Was ChatGPT als Redaktor taugt

Was taugt ein Chatbot als Assistent beim Schreiben, Über­ar­beiten und Ver­bes­sern von Texten? Kann er Passagen nüch­ter­ner, un­ter­halt­samer oder kürzer machen und mir beim Gendern helfen?

Zu meinem eigenen Vergnügen – und in der Hoffnung auf Erkenntnisgewinn – bin ich derzeit dabei, die praktischen Möglichkeiten von KI-Sprachmodellen auszuloten. Können sie uns im Alltag bei profanen Aufgaben behilflich sein? Heute will ich herausfinden, was ChatGPT und seinesgleichen als Redaktor zu leisten vermögen. Dafür habe ich mir fünf Aufgaben ausgedacht:

1) Hilfe beim Gendern

Kann mir ChatGPT helfen, einen Text so zu schreiben, dass er alle Geschlechter einbezieht? Für diesen Text erfinde ich einen kurzen Text mit einigen Herausforderungen:

Nächste Woche versammeln sich alle Teilnehmer an der Hermannstrasse. Jedermann sollte seinen Mitgliederausweis dabeihaben. Studentenvertreter sind willkommen, die Abgeordneten der Administratoren-Abteilung ebenfalls.

Also, lieber ChatGPT, kannst du mir den nachfolgenden Text in eine gendergerechte Sprache umformulieren?

Nächste Woche versammeln sich alle Teilnehmenden an der Hermannstraße. Jede Person sollte ihren Mitgliederausweis dabeihaben. Studierendenvertreter*innen sind willkommen, ebenso die Abgeordneten der Administrationsabteilung.

Nicht schlecht. Bis auf den einen Ausrutscher¹, der sich mit «Mitgliedsausweis» einfach hätte verhindern lassen. Und ich hätte den Genderstern eliminiert und stattdessen «Studierendenvertreter und -vertreterinnen» geschrieben.

Bei den Abgeordneten stellt sich für mich eine interessante Nebenfrage: Ich denke bei diesem Wort automatisch an den Plural von «der Abgeordnete», obwohl der Plural von «die Abgeordnete» ebenfalls «die Abgeordneten» lautet. Müsste das Wort daher nicht trotzdem gegendert werden, damit diese Fehlwahrnehmung ausgeschlossen ist? Also, gemäss geschicktgendern.de, die «abgeordneten Personen»?

2) Nüchterner formulieren

Manchmal gehen die Pferde mit mir durch und ich schreibe Texte nicht so sachlich, wie es (vielleicht) angebracht wäre. Kann ChatGPT das korrigieren? Ich probiere das anhand der Tirade, die ich seinerzeit auf Youtube losgelassen habe (Ein Stinkefinger für Youtube):

Nein, Youtube lässt die eigene Unfähigkeit zur Moderation der eigenen Plattform an den Nutzern aus. Das kann sich nur ein arroganter Betreiber leisten, der viel zu gross und zu mächtig geworden ist und völlig vergessen zu haben scheint, dass er das nicht nur grossartigen Kanälen wie BibisBeautyPalace, sondern auch vielen kleinen Youtubern verdankt, deren Videos das Angebot so vielfältig und schillernd macht.

Ich stelle ChatGPT die Aufgabe: Lieber ChatGPT, kannst du mir diesen Text sachlich und neutral umformulieren?

Nein, Youtube überträgt die Verantwortung für die Moderation seiner Plattform auf die Nutzerinnen und Nutzer. Dieses Vorgehen kann als selbstbewusst angesehen werden, da der Betreiber eine beträchtliche Größe und Macht erreicht hat. Dabei scheint er jedoch zu vernachlässigen, dass nicht nur erfolgreiche Kanäle wie BibisBeautyPalace, sondern auch zahlreiche kleine YouTuberinnen und YouTuber zur Vielfalt und Attraktivität des Angebots beitragen.

