Wenn Instagram und WhatsApp ein Baby hätten

Die HalloApp ist eine Mischung aus Instant Messenger und sozialem Netzwerk. Sie ist für Kommunikation auf Augenhöhe im Familien- und Freundeskreis ausgelegt. Vorerst ist sie gratis, später soll sie kosten – aber kann das funktionieren?

Ohne dass ich es geplant hätte, hat sich in diesem Blog eine Mini-Serie zu neueren und älteren sozialen Netzwerken ergeben, mit Tests von Bereal und Jodel. Dabei soll es nicht bleiben, denn heute geht es um die HalloApp.

Die HalloApp ist für Android und fürs iPhone und iPad erhältlich, und sie verspricht «einen neuen digitalen Raum für Menschen, die Sie tatsächlich kennen und mit denen Sie in Kontakt treten möchten». Die Verbindung wird – und das ist nun nicht unbedingt neu, sondern von Apps wie WhatsApp hinlänglich bekannt – über die Telefonnummer hergestellt. Denn «wir denken, wenn Sie Ihre Telefonnummer mit jemandem teilen, ist er Ihnen wichtig», erklärt der Hersteller auf seiner Website.

Im weitesten Sinn stimmt das schon, auch wenn ich in meinem Adressbuch auch die Nummer der Stadtpolizei Winterthur habe, die mir nicht im traditionellen Sinn wichtig ist. Ich bin natürlich froh, dass es sie gibt, verspüre aber selten den Drang, mich mit ihr auf einen informellen Plausch einzulassen.

Aber gut, ich betreibe Haarspalterei. Die Stossrichtung ist dadurch schon einmal klar: Anders als bei anderen Plattformen soll man nicht riesige Gefolgschaften ansammeln, sondern sich auf die wesentlichen Leute konzentrieren.

Die Idee ist nicht neu

Auch diese Idee ist nicht neu. Manche erinnern sich vielleicht noch an das soziale Netzwerk Path (2010–2018), das die Zahl der Kontakte auf 150 begrenzt hat. Und Couple (vormals Pair; 2012–2019) war eine App für genau zwei Personen; vornehmlich solche, die was zusammen hatten. Darum kann man an dieser Stelle festhalten, dass bei den sozialen Netzen schon alles einmal da war – und die allermeisten Ideen zuvor mindestens einmal gescheitert sind.

Es gibt Einzel- und Gruppen-Chats.

Was aber nicht heisst, dass es hier nicht anders sein könnte, zumal die App von zwei Leuten stammt, die etwas vom Geschäft verstehen. Gemäss «The Verge» stammt die App von zwei Whatsapp-Mitarbeitern der ersten Stunde.

Die App hat denn auch deutlich erkennbare Anleihen an eine Messenger-App. Es gibt den Bereich Chat, in dem Direktnachrichten ausgetauscht werden und die Rubrik Gruppen. In dieser richtet die App beim automatisch eine Gruppe ein, in die man Leute einladen kann. Wer sich – warum auch immer – in meiner Gruppe tummeln möchte, darf das über diesen Link tun. Natürlich darf man auch eigene Gruppen einrichten und seinen Familien-Chat von Whatsapp hierher verlegen, wenn man denn möchte.

Chats und Zeitleiste

Die Zeitleiste – wenn die Bildchen quadratisch wären und man Filter nutzen könnte, wäre es fast wie bei Instagram vor zehn Jahren.

Nebst den klassischen Messenger-Möglichkeiten gibt es auch eine Zeitleiste, wie sie bei den sozialen Medium gang und gäbe ist: Unter Home erscheinen die Posts der Freunde in chronologischer Abfolge und hier veröffentlicht man Beiträge von allgemeinem Interesse – so, wie man das kennt und schätzt.

Das ist nicht verkehrt, aber ob die App im Alltag überzeugt, müsste man im Alltag ausprobieren. Bisher habe ich nur mit Kollege Mathias Möller einige Nachrichten ausgetauscht. Er hat die App für die Tamedia beschrieben, zusammen mit Talkwell (iPhone) und Somewhere Good.

In einem ersten Augenschein macht die App einen soliden Eindruck und meines Erachtens hat die App Potenzial. Doch es ist nicht wegzudiskutieren, dass die Hürden für den Erfolg hoch liegen: Erstens muss die App es schaffen, Nutzer von der Konkurrenz abzuwerben – das allein ist eine Herkulesaufgabe.

Die HalloApp soll ein Abomodell bekommen

Zweitens braucht sie ein Geschäftsmodell, das nicht auf der Versilberung persönlicher Daten beruht. Denn das ist für mich der entscheidende Punkt, der mich dazu bringen könnte, mich für ein neues soziales Netzwerk zu engagieren: Wenn ich das Gefühl hätte, dass hier Kommunikation von uns Nutzern im Zentrum steht und wir nicht bloss Mittel zum Zweck sind, damit der Betreiber mit unseren Daten Geld scheffeln kann.

Und deswegen führt meines Erachtens kein Weg daran vorbei, dass jedes soziale Netzwerk, das heute eine echte Alternative zu Facebook, Instagram und Twitter sein will, nicht nur funktional mithalten kann, sondern sich beim Datenschutz fundamental unterscheiden sollte. Deswegen kommt es nicht darum herum, Geld von den Nutzern einzutreiben.

In beiden Fällen scheinen die beiden Entwickler Neeraj Arora und Michael Donohue zum gleichen Schluss gekommen zu sein. In der, trotzdem recht langen, Datenschutz-Regelung wird klipp und klar versprochen:

Wir verkaufen deine persönlichen Daten nicht.

Zu der Monetarisierung ist im bereits erwähnten Artikel von «The Verge» Folgendes zu lesen:

HalloApp will den Nutzern in der Zukunft Funktionen über ein Abonnement in Rechnung zu stellen, ähnlich wie WhatsApp ursprünglich hätte monetarisiert werden sollen, bevor die App von Facebook gekauft wurde. Im Moment läuft das Zwölf-Personen-Unternehmen mit einem ungenannten Betrag an Risikokapital.

Die Quadratur des Kreises

Das ist alles schlüssig. Trotzdem frage ich mich, ob es sinnvoll ist, eine App erst kostenlos anzubieten und erst hinterher den Preisplan auszurollen. Natürlich, ich verstehe, wie schwierig es ist, Nutzer für eine neue App für ein Abo zu begeistern. Aber erst dann damit zu kommen, wenn das Risikokapital verbrannt ist, scheint mir auch nicht Vertrauens-fördernd. Es bleibt dabei: Wer heute eine App wie die HalloApp startet, muss nichts weniger als die Quadratur des Kreises leisten.

Beitragsbild: Symbolbild – denn wenn Instagram und WhatsApp tatsächlich ein Baby hätten, würde das etwas mehr nach Mark Zuckerberg aussehen (Pixabay, Pexels-Lizenz).

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