Die Sprachnerds gehören zu den Pandemiegewinnern

Lockerungsdrängler, Trikini, Söderwindel und overzoomed: Was Corona mit der Sprache anstellt, ist spannend und unterhaltsam.

Dank der schönen Dlf-App bin ich dem schönen Beitrag Zeiten des Umbruchs erweitern den Wortschatz begegnet. In dem erklärt die Linguistin Christa Dürscheid, wie sich die Pandemie auf unsere Sprache auswirkt.

Corona beschert und viele Neologismen: Wort-Neukreationen wie das Vaxxie oder die Zoomparty. Wir müssen medizinische Fachbegriffe wie das Vakzin lernen – wobei ich mir bei dem nicht sicher bin, wie viel Wichtigtuerei mit dabei ist. Könnten nicht auch Mediziner einfach Impfstoff sagen?

Eine dritte Beobachtung ist, dass manche bestehenden Wörter eine neue Bedeutung erhalten: Die Maske – für die es diverse Übernamen wie Schnutenpulli, Munaschu oder Söderwindel gibt – ist jetzt nicht mehr nur etwas, hinter dem wir uns an der Fastnacht verstecken, sondern ein Alltagsgegenstand.

Die Zahl der Begriffe, die seit Corona in unsere Sprache Einzug gehalten haben, ist beeindruckend: Es sind mehr als 1200 – und es ist anzunehmen, dass noch einige dazukommen werden, bis die Sache überstanden ist. Diese «Corona-Worte» werden vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim gesammelt, und die Liste dazu ist hier zu finden.

Wo ist die Söderwindel?

Mehr als 1200 Begriffe finden sich darauf. Die Söderwindel fehlt zwar, aber die Liste zeugt ansonsten von der grossen sprachlichen Kreativität: Man findet Nomen wie das Lockdownchen, den Lockerungsdrängler, das zweite Ischgl und Tandemkinder, sowie – das Trikini. Das ist eine Badebekleidung, bestehend aus Badehose, Oberteil und (farblich passendem) Mundnasenschutz. Die Begriffe sind übrigens allesamt erklärt, mit einer Quelle versehen und datiert. Das ist sehr vorbildlich, auch wenn die Präsentation der Liste noch etwas attraktiver gestaltet werden könnte.

Mir ist ausserdem aufgefallen, dass es nebst den Nomen auch einige Adjektive wie postcoronaisch oder overzoomed gibt, aber dass nur wenige Verben aufgetaucht sind. Das hat sicher damit zu tun, dass es schwieriger ist, ein knackiges Verb zu erfinden, als eine lustige Zusammensetzung aus Hauptwörtern zu basteln.

Zoomen wie blöd

Aber der Verbmangel rührt sicherlich auch daher, dass wir uns von der Pandemie zur Passivität verdammt fühlen und kaum neuen Tätigkeiten nachzugehen. Ausser natürlich, zu zoomen wie blöd. Und das besagt nun nicht mehr, dass wir am Ring eines Zoomobjektivs drehen, sondern an Videokonferenzen teilnehmen. Bis wir overzoomed sind.

Mehr als 1200 Corona-Wort­neu­schöpfungen – und das hier ist nur der Anfang.

Wir halten fest: Wir Sprach­nerds gehören zu den Pandemie­gewinnern: Wir haben jede Menge schöner, neuer Worte, über die wir uns freuen können. Plus ein paar, die zu Ärger Anlass geben. Das sind die polemischen Kampf­begriffe wie Corona­diktatur oder Impfneid.

Bleibt eine Frage: Gibt es solche Listen auch für andere Sprachen? Mich würden die Corona-Helvetismen interessieren, doch zu denen habe ich weder etwas gefunden, noch ist mir abgesehen von «Gesichtslumpen» (Lumpen = Lappen) selbst etwas eingefallen.

Wird der Coronaspeck zum Exportschlager?

Anders sieht es fürs Englische aus. Die BBC hat sich im Beitrag Why we’ve created new language for coronavirus mit den Neologismen beschäftigt und bei der Newsplattform «The Conversation» habe ich den Beitrag Coronavirus has led to an explosion of new words and phrases – and that helps us cope gefunden.

Es gibt einige lustige Begriffe wie covideo party als Analogie zur Zoomparty oder den covexit für die Strategie aus dem Lockdown. Oder das Doomscrolling, das den Zustand beschreibt, wenn man sich ohne Ende von einer schlechten Nachricht zur nächsten scrollt. Das ist eine Tätigkeit, die während der Pandemie Hochkonjunktur hat. Es gab sie gemäss Wikipedia aber schon vor Corona.

Und auch sehr hübsch: Der Blursday. Er entsteht, wenn ein Tag wie der nächste ist und in der Erinnerung selbst die Wochenenden und Ferien mit dem Alltag verschwimmen, weil wir doch immer nur zu Hause sitzen und die gleichen Spaziergänge unternehmen.

Es bleibt das Fazit, dass sich die deutsche Sprache auch gegenüber dem Englischen nicht zu verstecken braucht. Im Gegenteil: Selbst die BBC kommt nicht umhin, den «Coronaspeck» ehrfürchtig zu erwähnen. Vielleicht wird es dereinst mit dem Hamburger und dem Kindergarten zu den Begriffen gehören, die die Angelsachsen von uns ausgeliehen haben.

Beitragsbild: Darf ich vorstellen? Corona Lisa (Yaroslav Danylchenko, Pexels-Lizenz).

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