Formulierungen wie «kann als selbstbewusst angesehen werden» oder «scheint er zu vernachlässigen» überschreiten wohl die Grenze von der diplomatischen Sprache zu einem Exzess von Wiesel-Worten. Aber trotzdem und ohne Zweifel: Aufgabe erfüllt!

3) Entfloskeln

Ich neige dazu, gerade beim Bloggen viele Füllwörter und Floskeln zu gebrauchen. Kann mir ChatGPT solche Exzesse direkter und kürzer formulieren? Ein erster Versuch mit einem besonders aufgeblähten Abschnitt, der aus diesem Blogpost hier stammt:

Der Ursprungstext ist 531 Zeichen lang:

Und wenn man ihn brauchen wollen würde, dann müsste man ihn wenn schon vor das S setzen, weil das wenigstens einigermassen logisch wäre. Deutlich gesprochen würde es «es Meiteli» heissen. Also «’s Meiteli», etwas undeutlich. Sieht halt einfach bescheuert aus und macht die Sache auch nicht besser, darum einfach «S Meiteli». Das ist aber noch nicht aller Unfug, den man mit dem Apostroph anstellen kann. Man kann nämlich einfach irgendwelche Häkchen zum Apostroph erklären, die man auf seiner Tastatur so findet.

ChatGPT macht 496 Zeichen daraus:

Und wenn man ihn brauchen möchte, müsste man ihn bestenfalls vor das S setzen, da dies zumindest logisch wäre. Deutlich ausgesprochen würde es „es Meiteli“ heißen. Also „s Meiteli“, etwas undeutlich. Es sieht einfach lächerlich aus und verbessert die Situation auch nicht, daher einfach „S Meiteli“. Das ist jedoch nicht der einzige Unsinn, den man mit dem Apostroph anstellen kann. Man kann nämlich einfach beliebige Akzente als Apostroph erklären, die man auf seiner Tastatur findet.

Damit bin ich nicht zufrieden. Erstens verhunzt mir ChatGPT die Typografie, indem er die Guillemets durch gerade Anführungszeichen ersetzt. Zweitens verwendet er das scharfe S (ß), das es in meinem Original nicht gibt. Drittens – und schlimmstens – lässt er den Apostroph weg, ohne den meine Argumentation keinen Sinn mehr ergibt.

Von Hand bringe ich es auf 403 Zeichen:

Wenn man ihn brauchen will, dann setzt man ihn vor das S, weil das logisch wäre. Deutlich gesprochen würde es «es Meiteli» heissen, «’s Meiteli» weniger deutlich. Das sieht seltsam aus und ist kein Gewinn, darum «S Meiteli». Das ist noch nicht aller Unfug, den man mit dem Apostroph anstellen kann. Man kann irgendwelche Häkchen zum Apostroph erklären, die man auf seiner Tastatur findet.

Bewertung dieser Aufgabe: Ungenügend.

4) Einen drögen Text unterhaltsamer machen

Die zweitletzte Aufgabe ist vermutlich ein Ding der Unmöglichkeit. Es geht darum, eine beschreibende Passage aus diesem Blogpost, die etwas gar trocken und langweilig geraten ist, interessanter zu machen. Das ist die Passage:

Zweitens kann Bitlocker nur mit den Pro-, Enterprise- und Education-Editionen von Windows 10 und 11 eingerichtet werden. Das Lesen ist allerdings auch mit der Home-Version möglich. Darum können Datenträger, die mit einer Pro-Version verschlüsselt worden sind, dann auch via Home benutzt werden. Es gibt das erwähnte Bitlocker Anywhere auch für Windows, womit sich die Home-Versionen nachrüsten lassen. Und mit Veracrypt gibt es auch eine offene Alternative für Windows, den Mac und Linux.

