Wie Apple die deutsche Sprache gehackt hat

«Erektionen im Text» wurden sie genannt, die Binnen­majuskel – die Gross­buch­sta­ben innerhalb eines Wortes. Die sind bei digitalen Produk­ten gang und gäbe. Aber schön sind sie nicht. Würden wir besser «Iphone» schreiben?

Neulich hat sich ein Unternehmen über einen meiner Blogposts beklagt, in dem ich sein Produkt kritisiert habe. Es ging um einige meiner Kritikpunkte, aber eine weitere Diskussion entspannte sich über die Frage, ob ich den Namen der App richtig geschrieben hätte oder nicht. Es gibt im Original mitten im Wort einen Grossbuchstaben. Das solle ich doch gefälligst genauso schreiben, lautete die Forderung.

Nun, das tue ich nicht. Ich bin als Blogger nicht der verlängerte Arm der Marketing-Abteilungen, und sehe mich daher auch nicht verpflichtet, die marottenhaften Schreibweisen zu übernehmen. Also auch keine Grossschreibungen von Markennamen, weil die den Leser aus dem Text geradezu anspringen und das Schriftbild verhunzen.

Man kann sich auf den Standpunkt stellen, ein sogenannter Binnenmajuskel sei weniger schlimm: Das ist ein Grossbuchstabe, der mitten im Wort steht. Man kann ihn aus ästhetischer Sicht ablehnen: Im Blogpost Eine Unart setzt sich durch wird die Binnenmajuskel «Erektion im Text» bezeichnet: Eine Aussage, die auf ein Medium zurückzuführen ist, das in Sachen Gross-Kleinschreibung auch nicht über alle Zweifel erhaben ist. Sie stammt nämlich aus der Berliner «taz», die ihren Namen komplett in Minuskeln schreibt.

Älter als man denkt

Der Wikipedia-Eintrag zeigt auf, dass diese willkürlichen Grossbuchstaben im Deutschen eine jahrhundertelange Tradition haben. Vor Einführung der einheitlichen Rechtschreibung schrieben einige Autoren bei zusammengesetzten Wörtern die Einzelbestandteile gross. («RechenMaschine»). Für ungeübte LeserInnen war das sicher eine Verständnishilfe, und sie wirkt aus heutiger Sicht verblüffend modern: Denken wir an die Hashtags, wo wir das Leerzeichen vermeiden müssen und darum mit Grossbuchstaben für #bessereLesbarkeitSorgen. Trotzdem: diese Schreibweise hat sich nicht durchgesetzt.

Wikipedia zählt auch die Beispiele «GOtt, HErr» auf, die klarmachen, dass diese Extra-Grossbuchstaben schon zu Zeiten von Luther eine Marketing-Masche waren. Sie sollten dafür sorgen, dass ein Wort heraussticht und gegenüber den normal geschriebenen Begriffen erhaben wirkt. Aber wenn ich einen Text verfasse, der den Anspruch hat, neutral und distanziert zu sein, dann kann ich natürlich nicht einem Marken- oder Produktnamen auf typografischem Weg ein besonderes Gewicht verleihen.

Darum schreibe ich hier im Blog auch Word­press und nicht «WordPress», auch wenn der Hersteller des Content-Managment-Systems das gerne so hätte¹.

Der Sonderfall Apple

Eine interessante Frage scheint mir, warum die Binnenmajuskel gerade bei Apps und bei technischen Gerätschaften aus der digitalen Sphäre so beliebt sind. Wir liegen nicht falsch, wenn wir bei Apple eine Mitschuld vermuten: Der iMac darf als Vorreiter gelten. Und weil Apple mit seinem Marketing überaus erfolgreich war, so hatte die Schreibweise mit Grossbuchstaben in Produktnamen bald etwas Cooles und Modernes.

Doch nicht mehr: Die Binnenmajuskel wurden so überstrapaziert, dass sich der Effekt längst totgelaufen hat. Wir würden besser heute als morgen damit aufhören.

