Wie man Foto-Weltmeister wird

Die Idee von Gurushots klingt bestechend: In einer globalen Community bewertet man Fotos, nimmt mit seinen Bildern an einem globalen Wettbewerb teil und hat die Chance auf schöne Preise. Nur schade, dass diese Ausmarchungen mit Fairness nichts zu tun haben.

Fotos schiessen ist das eine – aber was tut man dann mit der Ausbeute? Klar, man kann sie ansehen, ausdrucken oder in Fotobücher packen; meine Tipps dazu finden sich hier.

Es gibt eine weitere Möglichkeit, zumindest für die ernsthaften Fotografen: Denn wenn einen der Ehrgeiz packt, dann will man mit seinen Bildern eine grössere Öffentlichkeit beglücken. Man lädt seine Bilder bei einer Fotoplattform hoch, gestaltet eine Portfolio-Website. Oder noch besser: Man macht eine Ausstellung oder gewinnt einen Fotowettbewerb.

Im digitalen Raum bietet GuruShots Fotografen mit Ambitionen und einer kompetitiven Ader eine Möglichkeit, sich auszutoben. Die Website bzw. App für Android und fürs iPhone/iPad ist nach eigenen Angeaben «the world’s greatest photography game»; also eine Art Foto-Weltmeisterschaft.

Über Bilder abstimmen und selbst an Wettbewerben teilnehmen

Hier in dieser Übersicht sieht man die Wettbewerbe, an denen man seine Stimme abgeben und teilnehmen kann.

Auf der Plattform finden Wettkämpfe um das beste Bild statt. Wie im richtigen Leben gibt es für die Wettbewerbe eine Aufgabe bzw. ein Thema, wobei die Palette weit ist: Es gibt sie zu Disziplinen wie Makro, Essensfotografie, erzählerischer Fotografie oder Schwarzweissgestaltung, zu Bildeigenschaften wie dramatischem Licht oder einfallsreicher Bildkomposition oder zu bestimmten Motiven – Brücken, verrottendem Holz, Lastwagen oder Kinder.

Zu gewinnen gibt es jeweils nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch handfeste Gelspreise. Eine übliche Summe für einen Sieg scheint 240 US-Dollar zu sein. Die gibt es im Wettbwerb «A Close up», «Zen Attitude» und «Black and Yellow». Bei «Yummy Cake» gibt es 200 Dollar, bei «Let’s see Macro» hingegen sogar 900 US-Dollar. Bei diesem Wettbewerb gibt es allerdings gewisse Bedingungen. Zweit- und Drittplatzierte scheinen leer auszugehen.

Bilder aus dem Wettbewerb zum Thema Kontrast.

Wenn man einen interessanten Wettbewerb aufgespürt hat, kann man an der Abstimmung teilnehmen, selbst ein Bild einreichen – oder man kann beides tun. Es ist auch möglich, eigene Wettbewerbe zu veranstalten, aber dafür liegen die Hürden höher. Das ist sinnvoll, damit man seine Zeit nicht mit unausgegorenen Ausscheidungen verschwendet.

Um abzustimmen, tippt man bei einem Contest auf Details, scrollt nach unten und betätigt Vote. Nun erscheinen Bilder, die man durchblättern, in Gross ansehen und mit einem Herzchen versehen kann. Es gibt auch die Möglichkeit, Fotos zu melden, wenn sie nicht zum Thema passen, jemandes Urheberrecht verletzen, Spam oder anzüglich sind (falls einem letzteres stören sollte).

Um an einem Wettbewerb teilzunehmen, tippt man auf Join, sucht sich ein passendes Bild aus und lädt das hoch und ist dabei. Vernünftig ist es, wenn man an Wettbewerben teilnimmt, bei denen die Abstimmung nicht bereits im Gang ist, weil das die Chancen schmälern würde.

Es hilft, die Wettbewerbe auf der Hauptseite der App entsprechend zu sortieren, indem zuvorderst die neuesten angezeigt werden. Mit der Option Show only upcoming challenges sieht man nur diejenigen, bei denen die Abstimmung noch nicht begonnen hat. Möchte man abstimmen, ist es hingegen sinnvoll, nach der Option Ending soon zu sortieren: So sieht man jene Wettbewerbe, die demnächst entschieden sind.

Die Gretchenfrage: Wie hält es Gurushots mit der Fairness?

Um bereits ein Fazit vorwegzunehmen: Ich finde die Idee hinter Gurushots originell und naheliegend. Solche Wettbewerbe können helfen, die Kreativität zu befeuern. Es kann ermutigend sein zu sehen, wie andere Leute mit solchen Aufgaben umgehen – und dass die Fotografen dieser Welt zwar gut sind, aber auch nur mit Wasser kochen. Denn es nehmen nicht nur ausgebuffte Profis teil, sondern auch Amateure.

