Hat Ken Jebsen diesen Podcast verdient?

«Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?» ist eine sechsteilige Reihe zu einem der einflussreichsten Verbreiter von Verschwörungsmythen im deutschsprachigen Raum. Und so toll, wie sie produziert ist, stellt sich trotzdem die Frage: Würde man den Mann nicht besser totschweigen?

Beitragsbild: Screenshot Youtube mit einer lustigen automatischen Übersetzung. Gesagt hat er, die Bösen seien immer die anderen (Quapan/Flickr.com, CC BY 2.0).

Wem nützts? Die Frage, die auch Verschwörungstheoretiker gern stellen.

Vorneweg: Der Pod­cast Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? (RSS, Spotify, iTunes)  ist auf­schluss­reich, rasant und wirk­lich fett pro­du­ziert und beste Unter­haltung: Ein hervor­ragen­des Beis­piel dafür, wie zeit­gemässes Erzäh­len mittels Audio funk­tio­niert – und sehr zur Nach­ahmung em­pfoh­len.

Ken Jebsen ist der Name des Mannes, der einem mutmasslich als Erstes einfällt, wenn man im Geist die deutschsprachige Verschwörungstheoretiker-Szene durchgeht. Ich würde ihn noch vor Daniele Ganser einsortieren. Ganser geht sein Geschäft zwar  systematischer an und wirkt auf den ersten Blick glaubwürdiger. Aber das fällt im Vergleich zum Showtalent, dem krawallhaften Auftreten und der eindrücklichen Youtube-Präsenz dann doch etwas weniger ins Gewicht.

Jebsen hat zu Anfang der Coronakrise einen viralen Superhit gelandet, was mich dazu brachte, zwei Gründe aufzuführen, keine Videos von KenFM anzusehen oder zu teilen. Auf Yotube ist er inzwischen nicht mehr zu finden, weil er im Januar 2021 von der Plattform verbannt worden ist. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass es die Videos andernorts noch gibt; beispielsweise auf der kaum kontrollierten Plattform Bitchute, die inzwischen zu einem Sammelbecken für die von Deplatforming betroffenen Verbreiter von alternativen Wahrheiten geworden ist.

«Cui Bono» geht der Frage nach, wie Jebsen vom kreativen, originellen und von seinen Kollegen geachteten Radiostar zum Verschwörungstheoretiker werden konnte und entdeckt bei dieser Aufarbeitung Parallelen zum notorischen Alex Jones (Ueli Maurer weiss, was Alex Jones nicht weiss). Der Podcast wirft auch ein neues Licht auf die Geschichte, die zur Entlassung beim ehemaligen Arbeitgeber, dem RBB, geführt hat.

Ein neues Licht auf eine alte Geschichte

Jebsen wurde damals Antisemitismus vorgeworfen, doch einige Leute sind der Ansicht, dass man ihn missverstanden hat. Zu denen zählt auch sein ehemaliger Arbeitskollege Holger Klein, der selbst Podcasts macht, die hier im Blog des Öfteren Thema waren – und der ein erklärter Gegner von Verschwörungstheoretikern und -mythen ist. (Und in der brandneuen dritten Folge wird auch die Anti-Antisemitismushaltung wieder relativiert.)

Allerdings hat Jebsen auch zu Zeiten seiner Arbeit fürs öffentlich-rechtliche Radio schon verschwörungsmythisches Gedankengut vertreten und aus demokratischer Sicht problematische Positionen vertreten, beispielsweise der Appell, man solle überhaupt nicht mehr wählen gehen. Solche Positionen wären früher oder später nicht mehr mit der Anstellung in einem öffentlich-rechtlichen Medium vereinbar gewesen. Doch mindestens ebenso gibt zu denken, dass der RBB ihn damals hat gewähren lassen. Das widerspricht der Regel, dass Beiträge in einem Massenmedium in irgend einer Form gegengelesen bzw. -gehört oder abgenommen werden sollten.

Aus diesem Blickwinkel ist es begrüssenswert, dass der Podcast von NDR und RBB coproduziert wird. Es scheint der Wille dazusein, diese Episode aufzuarbeiten – auch wenn sich der RBB bei Folge zwei, in der es explizit um das Ausscheiden beim RBB ging, rausgehalten hat. Und sie soll nicht geschönt dargestellt werden. Gewährleistung dafür bietet der Umstand, dass Hauptproduzent nicht die ARD ist, sondern ein unabhängiges Podcastlabel namens Studio Bummens, das wiederum von sich behauptet, «Blockbuster-Unterhaltung mit intelligentem Anspruch» zu machen und «Stories mit Bummens» zu erzählen.

