Microsoft bastelt an der Notiz-App der Zukunft

Microsoft hat eine neue An­wen­dung im Portfolio. Loop ist eine Mi­schung aus Notiz-App und Pro­jekt­ma­na­ger und lässt auch An­lei­hen an Notion erken­nen.

Microsoft ist dabei, den Reigen der klassischen Anwendungen zu erweitern: Zu Word, Excel und Powerpoint haben sich Lists und Forms dazugesellt. Diese beiden Apps kümmern sich, wie die Namen andeuten, um ausgeklügelte Listen und Formulare. Ich habe sie hier und hier besprochen.

Es gibt ein drittes Produkt, das das ambitionierteste von den dreien sein dürfte. Es heisst Loop, ist unter loop.microsoft.com zu finden. Was es tut, ist einfach zu verstehen. Zumindest unter einer Voraussetzung: Leute, die Notion kennen, werden augenblicklich ein Aha-Erlebnis haben. Und alle anderen schauen mich jetzt fragend an.

Also, Notion ist eine Art Universal-App für Leute, die Daten und Informationen sammeln und sie möglichst flexibel und vielseitig nutzen wollen: Meine Erkenntnis beim Test vor gut zwei Jahren war, dass diese App, was immer sie denn auch tut, auf eine intelligente Weise tut – aber dass man sie nicht unbedingt vom Fleck weg versteht und richtig einsetzt. Man muss sich herantasten, ausprobieren und herausfinden, wo und wie man sie zweckdienlich verwendet – und wann eine klassische Notiz-App, eine herkömmliche Tabellenkalkulation oder eine Schreib-App das bessere Instrument ist.

Ein modernes Intranet

Etwas Ähnliches gilt auch für Loop: Microsoft preist die neue App als Werkzeug für die Zusammenarbeit an. Ein Team greift auf gemeinsame Ressourcen zu und plant Projekte oder die fortlaufende Arbeit. Ich sehe Loop als Ersatz für ein herkömmliches Intranet und als eine Art interaktive Wissensbasis.

Pro Projekt richtet man einen eigenen Arbeitsbereich ein.

Aber ich muss meine Einschätzung mit einem Disclaimer ausstatten, weil sich die Software erst seit Kurzem testen lässt und ich als Einzelkämpfer die kollaborativen Features nicht unter Ernstfall-Bedingungen getestet habe.

Letzteres gilt übrigens auch für Notion, weswegen ich nur bedingt sagen kann, welches der beiden Produkte ich vorziehen würde. Notion ist ausgereifter, vielfältiger einsetzbar und macht einen besser abgehangenen Eindruck. Diese Software wirkt auf mich auch zugänglicher und freundlicher, während Loop im Vergleich technoid-distanziert rüberkommt. Aber Microsofts Vorteil ist, dass ein riesiger Konzern hinter dem Produkt steht, der (im Idealfall) das neue Produkt mit den klassischen Office-Anwendungen verzahnt.

Alles kommt in einen Topf

Also, das ist die Funktionsweise, soweit ich sie verstanden habe:

Loop hat Arbeitsbereiche, mit denen wir die einzelnen Projekte oder Ablagen organisieren. In Analogie zu einer klassischen Notiz-App wären die Arbeitsbereiche die einzelnen Notizbücher. In einem Arbeitsbereich richten wir Seiten und Unterseiten ein – es gibt somit die Möglichkeit, Informationen hierarchisch zu organisieren und zu verknüpfen. Auch klassische Office-Dokumente (Word, Excel, Powerpoint), andere Formate und Links sind in dieser Hierarchie erlaubt.

Eine Seite mit einer Komponente für eine Checkliste.

Die einzelnen Seiten wiederum werden mit Elementen bzw. Komponenten bestückt. Das ist ein zentrales Konzept, auf das ich gleich noch zu sprechen kommen werde. Wichtig ist aber, dass wir für die Kollaboration entweder einen Arbeitsbereich oder aber eine Seite oder eine Komponente für andere freigeben. Das erlaubt eine ausgeklügelte Steuerung, wer welche Informationen zu Gesicht bekommt.

Der Schrägstrich führt zum Komponenten-Menü

Das Menü, über das die Elemente ins Dokument eingefügt werden.

Auf einer Seite schreiben wir Text und platzieren Bilder. Es gibt viele weitere Elemente, die sich platzieren lassen. Das geschieht über ein Kontextmenü, das (wie etwa bei Slack, Notion oder dem Gutenberg-Editor aus Word­press) durch Betätigen der Schrägstrich-Taste (/) erscheint. In diesem Menü stehen u.a. folgende Elemente zur Auswahl:

  • Überschriften mehrerer Hierarchiestufen (H1, H2, H3)
  • Tabelle
  • Checkliste
  • Aufzählung oder nummerierte Liste
  • Trennlinie
  • Aufgabenliste
  • Abstimmungstabelle
  • Status-Nachverfolgung
  • Person
  • Datum
  • Bezeichnung
  • Bild
  • Emoji-Auswahl

Diese Elemente lassen sich zu einem gewissen Grad auch verschachteln. In der Zelle einer Tabelle lässt sich unter anderem ein Datumsfeld, eine Checkliste oder eine Status-Nachverfolgung unterbringen.

