Wie dumm kann man sein? Elon Musk: «Ja!»

Elon Musk hat sich seit der Übernahme von Twitter entlarvend dumm verhalten. Das ist schade für Twitter – aber gut für die Alternativen, wie die soeben gestartete Schweizer Mastodon-Instanz.

Beitragsbild: Elon Musk Dreaming of a Brighter Future (Steve Jurvetson/Flickr.com, CC BY 2.0).

Seit einer Woche ist die Twitter-Übernahme durch und der neue Chef führt sich auf wie die sprichwörtliche Axt im Wald. Das war angesichts der Vorgeschichte nicht anders zu erwarten, aber dennoch finde ich es verblüffend, dass Musk grad gar keinen Zweifel daran lässt, dass er ein Chef ist, wie man sich in seinen düstersten Träumen nicht wünscht: Öffentlich zu verkünden, dass Leute gefeuert werden, die eine (sehr knappe) Deadline nicht einhalten, ist ein starkes Stück.

Bei «The Verge» werden die Umstände so geschildert:

Twitter plant derzeit, dass das neue Twitter Blue-Abonnement 20 US-Dollar kosten soll. Gemäss dem aktuellen Stand der Dinge hätten verifizierte Nutzer neunzig Tage Zeit, um das Abo abzuschliessen oder ihr blaues Häkchen zu verlieren. Den Mitarbeitern, die an dem Projekt arbeiten, wurde am Sonntag mitgeteilt, dass diese Neuerung bis zum 7. November stehen müsse, ansonsten sie entlassen würden.

Auch viele Twitter-Nutzer sind sauer

Und damit sind wir beim zweiten Punkt: Musk hat es geschafft, mit dieser Änderung auch viele Twitter-Nutzer gegen sich aufzubringen. Einer der prominentesten Kritiker der Idee ist Stephen King, der sich die zwanzig Dollar wahrlich leisten könnte: Er schrieb: «Scheiss drauf, die sollen mich bezahlen. Wenn das eingeführt wird, bin ich weg wie Enron.»

Die Antwort von Musk darauf war in etwa das Dümmste, was man Stephen King hätte entgegnen können: «Wir müssen die Rechnungen zahlen. Wie wärs mit acht Dollar?»

Nein, dumm ist das falsche Wort: Entlarvend. Diese Entgegnung zeigt, dass Musk etwas Grundsätzliches nicht verstanden hat: Er hält das blaue Häkchen für ein Statussymbol. Das ist es für manche vielleicht, aber im Kern geht es darum, dass das Häkchen Sicherheit bieten soll, weil es bestätigt, dass wir es mit der echten Person und nicht mit einem Hochstapler zu tun haben. Falls Musk Twitter tatsächlich «warm und einladend für alle» sein soll, dann muss er die Verifizierung nicht zu einem Bezahl-Feature machen, sondern kostenlos massiv ausweiten.

Elon braucht Geld

Natürlich geht es darum, dass sich Musk bei seiner Übernahme massiv verschuldet hat und jetzt neue Geldquellen erschliessen muss, damit er überhaupt mit einer schwarzen Null aus der Sache herauskommt. Es ist wiederum Stephen King, der das glasklar auf den Punkt bringt:

Musk lässt mich an Tom Sawyer denken, der zur Strafe einen Zaun streichen muss. Tom überredet seine Freunde, die Arbeit für ihn zu erledigen, und lässt sie für dieses Privileg bezahlen. Das ist es, was Musk mit Twitter machen will. Nein, nein, nein.

An dieser Stelle tut sich ein zweiter Schauplatz auf: Mastodon. Das ist diese Twitter-Alternative, die es seit Jahren gibt. Ich habe sie vor vier Jahren hier im Blog vorgestellt, sie dann selbst aber nicht mehr gross benutzt. Doch im Mai, als die Querelen um Musk und Twitter losgingen, war sie plötzlich wieder im Gespräch – und nicht nur das: Es kam auch tatsächlich Leben auf die Plattform.

Allerdings ebbte dieser Enthusiasmus wieder ab, während die Übernahme in der Schwebe hing. Doch jetzt scheint es, als ob Musk ihr einen weiteren – und vielleicht den entscheidenden – Schub verpasst. Denn die Wachstumsrate, die ich seit gestern gesehen habe, ist eindrücklich.

Endlich macht mastodonisieren Spass!

Zwei neue Mastodon-Instanzen für die Schweiz

Ein wesentlicher Faktor ist die neue Instanz swiss-talk.net, die es seit gestern gibt. Für die hat der umtriebige Reda el Arbi (Das grosse Twitterer-Assessment, Folge 1: @redder66) auf Twitter Wind gemacht, und ihr zu einem guten Start verholfen.

Ich bin gespannt, ob der Elan anhält. Entscheidend wird sein, ob Elon weiterhin als wirkmächtiger, wenn auch unabsichtlicher Förderer von Mastodon auftritt. Ich habe mir jedenfalls erlaubt, meine Einstiegshilfe zu Mastodon mit einem Hinweis auf swiss-talk.net zu ergänzen – und auch auf swiss.social.

Spannend wird auch sein zu sehen, wie nachhaltig Musk dieses ganze Theater schadet. Mir scheint, der Ruf des genialen Entrepreneurs ist damit jetzt endgültig dahin.

2 Kommentare zu «Wie dumm kann man sein? Elon Musk: «Ja!»»

  1. Es macht mich traurig, wie Musk sein Talent verschenkt. Er hat viel erreicht und könnte noch viel erreichen, aber in letzter Zeit handelt er immer irrationaler.

    Mastodon ist sehr spannend. Ich würde mir aber gut überlegen, auf welcher Instanz ich mein Profil erstelle. Schliesslich soll es eine Weile bestehen bleiben. Man ist dem Instanz-Admin unterworfen, wie bei Twitter und Facebook den Eigentümern. Da würde ich keine Instanz wählen, deren Gründer einen sagen wir mal zweifelhaften Umgang mit Leuten, die anderer Meinung sind, hat. Ich würde eher chaos.social oder swiss-chaos.social nehmen.

    Wobei, und das, finde ich, kommt bei vielen Medienberichten zu wenig raus: Das Fediverse ist grösser als Mastodon. Es gibt schlankere Software, insbesondere für Ein-User-Instanzen. Ich habe mich für Ktistec entschieden. Das läuft auf seinem sehr kleinen Server. Und trotzdem kann ich mich mit allen Mastodon-Instanzen verlinken. Das ist doch genial und entspricht dem ursprünglichen Zweck des Internets. (Es ist aber klar, dass sich nicht jeder Benutzer einen Server installieren will, deshalb haben die Mastodon-Instanzen natürlich ihre Berechtigung.)

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