Ein digitaler Text-Assistent, der mich um meinen Job bringen will

Neuro-flash.com verfasst mit­hilfe von künst­licher Intel­li­genz Zusam­men­fas­sungen, Produkt­be­schrei­bungen, knackige Über­schrif­ten und Blog­posts. Doch der Text­ro­boter schei­tert oft, weil es ihm an Welt- und Detail­wis­sen mangelt.

Neulich bin ich der Frage nachgegangen, was die Möglichkeiten und Grenzen von künstlichen Intelligenzen sind, die sich an Illustrationen und fotorealistischen Darstellungen versuchen.

Doch für einen Wortmenschen wie mich wäre es naheliegender, eine Maschine auszuprobieren, die Text erzeugt: Denn schliesslich gilt es die Frage zu klären, ob die mir behilflich sein könnte – oder ob sie meinen Job gleich ganz übernimmt und mich überflüssig macht.

Ich habe vor zwei Jahren einen Versuch gewagt, der voll in die Hose ging. Doch seitdem hat sich einiges getan. Insbesondere GPT-3 hat einen Autor der «New York Times» schwer beeindruckt. Darum ist es Zeit für einen neuen Anlauf – aber möglichst einen, den ich auf Deutsch abhalten kann:

Eine simple Google-Suche hat mich zu neuro-flash.com geführt. Das ist eine Online-Lösung, die auf GPT-3 basiert, Deutsch beherrscht und kostenlos benutzt werden darf: Die Gratisvariante liefert 2000 Wörter pro Monat. Weiterhin gibt es Preispläne ab 29 Euro (20’000 pro Monat) bis 199 Euro (unlimitiert).

1) Werbetext für dieses Blog

Da ich einen realistischen Einsatzzweck solcher Systeme im Bereich der anspruchslosen Gebrauchstexte verordne, wähle ich als erstes eine Produktbeschreibung: Das System soll einen Marketing-Text für mein Blog liefern, das die Wörter hilfreich, wissenswert, nützlich, persönlich, fundiert, kritisch und aufklärerisch enthält.

Das tut er denn auch sogleich und unterbreitet mir folgenden Vorschlag:

Clickomania-Blog ist Ihr hilfreicher, wissenswerter und nützlicher Begleiter durchs Internet. Wir sind persönlich für Sie da und bieten Ihnen fundierte und kritische Informationen rund um das World Wide Web. Auf unserem Blog aufklärerisch und informativ. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Die Vorgabe für die Produktbeschreibung besteht aus sieben Adjektiven.

Das Verdikt ist durchzogen: Der Text ist nicht völlig verkehrt, aber es fällt natürlich auf, dass «Auf unserem Blog aufklärerisch und informativ» kein richtiger Satz ist.

Ausserdem habe ich nicht vor, persönlich für euch da zu sein – schliesslich ist mein Blog keine Dienstleistung, die dem Kunden direkt verabreicht wird. Stattdessen müsste es so etwas heissen wie «das Blog besticht durch die persönliche Schreibweise des Autors», oder ein Gesalbader ähnlichen Zuschnitts.

Und klar: Anhand von sieben Adjektiven lässt sich kein fundierter Text schreiben. Darum kann hier nur eine maximal nichtssagende Phrasendrescherei entstehen.

Letzte Kritik: Bei Tonalität habe ich «witzig» gewählt. Davon spüre ich in diesem Text nichts.

2) Einen Text zusammenfassen

Allerdings hat Neuroflash in seinem KI Texter nicht nur die Produktbeschreibung, sondern eine Vielzahl an Textsorten zu bieten¹.

Es gibt die Möglichkeit, sich einen Blogpost schreiben zu lassen. Dabei hangeln wir uns von der Idee über die Gliederung zu den einzelnen Absätzen bis hin zum Schlusssatz durch die Arbeit. Ich bin versucht, das auszuprobieren. Allerdings glaube ich keine Sekunde daran, dass auf diese Weise etwas entsteht, was ich meinem Publikum würde zumuten wollen. Denn meine Blogposts leben von Präzision und der Nachvollziehbarkeit – und wie sollte eine Software das leisten, die nicht auf meine vollständigen Erfahrungen zu einem Thema zugreifen kann?

Darum wähle ich aus der Rubrik Texthilfen die Option Zusammenfassen. Für diese Aufgabe ist nicht Kreativität, sondern solides Handwerk gefragt. Und es gibt reale Einsatzmöglichkeiten: Eine solche Software könnte das Lead (Excerpt) für meine Blogposts verfassen oder von den zu langen Beiträgen ein leichter verdauliches Executive Summary erstellen (siehe dazu auch hier).