Lieber ChatGPT, mache diesen langweiligen Text weniger langweilig oder, falls möglich, sogar lustig und etwas frech:

Zweitens schnappt sich Bitlocker nur die Pro-, Enterprise- und Education-Editionen von Windows 10 und 11. Aber hey, keine Sorge, die Home-Version kann immer noch mitlesen! Das bedeutet, dass du verschlüsselte Datenträger, die mit einer Pro-Version erstellt wurden, auch mit deinem gemütlichen Home-Setup genießen kannst. Falls du trotzdem Lust auf das volle Bitlocker-Erlebnis hast, gibt es tatsächlich so etwas wie „Bitlocker Anywhere“ für Windows. Ja, du hast richtig gehört, du kannst deine Home-Version nachrüsten und dich in die verschlüsselte Welt stürzen.

Und für alle, die rebellischer sind und nicht an Microsofts Spielchen teilnehmen wollen, gibt es auch Veracrypt! Diese offene Alternative ist für Windows, Mac und Linux verfügbar, so dass jeder die Freiheit hat, seine Daten zu schützen, egal welches Betriebssystem man bevorzugt. Wer sagt denn, dass Sicherheit langweilig sein muss? Mit Bitlocker, Bitlocker Anywhere und Veracrypt kannst du deine Dateien wie ein echter Computer-Ninja verschlüsseln!

Wow! Ich habe keine Zweifel, dass dieses Kunstwerk an der Verleihung zum «Texter des Jahres» 1992 eine ehrenvolle Erwähnung gegeben hätte – in der Unterkategorie «besonders schamlose Anbiederung eines Mittfünfzigers an die jugendliche Zielgruppe». Und vielleicht wäre am Rand der Veranstaltung auch leise der Ratschlag geäussert worden, es mit dem Kokain etwas langsamer anzugehen.

Wie auch immer, bei dem Beispiel bin ich überzeugt, dass ich das niemals so hinbekommen hätte. Dass die Verständlichkeit massiv leidet – geschenkt. Und dass die Passage doppelt so lang ist – egal.

5) Eine Aufzählung in einen Fliesstext umwandeln

Kann mir ChatGPT auch Arbeit abnehmen? Ich probiere das anhand des «2022 App Store Transparency Reports» von Apple aus, den ich hier neulich erwähnt habe. Dieser Bericht enthält auch eine Liste mit Zahlen zu den Nutzerinnen und Nutzern des App-Stores:

Durchschnittliche wöchentliche Besucher im App Store: 656’739’889
Durchschnittliche wöchentliche App-Downloads: 747’873’877
Durchschnittliche wöchentliche App-Redownloads: 1’539’274’266
Durchschnittliche wöchentliche automatische App-Updates: 40’876’798’492
Durchschnittliche wöchentliche manuelle App-Updates: 512’545’816

Ich habe daraufhin die folgende Frage ins Eingabefeld getippt: «ChatGPT, kannst du mir aus diesen Zahlen hier einen interessanten Text schreiben? Es handelt sich um Zahlen zum App-Store von Apple».

Damit das nachfolgende Resultat verständlich ist, muss ich anfügen, dass ich das direkt nach Aufgabe vier getan habe. ChatGPT befand sich somit noch im Modus «Ich schreibe wie ein aufgeputschter Werber von 1992 oder wie ein ambitionierter ‹Bravo›-Redaktor von 1973».

Doch bevor ich euch den zumute, noch ein kurzes Fazit: Ich würde keinen der von ChatGPT erzeugten Texte eins zu eins verwenden. Darum befürchte ich auch nicht, als Redaktor und Journalist so schnell arbeitslos zu werden. (Na ja, zumindest deswegen nicht.) Aber es ist offensichtlich, dass das Sprachmodell so gut ist, dass es eine echte Arbeitserleichterung bringt: Mit ein bisschen Überarbeitung wären diese Texte allesamt brauchbar.

Und jetzt, meine Damen und Herren, das grosse Finale dieses Blogposts! Hier also die von ChatGPT durch die Coolness-Mangel gedrehte App-Store-Statistik:

Willkommen in der schwindelerregenden Welt des App Stores von Apple! Jede Woche strömen durchschnittlich 656’739’889 Besucher in diesen digitalen Dschungel voller unendlicher Möglichkeiten. Es ist ein wahrer Schmelztiegel der Kreativität und Innovation, der die Herzen von Technikbegeisterten höher schlagen lässt.

