Neulich wollte meine Tochter (knapp 4⅔ Jahre alt) wissen, wie das mit Adam und Eva war. Sie hatte die Geschichte irgendwo aufgeschnappt und sie interessant gefunden – was sie ohne Zweifel auch ist.
Aha, dachte ich: Das sind also diese Situationen, in die man als Vater unvermittelt hineingerät: Eine komplett spontane Erklärung zu einem Thema ist gefragt, bei dem man sich vorab gerne ein paar Gedanken zurechtgelegt hätte. Ähnlich wie im letzten Sommer im Kinderzoo Rapperswil, als vor aller Augen der Elefantenbulle die Elefantenkuh bestieg.
Ich habe ihr die Geschichte erzählt, die, wie gesagt, interessant genug ist, um jederzeit erzählt zu werden. Und ich habe über mein anfängliches Zögern nachgedacht und bin zur Erkenntnis gelangt, dass das weder mit der Bibel etwas zu tun hat, noch mit Adam und Eva, sondern vielmehr mit mir selbst. Ich betrachte mich als Atheist, bzw. genauer, als Agnostiker.
Genauso schlimm wie die Veganer
Das hat ein zwiespältiges Verhältnis zu der Religion zur Folge: Leute wie ich haben das Bedürfnis, sogleich zu betonen, dass wir genauso wenig an die Geschichte von Adam und Eva glauben, wie an das fliegende Spaghettimonster. Es gibt diesen Impuls, uns abzugrenzen; ähnlich, wie das die Vegetarier und Veganer gegenüber den Fleischfressern tun. Man könnte schliesslich für einen Kreationisten gehalten werden; Gott bewahre!
Aber diesen Drang muss man kontrollieren können, fand ich. Und zwar nicht einfach so, sondern mit Souveränität und Gelassenheit.
Darum habe ich etwas getan, was ich schon länger vorhatte: Ich habe mir den Podcast Unter Pfarrerstöchtern vorgeknöpft (RSS, iTunes, Spotify, Deezer). Von dem habe ich im Podcast «Zeit Verbrechen» (Der Krimi-Podcast, den man zu Bildungszwecken hört) gehört, weil Sabine Rückert, die stellvertretende Chefredakteurin von «Die Zeit» dort erzählt hat, dass sie mit ihrer Schwester diesen zweiten Podcast bestreitet. Die Schwester heisst Johanna Haberer und ist Professorin für Theologie und Medien an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Und tatsächlich: Der Podcast ist die richtige Therapie für Leute wie mich.
Sabine Rückert erklärt nämlich schon am Anfang, dass sie mit ihrer Schwester weder Kirchenfunk noch Konfirmandenunterricht veranstaltet. Sie würden nicht bekehren und nicht belehren wollen, sondern behandeln die Bibel als poetisches Geschichtsbuch und kulturelle Leistung. Ob man daran glaubt, bleibt einem als Zuhörer überlassen.
Also, zurück zu Adam und Eva
Der Podcast fängt – man verzeihe mir dieses Redewendung – bei Adam und Eva an. Respektive noch eine Station früher, nämlich bei der Erschaffung der Welt. (Wir stellen fest: die Redewendung ist nicht nur nicht lustig, sondern auch nicht akkurat.)
Diese Folge zur Vertreibung aus dem Paradies zeigt denn auch, dass die beiden Frauen gewillt sind, das Versprechen, nicht zu predigen und nicht zu dozieren einzuhalten. Sondern die Geschichten zu erzählen und über die Fragen zu diskutieren.
Und Fragen gibt es gerade bei dieser Geschichte mehr als genug: Ist die Erschaffung des Mannes aus der Rippe der Frau nicht nur Anfang, sondern Rechtfertigung vom Patriarchat? Oder ist es umgekehrt so, dass Gott, als sie Adam erschaffen hat, erst noch geübt hat? Oder die Schlange: Sie war das erste Wesen, das sich von Gott emanzipiert hat. Müsste uns Menschen das nicht zu denken geben?
Gott, der Dialogverweigerer
Der eigentliche Knackpunkt dreht sich aber natürlich um diese Sache mit der Erkenntnis, für die wir alle aus dem Paradies vertrieben worden sind. Sabine Rückert ist nicht gnädig mit Gott: Wie kann es sein, dass Gott den Menschen erschaffen hat, weil ihm alleine langweilig war, diese Menschen dann aber dafür bestraft, dass er nach Erkenntnis strebt?
Gott scheue den Dialog und verfluche stattdessen herum, sagt sie. Eine Kritik, die jeder nachvollziehen kann, der die Streitkultur in den sozialen Medien erlebt hat. Aber Johanna Haberer kannte diesen Vorwurf natürlich schon und wusste ihn gut zu parieren: Mit Ausführungen, woher diese Trennungsgeschichte rühren mag und der schwer zu widerlegenden Interpretation, dass es Freiheit und Erkenntnis leider nicht gratis und franko gibt. Und eben – von der Idee des lieben Gotts sollten wir uns ganz schnell verabschieden.
Fazit: Spannend und allemal ein Abo wert. Ich habe mich kurz gefragt, ob es womöglich noch dramatischer wäre, wenn nicht zwei Pfarrerstöchter, sondern ein gläubiger Mensch oder ein Atheist aufeinanderprallen würden. Mein Nerdfunk-Kollege Kevin hatte mit seinem Wer’s glaubt-Podcast ein solches Projekt, das nun aber scheinbar aus dem Netz verschwunden ist. Ich male mir lebhaft aus, dass in vielen Medienhäusern an den entsprechenden Konzeptionssitzungen genau dieser Vorschlag eingebracht worden wäre: Die Formel ist bekanntlich simpel: mehr Konflikt = mehr Einschaltquote.
Predigten der Ungläubigen
Aber man kann genauso argumentieren, dass Leute, die das verlangen, nicht an ihre eigenen Rezepte glauben: Sie predigen zwar immer das Storytelling, vertrauen aber der Kraft der Erzählung nicht. Ein fundamentaler Fehler. Was mich angeht, fühle ich mich jedenfalls gut gerüstet für weitere knifflige Fragen meiner Tochter…
PS: Ich würde jederzeit auch einen solchen Podcast über die Tora oder den Koran hören. Ich habe seinerzeit «Der Koran erklärt» vom Deutschlandfunk empfohlen. Dieser Podcast ist im Vergleich aber sehr trocken und exegetisch ausgefallen, und ausserdem Ende 2018 ausgelaufen…
Beitragsbild: Wir alle hätten reingebissen (Pranjall Kumar, Unsplash-Lizenz).