Als Testobjekt soll der Beitrag Im Explorer von Windows 11 gibt es jetzt Reiter herhalten, weil der einen einfachen Sachverhalt beschreibt und keine übertriebenen Exkurse enthält.

Im Feld Langer Text soll ich mein Original einfügen. Und schon an dieser Stelle ist Neuroflash überfordert: Das Feld ist auf 1500 Zeichen beschränkt, während mein Beitrag 4750 Zeichen lang ist. Aber egal – probieren wir es trotzdem².

Das Resultat sind folgende drei Vorschläge:

  1. Das Windows-Update KB5019509 fügt eine neue Funktion dem Windows-Explorer hinzu, die es ermöglicht, Ordner in neuen Reitern zu öffnen und zwischen ihnen hin und her zu wechseln.
  2. Mit dem neuen Update kann man Reiter im Windows-Explorer anlegen und so besser zwischen Ordnern und Laufwerken wechseln.
  3. Das Windows-Update KB5019509 hat die Reiter im Windows-Explorer nachgereicht, die man mit einem Rechtsklick auf einen Ordner in einem neuen Fenster oder Reiter öffnen kann.

Brauchbar ist nur die zweite Variante: Die Bezeichnung des Updates hat in einer Zusammenfassung nichts verloren. Die Formulierung des «neuen Updates» ist allerdings ein Pleonasmus und die Formulierung, man könne «besser zwischen Ordnern und Laufwerken» wechseln, ist zumindest missverständlich: Es geht nicht darum, ob eine Explorer-Ansicht einen Ordner oder ein Laufwerk zeigt, sondern darum, dass in einem Fenster mehrere Ansichten von Ordnern und Laufwerken offen sein könnten.

Wir sehen: Der Teufel steckt im Detail. Was die Software hier fabriziert, ist nicht komplett nutzlos, aber für jemanden, der Wert auf Präzision legt, nicht annähernd gut genug.

Ausserdem ist die Zusammenfassen-Funktion den vielfältigen Anforderungen des Alltags nicht gewachsen: Es müssen unbedingt auch Texte, die länger als 1500 Zeichen sind, zusammengefasst werden können. Und natürlich sollte es möglich sein, die Länge der Zusammenfassung vorzugeben – das war hier aber nicht der Fall.

3) Eine Überschrift für diesen Blogpost

Letzte Aufgabe: Eine knackige Überschrift für diesen Blogpost hier. Also: Option Klickstarke Überschrift aus der Kategorie Social Media. Als Vorgabe muss ich einen Text mit maximal 250 Zeichen liefern.

Das ist meine Vorgabe (249 Zeichen): «Ich habe neuro-flash.com getestet, einen digitalen Text-Assistenten, der Zusammenfassungen, Produktbeschreibungen, knackige Überschriften und sogar Blogposts schreibt – oder das zumindest versucht, aber es offensichtlich an Weltwissen mangeln lässt.»

Und das sind die vier Vorschläge, die ich daraufhin bekomme:

  1. Vorsicht, Neuro-Flash! Dieser digitalen Text-Assistent lässt dich bestimmt im Stich!
  2. Warum ich neuro-flash.com hasse – ein digitaler Text-Assistent, der mich um meinen Job bringen will!
  3. Dieser digitale Text-Assistent ist so schlecht, dass er einfach nur lustig ist …
  4. Ich habe neuro-flash.com getestet und bin enttäuscht: Was dieser Assistent alles nicht kann!
Wie klickstark diese Überschriften sind, wird sich weisen …

Nun, es ist offensichtlich, dass Neuro-flash.com das Prinzip des Clickbaitings verstanden hat. Interessant ist, dass er hier fast so etwas wie eine Selbstwahrnehmung offenbar, indem er die Angst vor Jobverlust anspricht, die er und seinesgleichen auslösen. Dieser Aspekt stammen eindeutig nicht aus meiner Vorgabe, muss aus dem Material herrühren, das diese KI für ihr Training benutzt hat.

Damit ist das endgültige Verdikt klar: Neuroflash und andere GPT-3-Abkömmlinge können einem echten, erfahrenen menschlichen Texter nicht das Wasser reichen.

Wollen wir echte Texte oder Textsimulationen?

Schon bei den ersten Tests sind sie nicht in der Lage zu verheimlichen, dass ihnen das Welt- und Detailwissen fehlt, das für viele Aufgaben zwingend nötig ist. Es zeichnet einen guten Text aus, dass der Autor viel mehr weiss, als er in seine Zeilen packt – während die KI versucht, aus Informationsbruchstücken eine ansatzweise stimmige Sprachsimulation herzustellen.