Allerdings gibt es Aspekte, die das Fazit trüben. Erstens stellt sich mir die Frage nach der Fairness. Denn auch wenn die Zahl der Einreichungen (anscheinend) nicht sichtbar ist, so muss es bei den grossen Wettbewerben Hunderte, wenn nicht Tausende oder Zehntausende beteiligte Fotos geben. Angezeigt wird die Zahl der Stimmen, die sich bei manchen Wettbewerben im Millionenbereich bewegt. Daraus schliesse ich, dass die allermeisten abstimmenden Leute nur einen Bruchteil aller eingereichten Bilder sehen und beurteilen.

Unter diesen Umständen kann es eigentlich keinen fairen Wettbewerb geben, weil jeder nur über einen Teil der teilnehmenden Fotos abstimmt. Daher ist entscheidend, wie die App die Reihenfolge festlegt, in der sie einem die Fotos zur Abstimmung vorlegt. Ich habe versucht herauszufinden, wie das geschieht, bin aber nicht fündig geworden. Falls jemand mehr weiss, bin ich froh über einen Hinweis via Kommentar.

Nur ein Rundensystem kann für gleiche Bedingungen sorgen

Damit das einigermassen gerecht passiert, müsste es Vorausscheidung bzw. eine Art Rundensystem geben.

Ich stelle mir das so vor: Die erste Runde müsste so lang laufen, bis jedes Bild nach dem Zufallsprinzip einer bestimmten Anzahl von Leuten unterbreitet worden ist. Sagen wir, dass jedes teilnehmende Bild mindestens zwanzigmal beurteilt werden müsste. Wenn das passiert ist, könnten die erfolgreichsten Bilder in eine nächste Runde übertreten. In der Endausscheidung wäre eine überschaubare Zahl an Fotos beteiligt, meinetwegen zweihundert Stück. Um aus dieser engeren Auswahl den Sieger zu küren, dürfte eine Stimmabgabe nur dann zählen, wenn man sie sich zur Gänze angeschaut hat.

Das scheint aber nicht so zu funktionieren. Nicht nur das – es gibt einige Mechanismen, die mich sehr an der Aussagekraft dieser Wettbewerbe zweifeln lassen.

Sichtbarkeit ist käuflich

Erstens gibt es bei der Teilnahme an einem Wettbewerb die Möglichkeit, einen Exposure Bonus zu erhalten. Dieser «Schub bei der Sichtbarkeit» wird folgendermassen beschrieben:

Diese Funktion verhilft Ihren Fotos zu mehr Aufmerksamkeit und Stimmen in den Challenges. Wenn Sie in einem Wettbewerb abstimmen, erhöht sich die Sichtbarkeit Ihres Fotos. Die Anzeige in Ihrem Dashboard sinkt nach einer bestimmten Zeit, sodass Sie zurückkommen und sie wieder auffüllen müssen.

Zweitens zählen nicht alle Stimmen gleichviel. Mitglieder haben unterschiedliche Stimmkraft. In der Hilfe wird diese Voting Power wie folgt erklärt:

Je höher Ihr Status in der Gemeinschaft ist, desto mehr «Stimmkraft» haben Sie. Ihre Stimmen können je nach Ihrem aktuellen Status doppelt, dreifach bzw. bis zu neunfach zählen.

Der Weg zum Guru ist weit…

Ich nehme an, dass mit «Status» der Rang gemeint ist, der im Profil ersichtlich ist, zumal es davon neun Stufen gibt. Ich bin als Neueinsteiger ein Newbie. Es geht dann hoch über Rookie, Challenger, Advanced, Veteran, Expert, Champion, Master bis hin zum Guru.

Um aufzusteigen, braucht man Punkte, die man während den Wettbewerben und durch gewisse Aktionen sammelt. Und falls ich es richtig sehe, braucht man einen bestimmten Rang, um Wettbewerbe veranstalten zu können.

Man soll Bilder während des Wettbewerbs austauschen

Eine der Aktionen, die einem Punkte bringen, sind sogenannte Swaps. Das ist der Austausch eines Bildes während eines Wettbewerbs:

Mit der Swap-Funktion testen Sie mehrere Bilder in Wettbewerben, um zu sehen, welches am besten funktioniert. Verwenden Sie die Tauschfunktion, um über das Einsendungslimit hinauszugehen und Ihre stärksten Fotos zu testen und auszuwählen.

Mit Geld verschafft man sich einen Vorteil im Wettbewerb.

An dieser Stelle wird einem so langsam klar, woher der Wind weht: Es gibt in der App nämlich einen Store. In dessen Angebot finden sich sowohl Fills, also die Möglichkeit, die Sichtbarkeitsanzeige aufzufüllen, als auch Swaps, mit denen man während eines Wettbewerbs Bilder austauscht.

