Boxcryptor verschwindet in der Kiste

Dropbox kauft die immer wieder gern empfohlene Verschlüsselungssoftware Boxcryptor. Das bedeutet für die uns Nutzer leider das effektive Aus: Warum das ein Fehler ist – und was es für Ausweichmöglichkeiten gibt.

Eines der wirklich klugen und nützlichen Hilfsmittel für die Cloud, das ich immer mal wieder empfohlen habe, ist Boxcryptor: Diese Software verschlüsselt Dateien lokal, bevor sie auf Cloudablagen wie Dropbox, OneDrive von Microsoft, Google Drive oder Box hochgeladen werden.

Das ist angewandter Selbstschutz: Statt sich zu fragen, ob die Betreiber eines Clouddienstes ihre Neugierde zügeln können oder womöglich Unfug mit den persönlichen Daten anstellen, legen wir selbst Hand an und stellen sicher, dass es technisch unmöglich ist, Unfug anzustellen. Denn wir können uns in der digitalen Welt auf wenige Dinge verlassen – doch ein Ding, auf das wir bauen dürfen, ist die Verschlüsselung.

Nun habe ich vor ein paar Tagen eine unerfreuliche Mitteilung erhalten: In dem Mail heisst es, mein Boxcryptor-Konto werde per 31. Januar 2023 gesperrt. Ab dann funktioniert die Software nicht mehr. Und wie im E-Mail angedeutet wird, sind Dateien, die bis dann nicht entschlüsselt wurden, nicht mehr zugänglich.

Datenverlust scheint nicht ausgeschlossen

«Vielen Dank und bitte gehen Sie jetzt weg.»

Das ein rabiates Vorgehen: Man kann sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass sechs Wochen Vorlauf ausreichend sein müssten, um die Daten abzuziehen. Es kommt allerdings vor, dass Leute nicht immer Gelegenheit haben, sich zeitnah um Mails zu kümmern. Sie kommt vor, dass Menschen krank sind, im Spital liegen oder sich – deutlich erfreulicher – auf Weltreise begeben haben. Darum bewahrheitet sich einmal mehr die Regel, dass uns keine Daten gehören, die wir nicht selbst unter Kontrolle haben.

Der Grund für den uncharmanten Rausschmiss ist auf der Website zu lesen, in einem Brief von den Gründer:innen Andrea Pfundmeier und Robert Freudenreich. Er besagt, dass sich Boxcryptor Dropbox anschliesst:

Dropbox erwirbt unsere IP-Technologie. Unsere neue Aufgabe wird es sein, diese Technologie nativ in das Dropbox-Produkt einzubinden, um Millionen von Business-Nutzerinnen und -Nutzern weltweit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit Zero-Knowledge anbieten zu können.

Die Nutzerinnen und Nutzer sind nicht mehr erwünscht

Das ist schön fürs Unternehmen Secomba, das in Augsburg zu Hause ist, aber schlecht für die Anwender. Denn es besagt unterm Strich, dass sie als Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr erwünscht sind. Die FAQ im gleichen Dokument erscheinen mir auch sehr beschönigend. Es heisst:

Bestehende Kundinnen und Kunden werden jedoch während der Laufzeit ihrer Verträge weiterhin von uns unterstützt.

Das mag im Wortlaut stimmen, aber der eigentliche Punkt, dass die Laufzeit der Verträge beendet wird, der kommt in dieser Erklärung nicht zur Geltung.

Auch andere Punkte würde ich nicht so stehen lassen. So heisst in der Frage «Warum haben Sie an ein amerikanisches Unternehmen verkauft?»:

Dropbox ist eine vertrauenswürdige globale Marke mit Nutzerinnen und Nutzern auf der ganzen Welt (…).

Ich habe zwar Dropbox selbst lange genutzt, aber immer nur für unsensible Inhalte. Denn viele von uns erinnern sich vermutlich noch Edward Snowden und seine Enthüllungen. Daraus wissen wir vom Prism-Programm der NSA, an dem Dropbox sich beteiligen sollte.

Boxcryptor schiesst sich selbst ins Aus

Allein dieser Kritikpunkt stellt meines Erachtens die Zusammenarbeit grundlegend infrage: Denn der entscheidende Punkt bei Boxcryptor war bis anhin, dass diese Software unabhängig vom Cloudbetreiber verschlüsselt hat. Wenn sie in das eigentliche Produkt integriert wird, dann fällt dieser abgekoppelte Schutzmechanismus weg und ist damit (vermutlich) nicht komplett nutzlos, aber deutlich entwertet.

Aus diesen Gründen lässt sich der Entscheid, an Dropbox zu verkaufen, nicht wirklich schönreden. Ich nehme an, dass es sich für die Inhaber des Unternehmens gelohnt hat, aber aus Anwendersicht und auch für den IT-Standort Deutschland ist es keine gute Nachricht.

Bleibt die Frage, ob es brauchbare Alternativen für Boxcryptor gibt. Und die gibt es zum Glück. Die vielversprechendste scheint mir Cryptomator zu sein. Sie ist kostenlos, frei (Open Source), für Windows, Mac, Linux, iOS und Android erhältlich und funktioniert ähnlich wie das demnächst verblichene Vorbild. Versteht sich von selbst, dass das hier im Blog noch ausführlich getestet werden wird.

Beitragsbild: Tja, so gehts (Pavel Danilyuk, Pexels-Lizenz).

7 Kommentare zu «Boxcryptor verschwindet in der Kiste»

    1. Ich betrachte die Schreibweise, die Frauen und Männer gleichermassen anspricht, nicht als «Gender-Quark». Ich habe probehalber den Gender-Doppelpunkt benutzt, finde den aber nicht schön. Ich werde wohl dabei bleiben, von «Anwenderinnen und Anwendern» zu schreiben und ansonsten abwechselnd das generische Maskulinum und das generische Femininum zu verwenden.

  1. Das ist eine Katastrophe. Ein Kunde setzt Boxcryptor im Unternehmen ein. Da ist eine Frist von ein paar Wochen viel zu kurz. Zumal es dann nicht heisst „es gibt keine Updates mehr“, sondern „Software läuft nicht mehr“. Solche Fälle werfen ein schlechtes Licht auf das Mietmodell bei Software.

    Da muss ich Microsoft ein Kränzchen winden: Die stellen zwar auch immer wieder mal einen Dienst ein, aber mit ordentlichem Vorlauf von mindestens 18 Monaten.

  2. Als ich die Meldung gesehen habe, hat das bei mir ebenfalls ungute Gefühle ausgelöst und Enttäuschung über Secomba hervorgerufen. Offensichtlich hatten hier die finanziellen Interessen Priorität. Bin sehr froh über Deinen Artikel und werde garantiert wechseln.

  3. Danke für Deinen Beitrag.
    Cryptomator soll Probleme machen, wenn die PST-Outlookdatei damit verschlüsselt wird.
    Kennst Du das Problem oder nutzt Du keine PST-Dateien?

    1. Das konkret habe ich nicht getestet. Ich finde PST-Dateien bezüglich Backup aber grundsätzlich problematisch: Da alle Informationen in einer Datei gespeichert werden, neigen die dazu, Dutzende oder Hunderte Gigabyte gross zu werden. Selbst bei winzigen Änderungen muss immer die ganze Datei gesichert werden, was einen riesigen Datenverkehr verursacht. Ich finde diesbezüglich Thunderbird praktischer: Wenn du aktuelle Mails und Archivbestand trennst, bleibt die Datenmenge verkraftbar.

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