Von Moleskine kommen Apps, die zwar nicht in jedem Fall exakt meine Bedürfnisse treffen, die aber einen innovativen Ansatz haben. Mit Timepage haben die Macher versucht, den Kalender neu zu erfinden und Journey ist eine Art holistische Tagebuch-App. Darum, fand ich, könne ich mir doch auch Moleskine Flow genauer ansehen. Das ist ein digitales Notizbuch, in das wir malen, zeichnen oder auch schreiben können.
Es gibt die App fürs iPhone und iPad, und es gibt einige Funktionen, die gleich zu Anfang erwähnenswert sind: Die App lässt sich auch kollaborativ benutzen, d.h. mehrere Leute können via Internet am gleichen Dokument arbeiten, indem wir einen Link teilen. Es gibt auch die Möglichkeit, via Screensharing bzw. Shareplay über Apples Videotelefonie-App Facetime mit der App zu arbeiten: Die Möglichkeit erlaubt es Nutzern, die die App nicht installiert haben, an einer Flow-Session teilzuhaben. Die Grenzen zwischen Zeichen-App und Whiteboard sind bei Flow gewissermassen fliessend – ich würde die App aber dennoch im kreativen, gestalterischen Bereich verorten. Für eher technisch-planerische Aufgaben gibt es besser geeignete Produkte; einige davon habe ich hier zusammengetragen.
Ideal für iPad-Künstler

Flow synchronisiert die Dokumente automatisch mit der Cloud, aber leider nur mit iPhone und iPad, nicht mit dem Mac oder Windows. Das ist für mich das Hauptmanko, denn auch wenn man die Dokumente natürlich für den Desktop exportieren kann, dann ist es trotzdem ein grosses Plus, auch am grossen Bildschirm mit den Skizzen und Zeichnungen arbeiten zu können.
Eine wichtiges Merkmal ist die Anpassbarkeit: In den Einstellungen können wir Gesten definieren, zum Beispiel für Rückgängig, Wiederholen, Ein- und Ausblenden der Werkzeuge – das passiert standardmässig, indem wir mit drei Fingern aufs Display tippen und das Zusammenspiel mit Apple Pencil, der dann ebenfalls für die entsprechenden Funktionen konfiguriert werden kann. Und die App arbeitet mit dem Moleskine Pen zusammen. Das bedeutet, dass wir Zeichnungen, die wir in einem klassischen Papier-Notizbuch anfertigen, in die App importieren können. Klingt interessant, aber das Smart Writing Set hat mit 299 Franken einen stolzen Preis.
Das Papier-Notizbuch wäre nicht abgestürzt
Und noch eine Bemerkung vorneweg: Bei meinem Test war die App nicht sehr zuverlässig, sondern ist immer mal wieder abgestürzt. Dokumente sind, soweit ich sagen kann, dadurch nicht verloren gegangen. Aber trotzdem – Papier-Notizbücher stürzen bekanntlich nicht ab!
Nach dem Start der App legen wir ein Dokument an, indem wir Quer- oder Hochformat auswählen. Der Clou ist nun, dass sich Dokumente im Querformat nach rechts beliebig erweitern lassen, Dokumente im Hochformat nach unten. Es ist aber nicht möglich, diese Ausrichtung nachträglich zu ändern.
Wie erwähnt, werden die Werkzeuge standardmässig durch Tippen mit drei Fingern ein- und ausgeblendet. Mit zwei Fingern verschieben wir den Ausschnitt. Es gibt standardmässig elf Werkzeuge, nämlich Pinselstift, Graphitstift, Fineliner, Füllfeder, Textmarker mit runder Spitze, Filzstift mit Keilspitze, Airbrush, Lasso-Messer, Radiergummi, Tipp-Ex und Lineal. Über das Plus-Symbol rechts unten lässt sich das ausgewählte Zeichenwerkzeug duplizieren und anpassen: Wir können Farbe, Deckkraft und Strichdicke anpassen.

Ein tolles Feature: Die Anpassbarkeit der Werkzeugbox

Die Werkzeuge können auch umsortiert und entfernt werden. Das erlaubt es uns, genau diejenigen Zeichenwerkzeuge bereitzuhalten, die wir für unsere Arbeit brauchen: Das überzeugt auf Anhieb, denn auf unserem Schreibtisch würden wir wohl auch nur die Stifte parat liegen haben, die wir auch tatsächlich brauchen wollen.
Noch eine Bemerkung zum Lineal: Das ist ein Hilfswerkzeug, das diverse Optionen hat: Es kann so eingestellt werden, dass es magnetisch wirkt oder einen Teil der Zeichnung in wählbaren Formen maskiert. Es wird für perspektivische Zeichnungen oder aber auch für Symmetrien eingesetzt. Das Lineal wird durch Antippen aktiviert und deaktiviert. Falls plötzlich seltsame Linien im Dokument auftauchen, wurde wahrscheinlich versehentlich das Lineal in Stellung gebracht. Durch nochmaliges Antippen verschwindet es wieder.
Über die Symbolleiste am oberen Rand haben wir Befehle für die Kollaboration und das Screensharing, bzw. -recording zur Verfügung. Wichtig ist auch das Dreipunkte-Menü, das folgende Befehle bereithält:
- Ebenen: Die Ebenenfunktion ist ein leistungsfähiges Gestaltungsinstrument, das viele aus Photoshop kennen. In der Flow-App ist es möglich, neue Ebenen hinzufügen, deren Deckkraft sich anpassen lässt, die ausgeblendet und umsortiert werden können und die sich bei Bedarf auch mit den Nachbarebenen verschmelzen lassen.
- Bild hinzufügen: Wir holen via Datei-App, Fotobibliothek oder Kamera ein Pixelbild in die Zeichnung.
- Cover: Hier wählen wir den Ausschnitt, der als Vorschau bei der Auswahl des Dokuments angezeigt wird.
- Hintergrund: Wir fügen ein Raster ein oder geben dem Dokument eine leichte Tonung.
- Exportieren: Dieses Menü erlaubt das Speichern des ganzen Dokuments. Daneben ist es auch möglich, ein Screenshot zu exportieren oder den Entstehungsprozess als Zeitraffer in Form eines Videos, einer GIF-Datei oder einer Bildsequenz zu dokumentieren.
Beim Export ginge noch mehr
Einige Bemerkungen zum Export: So nett die vielfältigen Optionen sind, die Funktionen fürs Speichern des gesamten Dokuments überzeugen mich nicht so ganz: Wir können es als PDF oder PNG exportieren und, falls nötig, sehr breite oder hohe Werke auf mehrere Einzelseiten verteilen. Es gibt auch die Möglichkeit, den Hintergrund transparent oder aber farbig oder gemustert zu gestalten. Das ist alles in Ordnung – aber für die professionelle Weiterverarbeitung würde ich hier ein Vektor-Format wie Scalable Vector Graphics (SVG) erwarten. Vermutlich bekommt man auch das PDF in ein Vektorgrafikprogramm, wenn das notwendig sein sollte – aber SVG wäre auf alle Fälle der sauberere Weg.
Und wo wir bei der Kritik sind: Auch wenn es ums Zeichnen und Skizzieren geht, fände ich ein Textwerkzeug nützlich.
Beitragsbild: Wers kann, kanns auch digital (Alena Koval, Pexels-Lizenz).