Fünf Fills kosten zwei Franken, 250 Fills sechzig Franken. Was die Preise der Swaps angeht, kosten zwölf Stück zehn Franken, siebzig Swaps sind für 44 Franken zu haben.

Das ist institutionalisierte Korruption

Das lässt sich leider nur so deuten, dass die Wettbewerbe bei Gurushots käuflich sind. Über die Fills müssen wir nicht diskutieren; die sind institutionalisierte Korruption, indem man als Teilnehmer per Knopfdruck die Jury bzw. deren Aufmerksamkeit kauft. Damit ist die App unten durch.

Stellt sich die Frage, was von den Swaps und dem Rangsystem zu halten ist.

Die Möglichkeit, Bilder auszutauschen, entspricht einem A/B-Test, wie er im Webdesign üblich ist. Man könnte argumentieren, dass der Fussballtrainer während eines Spiels auch die Möglichkeit hat, Spieler auszuwechseln. Aber bei einem Kunstpreis ergibt das keinen Sinn. Man stelle sich vor, es gäbe bei den Academy Awards die Möglichkeit, während der Ju­rie­rung die Möglichkeit, einen Film auszutauschen, um herauszufinden, was eher dem Geschmack der Akademie entspricht – völlig undenkbar.

Und schliesslich finde ich auch das Rangsystem unhaltbar. Das Argument dafür wäre, dass ein erfahrener Nutzer ein besseres Urteilsvermögen hat. Aber ist das wirklich so? Ist das nicht einfach einer, der mehr Geld für Swaps und Fills ausgegeben hat?

One man, one vote, gopfertamminamal!

Abgesehen davon ist es auch bei Abstimmungen und Wahlen nicht so, dass einem langjährige Erfahrung mehr Gewicht geben würde. Nein, One man, one vote ist mit gutem Grund ein unumstössliches Prinzip der Wahlgleichheit und ein Pfeiler der Demokratie.

Dieses Prinzip verletzt Gurushots auf hässliche Art und Weise – wenn ich Verschwörungstheoretiker wäre, würde ich behaupten, dass man mit solchen Plattformen die Leute auf ein soziales Kastensystem einstimmen will, das dann demnächst auch in Realität ausgerollt wird. Das glaube ich natürlich nicht – ich denke vielmehr, dass das ein Auswuchs des verfehlten Monetarisierungssystems ist. Statt Fills und Swaps zu verkaufen, könnte Gurushots eine Teilnahmegebühr verlangen – was automatisch den Effekt hätte, dass die Zahl der Bilder auf ein erträgliches Mass zurückgehen würde.

Die Methode von Gurushots erinnert hingegen an die Free-to-play-Mechanismen vieler Gratisspiele (siehe Gamern das Geld aus der Tasche ziehen). Das ist auch dort nervig, aber weniger stossend, als wenn es scheinbar um einen künstlerischen Wettbewerb geht, bei dem das beste Foto gewinnen sollte.

Leider geht es bei Gurushots nicht darum – sondern darum, in der Gemeinschaft zu Macht und Einfluss zu gelangen und zum Guru aufzusteigen. Damit ist das keine Community, sondern ein System einer der Abgrenzung und einer gewollten Ungleichheit.

Beitragsbild: Die Goldmedaille für ein schönes Foto – welche Fotografin träumt nicht davon? (Nataliya Vaitkevich, Pexels-Lizenz)

2 Kommentare zu «Wie man Foto-Weltmeister wird»

  1. Hier würde ich für einmal die Offline-Variante empfehlen: Es gibt an vielen Orten lokale Fotoclubs. Dort trifft man sich mit Gleichgesinnten, diskutiert über Aufnahmen, Bildbearbeitung oder Drohnen, macht gemeinsame Foto-Exkursionen und je nachdem kann man seine Fotos an einer Ausstellung präsentieren oder der Verein gibt einen Kalender heraus, welcher dann lokal vermarktet wird. Man bekommt so je nach Mitgliedern auch mal eine EOS 1d oder Hasselblad in die Finger. Das geht sonst nur als Journalist.😉

    Gut ist auch, dass keine Pflicht zur regelmässigen Anwesenheit besteht, die einem vielleicht vom Beitritt zu einem Sportclub abhält. Schliesslich diskutiert man zusammen, aber doch fotografiert jeder für sich und man muss nicht als Mannschaft für ein Turnier fit sein.

    1. Berechtigter Hinweis, den ich auch einfügen wollte, es dann aber gelassen habe, weil der Beitrag eh schon viel zu lang geworden ist. Aber ich unterstütze die Empfehlung voll und ganz. Das macht sicherlich mehr Spass – und vor allem kann man auch mit produktiven Rückmeldungen zu seinen Fotos rechnen. Die gibt es bei Gurushots überhaupt nicht. Und natürlich ist es das Feedback, das einen als Fotograf voranbringt.

Schreibe eine Antwort zu MatthiasAntwort abbrechen