Eine unvollkommene App für Perfektionisten wie mich

Verschwendung von Lebens­mit­teln ist mir zuwi­der. Darum ver­walte ich den Not­vor­rat und die ver­derb­lichen Güter mit der Nowaste-App. Die macht zwar Arbeit – aber sie beruhigt das Gewiss­en so schön.

Neulich habe ich Apps vorgestellt, die beim Einkaufen und beim Kühlschrank-Management helfen. Eine der vorgestellten Apps ist No Waste, die es fürs iPhone und für Android gibt.

Sie ist dazu da, uns einen Überblick über die Lebensmittel in Kühlschrank, Gefriertruhe und Vorratskammer zu verschaffen – und wo wir sonst noch verderbliche Güter lagern. Ihr Ziel besteht darin, die Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen. Dieses Problem, das oft unter der englischen Kurzformel Food Waste subsummiert wird, ist eine Folgen unserer Lebensweise.

Manche haken es unter dem Schlagwort Überflussgesellschaft ab. Als pauschale Begründung greift mir das zu kurz: Es gibt zwar mit Bestimmtheit Leute, denen das Verständnis dafür abgeht, dass alles, was wir verwenden oder nicht verwenden, irgendwie her- und bereitgestellt werden muss.

Kollateralschäden des Alltags

Doch die meisten Menschen sind sich der Bedeutung unser Ressourcen und deren Endlichkeit bewusst. Es ist aber so, dass wir unser Leben kompliziert, arbeitsteilig und effizient ausrichten, sodass an gewissen Stellen Reibungsverluste unvermeidlich sind. Dazu zähle ich den Konsum, bei dem wir in unserem hektischen Alltag bereit sind, einen beträchtlichen Kollateralschaden hinzunehmen. Zumal bewusstes Einkaufen aufwändig, anstrengend und oft frustrierend ist – ein bisschen in Überschwang zu schwelgen, bei manchen aber die Seele beruhigt.

Ich gehöre nicht zu denen. Ich habe keine Ahnung, ob es an meiner Erziehung liegt, bei der die Regel «Was auf den Teller kommt, wird gegessen» noch sakrosankt war.

Schuld könnte auch mein Geiz sein. Ich bin nicht aus Prinzip sparsam, aber es widerstrebt mir, gekaufte Dinge nicht voll auszureizen. Ich quetsche Tuben bis zum letzten Quäntchen aus. Ich trage Kleider, bis deren Löcher so gross sind, dass sie nicht mehr mit gängigen Moralvorstellungen korrespondieren. Und es ist mir zutiefst zuwider, Lebensmittel auf Vorrat zu kaufen – zum Beispiel, weil man bei einem Fest oder einer Einladung nicht genau weiss, wie viele Leute kommen.

Sorry, Fisch ist aus

Ich gehöre auch nicht zu denen, die für soziale Anlässe die dreifache Menge einkaufen, bloss um nicht in die Verlegenheit zu kommen, dass von irgendetwas «zu wenig» da sein könnte. Sorry, Leute, wenn ihr das seltene Vergnügen haben solltet, bei mir eingeladen zu werden, dann liegt es im Bereich des Möglichen, dass am Schluss sämtliche Schüsseln leergefressen sind. Wenn euch das nicht passt, gebe ich euch gern einen Fünfliber für ein Sandwich vom Bahnhofskiosk mit.

Wie schlimm Lebensmittelverschwendung aus ökologischer Sicht und fürs Klima ist, kann jeder beim WWF nachlesen. Mir geht es um den Beweis, dass eine Lebensführung auch ohne solche Kollateralschäden möglich ist – und zwar auch dank technischer Mittel.

Die eingangs erwähnte App No Waste gehört in diese Kategorie. Sie will vermeiden, dass wir Zeugs wegwerfen, weil wir die Übersicht verloren haben, was wie lange haltbar ist.

Diese Gefahr wird umso grösser, je mehr Dinge man auf Vorrat kauft. Ich gehöre ursprünglich zu denen, die sehr kurzfristig einkaufen und daher meist nur das zu Hause haben, was unmittelbar benötigt wird. Doch mit Familie war das nicht mehr praktikabel. Und als neulich in meiner Familie der Wunsch geäussert wurde, man könnte sich doch einen gewissen Notvorrat anschaffen – angesichts der politischen Lage ist das womöglich nicht mehr ganz so absurd, wie es einmal geklungen hat –, da kam auch ich nicht darum herum, mit meiner alten Gewohnheit zu brechen.

In der App statt im Keller nachsehen

Die Liste der Vorräte, nach ihrem Ablaufdatum sortiert.

Die No Waste-App ist nun vor allem für die Verwaltung dieses Notvorrats und für die schnell verderblichen Güter zuständig. Man erfasst mit ihrer Hilfe die Güter. Man trägt das Mindesthaltbarkeitsdatum ein und kann auch angeben, wo sie lagern – was beim Notvorrat im Keller nicht verkehrt ist. In der Liste sortiert man die Güter nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum und sieht, was aufgebraucht werden müsste, ohne dass man sich erst durch die Bestände wühlen müsste.