Diese Besucher sind jedoch nicht nur zum Fensterbummel hier. Nein, sie sind hungrig nach neuen digitalen Errungenschaften. In einer einzigen Woche werden beeindruckende 747’873’877 Apps heruntergeladen. Das sind ganze Galaxien von Anwendungen, die sich auf den Weg in die Smartphones und Tablets der Welt machen.

Aber warte, es gibt noch mehr! Manchmal ist es nicht genug, eine App nur einmal herunterzuladen. Manchmal muss man sie erneut erleben, noch einmal spüren, wie sie den Puls des digitalen Lebens antreibt. Daher werden jede Woche erstaunliche 1’539’274’266 Apps erneut heruntergeladen. Das ist wie ein digitaler Auferstehungstag für unsere geliebten Anwendungen.

Doch damit nicht genug! Die digitale Maschinerie des App Stores arbeitet unermüdlich im Hintergrund, um sicherzustellen, dass alles auf dem neuesten Stand bleibt. In einer einzigen Woche werden unglaubliche 40’876’798’492 automatische App-Updates durchgeführt. Das sind wie kleine digitale Feen, die die Apps mit frischem Glanz und neuen Funktionen versehen.

Fussnoten

1) Bevor mir einer den Duden um die Ohren haut: Ja, ich weiss, dass Mitglied ein Neutrum ist und man nicht «Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder» sagt. Trotzdem ist Mitgliedsausweis eine neutralere Formulierung, die es quasi gratis gibt.

Beitragsbild: Adobe Firefly zum Prompt: «A robot sitting in front of a typewriter, smoking a big cigar.» (Wobei er leider die Schreibmaschine verkehrt herum aufgestellt hat.)

4 Kommentare zu «Was ChatGPT als Redaktor taugt»

  1. ChatGPT hat mir schon öfter geholfen beim Schreiben. Noch nie konnte ich einen Text 1:1 übernehmen, aber er liefert gute Ansätze, wenn ich keine Idee habe. Die Texte waren aber immer einfacher Natur, für Glückwunschkarten oder Einladungen.

    Bei Deinem Gender-Beispiel ist mir etwas aufgefallen: Als das generische Maskulinum bei der schreibenden Zunft noch nicht verpönt war, habe ich es im Kopf als generisch wahrgenommen. Bei einem Pilotenstreik war klar, dass auch die Pilotinnen streiken und wenn Forscher etwas entdeckt haben, war häufig auch eine Frau im Laborkittel auf dem Foto. Je mehr gegenderte Texte ich lese, desto selektiver wird die Wahrnehmung. Bei einem Pilotenstreik sehe ich eine Gruppe Männer vor dem geistigen Auge, denn sonst würde da ja Pilotinnen- und Pilotenstreik stehen.

    1. Weil ich das Anliegen als berechtigt empfinde. Aber bevor Sie sich allzu sehr aufregen: Ich bin auch kein Fan von Genderstern, -doppelpunkt, -gap oder anderen typografischen Sperenzchen, weswegen ich entweder beide Formen nenne (wie es auch im Text steht) oder generisches Maskulinum und generisches Femininum abwechselnd verwende.

  2. Der Autor untersucht den Nutzen von ChatGPT bei verschiedenen redaktionellen Aufgaben, wie etwa geschlechtsneutralem Schreiben, objektiver Formulierung, Auflockerung, Belebung langweiliger Inhalte und der Umwandlung von Listen in Erzählungen. Sie stoßen sowohl auf Erfolge als auch auf Mängel, erkennen das Potenzial des Modells an, betonen jedoch die menschliche Aufsicht. Der Aufsatz ist eine witzige Kritik an KI-generierten Inhalten und unterstreicht die anhaltende Relevanz der menschlichen Note beim Schreiben.

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