Die Arbeit mit Komponenten

Mit dem @-Symbol lassen sich Personen direkt erwähnen und über einen Anfasser am linken Rand lassen sich Absätze bzw. Elemente nach unten oder oben schieben. Es ist auch möglich, die einzelnen Absätze oder Elemente mit Emojis oder Kommentaren zu versehen.

Wenn wir ein Element wie z.B. eine Abstimmungstabelle auswählen, erscheint ein Popup-Menü mit dem Befehl Loop-Komponente erstellen. Das funktioniert auch mit einer individuellen Auswahl aus Absätzen und Elementen. Wenn wir das tun, können wir diese Komponente mit kopieren, freigeben und mit separaten Zugriffsrechten ausstatten.

Diese Liste lässt sich als Komponente für einen grösseren Kreis freigeben.

Das ist ein interessantes Konzept. Im Video oben exerziert Microsoft das anhand einer Abstimmungstabelle durch: Diese lässt sich z.B. via Teams oder über einen Link freigeben. Wir können eine Umfrage im grösseren Kreis oder öffentlich durchführen und sehen die Resultate live in unserem Dokument, wo wir es im kleinen Kreis diskutieren.

Die oben im Screenshot abgebildete Umfrage-Komponente findet sich übrigens hier: Ihr dürft sie gern ausfüllen!

Wie steht es mit privaten Notizen?

Nicht ganz klar ist mir, ob auch das Umgekehrte möglich ist, d.h. innerhalb einer breit zugänglichen Seite eine Komponente einzurichten, die für weniger Leute oder nur für uns selbst zugänglich ist. Sinnvoll wäre das auf alle Fälle. Ich habe mal versucht, in einem freigegebenen Google Doc private Notizen unterzubringen, aber das Resultat war nicht befriedigend.

Fazit; soweit das schon möglich ist: Loop hat vielversprechende Ansätze. Die Idee der wiederverwertbaren Komponenten gefällt mir ausgezeichnet. Bei den Elementen hat die Anwendung noch Potenzial: Sinnvoll wäre, wenn sich Office-Dokumente nicht nur als Seiten im Projekt unterbringen liessen, sondern auch als Komponente innerhalb einer Seite. Und es bräuchte noch einige Elemente mehr: Für Formeln und wissenschaftliche Notationen, für dynamische Daten und Diagramme, um zwei naheliegende Typen zu nennen.

Das klassische Wiki hat nicht ausgedient

Der Schwerpunkt bei Loop liegt auf der Interaktion und Kollaboration. Für statische Wissenssammlungen scheint mir ein klassisches Wiki nach wie vor die bessere Wahl, weil die Strukturierung und Verlinkung der Inhalte einfacher und intuitiver möglich ist. Ausserdem ist es vorgesehen, so ein Wiki zu exportieren und lokal zu speichern, während Loop, soweit ich das sehe, nur bei Microsoft in der Cloud lebt.

Mit anderen Worten: Für mich als Einzelkämpfer bringt Loop nichts, worauf ich dringend gewartet hätte. In meinem Blog kann ich Drittelemente einbetten, um direkt mit der Leserschaft zu interagieren. Eine Software-Revolution scheint mir Loop bislang nicht zu sein und mein Eindruck ist, dass Notion im Vergleich noch mehr Möglichkeiten bereithält.

Beitragsbild: Solange immer klar bleibt, wo oben und unten ist (Stas Knop, Pexels-Lizenz).

One thought on “Microsoft bastelt an der Notiz-App der Zukunft

  1. Also Loop in einem Atemzug mit Notion oder auch Craft, Upnote und Obsidian nennen zu wollen, halte ich für äußerst mutig. Loop ist nicht nur meilenweit sondern noch Lichtjahre weit entfernt, denen das Wasser reichen zu können. Ich habe mir Loop runtergeladen – ich weiß gar nicht, was ich da testen soll: rudimentär oderspartanisch wären hier noch Koseworte.
    MS hat es noch nicht mal hier geschafft, eine vernünftige deutsche Rechtschreibung bzw. Korrekturvorschläge zu offerieren, die das Niveau eines Erstklässlers übersteigen.
    Mein Rat:
    In 2 Jahren noch mal reinschauen, ob es noch existiert und wenn ja, wie – für mehr lohnt sich der Aufwand nicht.

Kommentar verfassen