Das ist sinnvoll, hat aber einen Pferdefuss: Man muss fürs Erfassen der Daten Aufwand betreiben. Den versucht die App zu minimieren, indem sie es einem oft ersparen kann, den Produktnamen einzutippen. Man kann nämlich den Strichcode per Smartphone-Kamera ablesen, woraufhin das Produkt in vielen Fällen in einer Datenbank gefunden und benannt wird. Das hat bei der Erfassung des besagten Notvorrats bis auf wenige Produkte geklappt.

Zum Erfassen der Produkte scannt man den Strichcode.

Trotzdem kommt man nicht umhin, das Verfallsdatum manuell nachzutragen. Bei manchen Produkten macht die App zwar einen Vorschlag. Doch der ist oft so ungenau, dass er nichts bringt – und selbst wenn der Vorschlag akzeptabel ist, muss man ihn überprüfen, und dafür das Mindesthaltbarkeitsdatum nachsehen.

Womit wir beim ersten Problem wären: Warum, in Dreiteufels Namen, ist es nicht möglich, dieses Datum immer ungefähr an der gleichen Stelle anzubringen? Mal steht es hinten, mal unten, mal auf dem Deckel, mal irgendwo in einer Ritze und manchmal auf der Folie, die man bereits abgerissen und weggeworfen hat. Das macht den Prozess der Erfassung nicht nur zeitaufwändig, sondern auch reichlich frustrierend.

Es gibt viel Verbesserungspotenzial

Noch schlauer als das Mindesthaltbarkeitsdatum gut sichtbar aufzudrucken, wäre natürlich, es in den Produkt-Code hineinzuschreiben, sodass es zusammen mit der Produktbezeichnung ausgelesen werden könnte.

Das wäre technisch keine Hexerei. Es bräuchte nur einen neuen Standard: Meinetwegen eine Erweiterung des Strichcodes, oder aber einen zusätzlichen QR-Code, der Produktname, -Nummer und Mindesthaltbarkeitsdatum enthält. Und – wenn wir schon dabei sind – warum nicht auch eine Inhaltsdeklaration und allfällige Allergiewarnungen? Ein solcher QR-Code könnte, wenn man wollte, ad-hoc eingeführt werden. Bis der klassische Strichcode überflüssig werden würde, bräuchte es länger – aber bis dahin hätte es halt zwei Codes auf der Verpackung.

Oder warum nicht noch einen Schritt weitergehen? Wenn wir im Laden oder online Produkte einkaufen, dann könnte uns die Kasse eine elektronische Quittung übermitteln, in der nicht nur Kaufsumme, Datum und Laden enthalten wäre, sondern in maschinenlesbarer Form auch die einzelnen Produkte mitsamt allen Informationen, die nach menschlichem Ermessen irgendjemanden interessieren könnten. Auf diese Weise müssten Leute wie ich bloss den digitalen Einkaufsbeleg an eine Lagerhaltungs-App wie No Waste weiterleiten. Dort würde man angeben, in welchen Lagerraum man die gekauften Produkte verstaut hat und voilà, schon wüsste man Bescheid.

Offene Daten machen das Leben leichter

Zu den Pro-Funk­tionen gehören die Benach­rich­tigungen, die einen recht­zeitig infor­mieren, wenn Pro­dukte auf­ge­braucht werden müssen.

Wenn man sich dann die Mühe macht anzugeben, wann man welches Produkt aufgebraucht hat, würde man im Laden sehen, wo Bedarf nach Nachschub besteht. Und wenn die Lagerhaltungs-App ein bisschen künstliche Intelligenz mitbringt, würde sie einen sogar darauf hinweisen, welchen Bedarf man für welche Produkte hat. Mit einer Schnittstelle zur Rezept-App würde das Führen einer Einkaufsliste ebenfalls obsolet werden. Das wäre zwar schade für die Bring-App, alles in allem aber eine Erleichterung.

Zurück zur Nowaste-App: Unter den gegebenen Umständen erfüllt sie ihren Zweck so effizient, wie das möglich ist. Die App ist kostenlos, aber es gibt eine Pro-Funktion, die als Einmalkauf 28 Franken oder sechs Franken als Jahresabo kostet. Ich habe die Pro-Funktion für den Einmal-Betrag aktiviert. Erstens, um ein Zeichen gegen die grassierenden Software-Abos zu setzen und zweitens, weil ich dann die App hoffentlich auch konsequent nutze, wenn ich schon einen ordentlichen Batzen dafür bezahlt habe…

Beitragsbild: Ja, genauso schön aufgeräumt und frisch bestückt ist auch mein Kühlschrank (Polina Tankilevitch, Pexels-Lizenz).

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