Disney würde sich im Grab umdrehen

Krikey AI ist eine Ani­ma­tions­soft­wa­re, die die Lust weckt, eine gros­se Ge­schich­te zu erzäh­len – die bis­lang aber nur simp­len Bot­schaf­ten gewach­sen ist.

Krikey AI ist eine Web-Anwendung, mit der sich einfache Animationen zusammenklicken lassen. Wir erzielen ein Resultat, ohne dass wir uns mit 3D-Modellen herumschlagen und eine Software wie Blender 3D erlernen müssten. Denn letzteres kann einen bekanntlich in eine Digitale Midlife Crisis stürzen.

Aber klar: Mit dieser Laien-kompatiblen Methode entstehen keine filmischen Meisterwerke, in denen alles möglich ist, was sich der Drehbuchautor auszudenken vermag. Darum ist auch mein Titel über dem Blogpost ungerecht bis irreführend: Es geht nicht darum, einen Oscar einzuheimsen und Massstäbe zu setzen, wie das Walt Disney z.B. 1937 mit Snow White and the Seven Dwarfs gelungen ist, sondern um Gebrauchs-Video für die sozialen Medien und das Intranet.

Für Webinar-Videos und Ähnliches

Krikey AI macht es mit bescheidenem Aufwand möglich, einen gesprochenen Text durch ein Video zu begleiten. Das hauptsächliche Einsatzgebiet sehe ich bei kurzen Präsentationen zu Schulungs- oder Marketingzwecken (vergleichbar mit Fliki.ai).

Falls ihr von eurem Unternehmen auch gelegentlich zu Webinaren abkommandiert werdet, in denen eine virtuelle Figur erklärt, warum ihr in Geschäftsmails nicht auf jeden Link klicken sollt oder euch von Geschäftspartnern besser nicht für drei Wochen nach Dubai einladen lässt, dann könnte dieses Video auf diese Weise entstanden sein.

Den Avatar auf der Wiese tanzen lassen.

Das Prinzip ist so einfach wie einleuchtend: Wir setzen vorgefertigte Versatzstücke zusammen, die wir nach unserem Gusto anpassen. Es gibt knapp zwei Dutzend virtuelle Schauspieler, die sogenannten Avatare, aus denen wir einen auswählen. Nebst einigen menschlich aussehenden Charaktere wie Bobby, Ash, Sara, Logan, Gene und Jody finden wir auch einige Comic-hafte Figuren: Einen Elf, ein Skelett, ein Osterhase und ein paar Anime-Gestalten.

Wir müssen nicht mit den Standard-Avatataren abfinden. Über den Ready Player Me Avatar Generator gestalten wir unsere Hauptfigur nach eigenem Gusto und haben die Möglichkeit, ein eigenes Foto als Grundlage zu verwenden – das dann bezüglich Gesicht, Frisur, Accessoires und Kleidung anzupassen.

Ein wenig menscheln sollte es schon

Der Kern unseres Projekts ist eine Tonaufnahme, die wir über die Rubrik Audio entweder hochladen oder in der App mit einer der Standard-KI-Stimmen erzeugen lassen. Natürlich können wir auch einen der vielen anderen Sprachgeneratoren aus dem Web verwenden. Da die Animation nicht gerade lebensecht wirkt, würde ich davon abraten und das Script auf klassischem Weg einsprechen lassen, damit das Resultat wenigstens ein wenig menschelt. Wir können eine Spur für den Avatar und eine für den Erzähler beisteuern.

Über die Zeitleiste entsteht die Animation

Den Ablauf unserer Animation legen wir in einem Editor fest, der stark an ein Programm für den Filmschnitt erinnert. Es gibt eine Zeitleiste, über die wir diverse Parameter der Animation steuern. Dazu gehören folgende Spuren:

  • Auf der Animations-Spur wählen wir aus vorgefertigten Aktionen jene, die unsere Hauptfigur nacheinander ausführen soll und platzieren die in der Zeitleiste. Also zum Beispiel zur Begrüssung winken, dann an Ort und Stelle stehen (idle), nachdenken, einen Freudensprung machen und etwas vorzeigen. Es ist auch möglich, ein echtes Video als Vorlage für einen Bewegungsablauf zu verwenden.
  • Über die Spuren Face und Hands steuern wir die Mimik und Gestik unserer Hauptfigur.
  • Auf der Hintergrundspur (Backgrounds) wählen wir die Umgebung, in der sich die Person bewegt. Es gibt einige dreidimensionale Szenerien, aber wir können die Figur auch vor einem zweidimensionalen Hintergrund platzieren und dafür entweder per KI Bilder generieren lassen oder auch Fotos aus der Galerie auswählen oder selbst hochladen.
  • Bei Camera steuern wir den Blickwinkel und die Position. Auch virtuelle Kamerafahrten oder Zooms sind möglich. Zwei aufeinanderfolgende Kameraansichten können hart umgeschnitten werden. Es ist auch möglich, die Ansichten überlappend anzuordnen, wodurch über eine virtuelle Kamerabewegung ein nahtloser Übergang entsteht.
  • Bei Light Filters passen wir die Beleuchtung der Szene an und über Color Filters lässt sich die Szene farblich anpassen.
  • Unter Templates finden sich fertige Vorlagen mit Szenerien, zum Beispiel für sportliche Themen, für Animes, für Geschäfts- und Marketing-Präsentationen oder für erzieherische Zwecke.

Da ginge noch mehr

Fazit: Die Funktionsweise erschliesst sich schnell und mit Krikey AI lässt sich in einem Nachmittag ein Projekt von einigen Sekunden oder wenigen Minuten problemlos umsetzen. Allerdings ist der grundlegende Look für meinen Geschmack etwas zu kindlich und uniform ausgefallen. Das mag einen US-amerikanischen Kunden vielleicht weiger stören, aber für ein eher nüchternes europäisches Publikum wirkt mir das für viele Zwecke zu wenig seriös. Ausserdem: Wenn man einmal eine solche Animation gesehen hat, wird man sie sofort wiedererkennen.

Trotzdem sehe ich Potenzial: Auf diese Weise Geschichten zu erzählen, könnte Spass machen. Es ist deutlich einfacher, als zum Beispiel mit einem Stop-Motion-Videoprojekt auf einen grünen Zweig zu kommen. Für ein kreatives Schulprojekt ist die Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten bislang leider aber zu eingeschränkt. Es müsste zumindest möglich sein, mehr als eine Figur in einer Szene zu platzieren, die zumindest auf grundlegende Art und Weise miteinander und mit Requisiten interagieren zu lassen.

Es gibt eine Gratisvariante, bei der wir zwanzig Credits für Experimente erhalten, aber bloss wenige Standard-Animationen und Avatare zum Ausprobieren erhalten. Für ernsthafte Nutzung braucht es ein Abo für 15 US-Dollar pro Monat, bei dem es 165 Credits gibt.

Die Pro-Version für 30 US-Dollar gibt 350 Credits, Extra-Avatare und die Möglichkeit, eigene Stimmen klonen zu lassen.

Nachbemerkung: Ich weiss, dass sich hier im Blog derzeit recht viele Leute im Grab umdrehen. Neulich hatte schon Leonardo da Vinci in seiner Gruft rotiert. Ich verspreche, bei der Titelsetzung wieder etwas einfallsreicher zu werden.

Beitragsbild: Dieser Avatar wurde anhand eines Fotos von meinem Gesicht mit wenigen manuellen Anpassungen erzeugt.

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