Also, eine schöne Erkenntnis und eine Moral für diesen Blogpost. Wäre da nicht noch ein Elefant (oder meinetwegen eine Giraffe) im Raum. Er präsentiert sich in Gestalt zweier Apple-Produkte. Ich schreibe andauernd über das iPhone und iPad, und ich tue es in der von Apple gewünschten Art und Weise² – und nicht nach meiner eigenen Keine-Binnenmajuskel-Regel. Das ist eine Inkonsequenz, die mich stört. Sie lässt sich historisch begründen, doch es bleibt ein offensichtlicher Fall, bei dem ich mich nicht an meine eigenen Massstäbe halte.

Gäbe es eine Alternative?

Doch wie liessen sich diese Geräte entbinnenmajuskeln? «Iphone», «Ipad» und «Imac» sind schwer lesbar. Wir müssten diese Wörter wohl mit Bindestrich schreiben («I-Phone, «I-Pad», «I-Mac», was typografisch leider aber auch keine schöne Sache ist. In gedruckten Texten könnten wir uns vielleicht mit einem Viertelgeviert aus der Affäre ziehen, das in der HTML-Sprache als   existiert («I Phone, «I Pad», «I Mac»), aber eine Augenweide ist das auch nicht – und wir hätten online das Problem, dass wir unsere Chancen bei den Suchmaschinen sabotieren, weil Google diese Schreibweise womöglich nicht den entsprechenden Suchbegriffen in Verbindung bringt.

Darum bleibt es dabei, so unbefriedigend das auch ist: Am besten schreiben wir diese Wörter so, wie Apple es sich gedacht hat. Denn es ist dem Konzern leider gelungen, die deutsche Sprache zu hacken.

Fussnoten

1) Das geht so weit, dass Word­­press die gewünschte Schreibweise automatisch durchsetzt, selbst wenn der Autor eines Beitrags kein grosses P tippt. Es gibt also irgendwo im WordPress eine Codezeile, die in den Text eingreift – was eine riesige Sauerei und auch ein Vetrauensbruch darstellt. Wir verhindern das, indem wir ein bedingtes Trennzeichen (­) einfügen, also (im Text- nicht im visuellen Editor) Word­press schreiben. Ich versuche das im Blog hier durchzusetzen, bin aber nicht konsequent – weswegen es diverse Stellen gibt, wo Word­press in der von mir explizit unerwünschten Schreibweise erscheint.

2) Mit einer Einschränkung: Mir ist bei Medienanlässen mit Apple-Mitarbeitern aufgefallen, dass die die Produktbezeichnungen zunehmend ohne Präposition verwenden: Sie sagen «iPhone does wonderful things for you …» statt «the iPhone …». Als Verschwörungstheoretiker würde ich behaupten, dass das eine Methode des neurolinguistischen Programmierens sei, weil es im Hirn verankert, dass es beim iPhone nicht ums einzelne Gerät, sondern um eine Gattung geht («mankind does wonderful things for you …»). Doch so halte ich es für eine exquisite Marotte, die zeigt, wie bewusst Apple mit sprachlichen Feinheiten umgeht.

Beitragsbild: Die Giraffe ist das Binnen-I der Tierwelt (Wolfgang Hasselmann, Unsplash-Lizenz).

2 Kommentare zu «Wie Apple die deutsche Sprache gehackt hat»

  1. Ich habe mich immer etwas geärgert, wenn die schreibende Zunft sorgsam ausgedachte Firmen- und Produktnamen anders geschrieben hat, als vorgesehen. Aber das Argument, dass Firmennamen in Grossbuchstaben das Schriftbild verhunzen, leuchtet ein. Andererseits können zu grosse Anpassungen die Lesbarkeit erschweren. Bei „VMware“ sehe ich gleich, dass es um Virtualisierung gehen muss, bei „Vmware“ hingegen bleibe ich an den vielen Konsonanten in Folge hängen.

    Für „iPhone“ habe ich keinen besseren Vorschlag. „IPhone“ sieht zu sehr nach VoIP aus und „Iphone“ gefällt mir auch nicht.

    Bezüglich Binnenmajuskeln in der IT gebührt die Ehre aber dem Schweizer Niklaus Wirth: Bei seiner Programmiersprache Pascal hat man Variablen in dieser Form (genannt „Camel Case“) geschrieben.

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