrivener für Recherche etc.
Wie man da auf Google-Docs kommen kann, ist mir ein Rätsel.
In dem Fall musste ich leider das nutzen, was der Arbeitgeber für richtig hält. 😉
Oha, und ich dachte, mein Arbeitgeber wäre was das angeht antiquiert. Zumindest gestattet er die Nutzung von Word, Excel und Access.
Ein Arbeitgeber, der die Benutzung von Access erlaubt, hat die Kontrolle über seinen Betrieb verloren. 🤣
Ich würde in die Liste oben allenfalls auch noch Libre-/OpenOffice einfügen. Ist ein recht guter Ersatz für Redmonds Feature Orgie, wenn man sich mal umgewöhnt hat.
Ich bin in beiden Welten daheim, geschäftlich MS und zu Hause OpenSource, wenn möglich.
N.B.: MS Access wird von MS nicht mehr wirklich weiterentwickelt, wir beginnen mit dem Phase Out geschäftlich.
Dem kann ich nur voll zustimmen, wären genau meine Worte gewesen.
Selbst ein Hobby-Autor wird um Google Docs und Co. einen Riesenbogen machen. Ich habe selbst die genannten Programme in Gebrauch, wobei ich SoftMaker schwerpunktmäßig für Büro- und Kalkulationsarbeiten nehme, Scrivener (und Upnote) für Recherche und die Weiterverarbeitung dann in Mellel. Von Papyrus bin ich wieder weg, weil das Programm schwerpunktmäßig nur für hauptberufliche Autoren sinnvoll ist; selbst Hobby-Autoren sind da mit den Kombis wie Upnote/TextMaker, Wcrivener/TextMaker besser bedient.
Das grösste Übel sind die «Wiederverwender» von Dokumenten, v.a. wenn sie die Metadaten dann nicht anpassen.
Die firmenweite Suche nach «Überarbeitete Powerpoint-Vorlage und neue Folienbibliothek (Slide Gallery)» findet mehrere hundert oder gar tausende von Dateien, welche von einer Vorlage her erstellt wurden und deren Metadaten nicht angepasst wurden.
Ich erinnere mich gerne an eines meiner ersten Dokumente mit MS Word für Windows 6.0, in welchem ich etwas mehr mit Formatierungen gearbeitet habe.
Nach den Ferien wurde ich vor den Sektionschef zitiert. Ich hätte das Dokument «verzaubert», er hätte es bearbeiten wollen, aber wenn er gedrückt hätte, sei immer ein dreifacher Abstand entstanden. «Format – Abstand nach Absatz „3 Ze“» hatte er als Mainframe Jünger halt nicht gekannt. 🤷🏼♂️
Vielen Dank für diesen äußerst informativen Artikel! Die vorgestellten Textverarbeitungs-Tricks sind wirklich hilfreich, und es ist beeindruckend, wie viel Potenzial in Programmen wie Word steckt, das oft ungenutzt bleibt. Als Büro wir ebenfalls stark auf die Effizienz unserer Textverarbeitungstools, und einige der genannten Funktionen werden sicherlich einen Platz in unserem Arbeitsalltag finden.