Und nein, ich mache mir keine Illusionen: Trotz der Mängel werden diese Werkzeuge hier eingesetzt, weil sie ein beträchtliches Rationalisierungspotenzial haben. Eine Rolle spielt natürlich auch, dass es im wirtschaftlichen Kontext oft schnurzpiepegal ist, ob ein Text schwammig, nichtssagend oder nur halb richtig ist – wenn er bloss gut klingt und den Zweck erfüllt.

Aber was mich angeht, bleibt es dabei, dass ich lieber selber blogge. Darum bleibt es eine Ausnahme, dass ich Neuroflashs zweiten Vorschlag in redigierter Form tatsächlich als Titel über diesen Beitrag gesetzt habe.

Fussnoten

1) Hier eine Übersicht der Betätigungsfelder für GPT-3, bzw. Neuroflash:

  • In der Kategorie Blog finden sich die Optionen Blog-Ideen, Gliederung, Teaser, Einleitungstext, Blogabsatz, Blog-Schlussatz und Listicle-Ideen.
  • Unter Umschreiben werden vorhandene Texte von du auf Sie oder von Sie auf du abgeändert. Dialekte können eliminiert werden und es ist möglich, die Tonalität abzuändern oder einen Text fürs Verständnis von Zweitklässlern zu vereinfachen.
  • Die Rubrik Inspirationen enthält Dinge wie Storytelling, Fragen-Generator, Leserbrief, Quizfragen und -Antworten, Produktnamen, Assoziationen, Emotionen, Metaphern und Analogien, Slogans, Wachstumsideen, Vortragstitel und Titel bzw. Ideen für Webinare.
  • Bei Social Media finden wir die Instagram-Caption, Kontaktanfragen und Beträge für Linkedin, Tweets, Beschreibungen für Youtube-Kanäle, Videos oder für ein Video-Manuskript. Es gibt Social-Post-Aufhänger, Social-Media-Kommentare, Klickstarke Überschriften und Geschichten aus der Ich-Perspektive.
  • Unter E-Commerce und Marktplätze ist die besagte Produktbeschreibung zu finden, die es auch in einer Variante für Amazon gibt. Auch Antworten für den Kundenservice lassen sich generieren oder Produktvorteile ausformulieren.
  • Bei Texthilfen finden sich die Optionen Ausformulieren, Zusammenfassen, Text aus Stichpunkten und Tonalität wechseln.
  • Diverses enthält die Punkte Aida-Modell, Antwort auf eine Frage, Argumente für eine These, News-Überschriften, PAS-Formel, Problemstellung, E-Book-Inhaltsverzeichnis, Überzeugendes Angebot, Pressemeldung, Immobilien-Exposé, Jobinterview-Fragen, Persönlicher Lebenslauf.
  • Bei Werbung und Anzeigen sind das die Optionen: Facebook-Ad-Überschrift, Facebook-Ad-Link-Beschreibung, Facebook-Ad-Primärer-Text, Google-Anzeigetitel, Google-Textzeilen, SEO-Titel, SEO-Meta-Beschreibung, Werbebanner-Text und Stellenausschreibung.
  • Und als ob das nicht schon zu viel des Guten wäre, gibt es auch die Kategorie E-Mail und Push, die aus E-Mail-Betreffzeile, E-Mail aus Stichpunkten, E-Mail-Vorschautext, Willkommens-E-Mail, Kalt-Akquise-E-Mail, Event-Promotions-E-Mail, Push-Nachrichten und Newsletter-Einleitung besteht.
  • Keine Angst, das war nicht die letzte Kategorie. Die letzte Kategorie heisst Website und Landingpages und umfasst folgende Möglichkeiten: Über-uns-Seite, Unternehmensvision, Werbeversprechen, Website-Überschrift (H1), Website-Überschrift (H2), Website-Hero-Text und Call-To-Action-Button (CTA).

2) Der letzte Satz, der noch ins Feld passt, ist dieser: «Wie beim Browser können wir auch mit der mittleren Maustaste auf einen Reiter klicken oder die Tastenkombination Ctrl w verwenden.»

Beitragsbild: Mit welchem soll der Textroboter meine Entlassungsurkunde signieren? (Dee @ Copper and Wild, Unsplash-Lizenz).

2 Kommentare zu «Ein digitaler Text-Assistent, der mich um meinen Job bringen will»

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