Eine Geschichte mit Bummens erzählen? Oder besser gar nicht?

Damit sind wir beim heiklen Punkt der Sache: Soll man eine solche Geschichte «mit Bummens» erzählen? Und soll man sie überhaupt zum Besten geben? Denn es besteht die Gefahr, dem Objekt der Berichterstattung zu zusätzlicher Bekanntheit zu verhelfen, womöglich seine Präsenz in der Öffentlichkeit zu verstärken und ihm zu mehr Legitimation zu verhelfen. Denn auch wenn seine Aussagen kritisiert werden, könnte bei manchen Leuten trotzdem die Botschaft hängen bleiben, dass doch etwas an ihm dran sein muss, wenn ihm eine sechsteilige Podcastreihe gewidmet wird.

Es handelt sich um die alte Frage nach dem Totschweigen. Hätte der Aufstieg der SVP beispielsweise gebremst werden können, wenn die Presse nicht auf jede Provokation hereingefallen wäre und nicht über jeden Furz berichtet hätte? Ich war lange Zeit dieser Ansicht. Ich fand, dass die SVP in der Berichterstattung übervertreten war, weil sie genau gewusst hat, auf welche Impulse Medienmenschen reagieren. Die SVP hat ohne Skrupel von dieser Provozierbarkeit Gebrauch gemacht und die Medien instrumentalisiert.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Wegen der sozialen und der alternativen Medien ist es illusorisch zu glauben, man könne ein Thema noch totschweigen. Diese Option ist vom Tisch, seit die Massenmedien ihre Rolle als Gatekeeper verloren haben.

Unters Brennglas mit dem Mann

Darum ist es richtig, Ken Jebsen unters Brennglas zu legen, seine Methode zu dekonstruieren und aufzuzeigen, wie er zu der Rolle gefunden hat, die er heute einnimmt. Und ich finde es auch richtig, dass auf unterhaltsame Weise zu tun. Das gehört zwar in die Kategorie des Infotainments, das nicht zuletzt wegen des Fernsehens nicht zu Unrecht einen schlechten Ruf geniesst. Man braucht kein Fundamentalkritiker wie Neil Postman zu sein, um zu erkennen, dass die Sendungen ihren Themen oft nicht gerecht werden.

Aber das Medium des Podcasts hat in letzter Zeit bewiesen, dass es auch besser geht. Das liegt daran, dass es bei diesem Medium zum guten Ton gehört, in die Tiefe zu gehen. Eine mehrteilige Reihe funktioniert nur, wenn das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird und die Informationsdichte stimmt – denn niemand hört sich mehrere Stunden nur wegen der fetten Produktion oder des saloppen Moderators an.

Infotainment ist kein Schimpfwort mehr

Fazit: Mir ist «Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?» stellenweise etwas zu salopp und zusehr vom Ehrgeiz getrieben, in Sachen Audio-Storytelling neue Massstäbe zu setzen. Trotzdem ist das vielleicht ein Beleg dafür, dass im deutschsprachigen Raum die Produktionen eigenständiger werden und man beginnt, sich von den amerikanischen Vorbildern abzunabeln.

Und auf alle Fälle sind Podcasts wie dieser dazu da, Informationsvermittlung mit der Unterhaltung zu versöhnen und dem Postman’schen Schreckgespenst den Schrecken zu nehmen.

2 Kommentare zu «Hat Ken Jebsen diesen Podcast verdient?»

  1. Wie man in den Wald ruft, so schallt es auch wieder heraus. Wir verdienen also das, was wir unserer Umwelt erlauben.
    Über Jebsen so akkurat aufzuklären ist überfällig. Niemand hat bisher so gut Stellung bezogen. Die Angst, dass was an Jebsens Fantasien dran sein könnte, wäre eher stärker, wenn man ihnen keinen Zeriss widmen würde. Von daher bin ich sehr froh, endlich genügend Munition gereicht zu bekommen, um Jebsens Thesen vollends zu diskreditieren.

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