Zwischen Twitter-Nostalgie und Offline-Realität

Ich wünsche mir eine Zeitmaschine für Twitter. Und generell für mein digitales Leben.

Sosehr meine Abneigung gegen Facebook tagtäglich wächst – und so gross meine Scham auch ist, dass ich noch immer zu viel Zeit auf Zuckerbergs Plattform verbringe –: Eine Funktion gibt es, für die ich Facebook liebe.

Das ist die Erinnerungen-Seite: Dort findet man die Posts, die man am selben Tag vor einem, zwei, fünf oder zehn Jahren veröffentlicht hat. Das ermöglicht eine Zeitreise in die Vergangenheit, die oft spannend ist: Man sieht, womit man sich vor x Jahren beschäftigt hat. Das weckt meistens Erinnerungen und bringt oft alte Gefühle zurück.

Manchmal ist die Reaktion auch Unverständnis. Denn es gibt Posts, die ich nach Jahren schlicht nicht mehr verstehe. Es ist anzunehmen, dass sie sich auf ein tagesaktuelles Ereignis beziehen, das dann doch nicht so wichtig war.

Diese Rückblicke sind in einem Jahr wie diesem besonders aufschlussreich – und vermutlich auch etwas schmerzhafter als in einem normalen Jahr. Sie führen uns vor Augen, wie beherrschend Corona ist und welche Auswirkungen die Pandemie im ganz normalen Alltag hat. Und das finde ich, trotz der negativen Note, letztlich bereichernd.

Twitter-Rückblicke wären interessant

Diese Rückblicke gibt es auch in der Foto-App von Apple (siehe hier) und in der Fotos-App von Windows (hier). Spass würden sie sicherlich auch bei Twitter machen. Einen Beleg für diese Vermutung gibt es: Ich habe seinerzeit mit viel Vergnügen nachgeforscht, wer was in seinem allerersten Tweet zum Besten gegeben hat.

Für Twitter gibt es meines Wissens diese Möglichkeit jedoch nicht. Und falls doch, freue ich mich über einen Hinweis, wo sie zu finden wäre. Bitte schreibt mir den Tipp in die Kommentare, ich werde gerne in einem Beitrag darauf zurückkommen.

Es gibt aber immerhin einige Suchmöglichkeiten, mit denen man alte Tweets ausgräbt:

eigene Timeline vor x Jahren

Mensch, war dieser Lobo damals fleissig.

Mit dem folgenden Suchbegriff sieht man seine Timeline, wie sie vor dem angegebenen Zeitpunkt ausgesehen hätte, wenn man damals schon den gleichen Leuten gefolgt wäre:

filter:follows until:2009-12-31 -filter:replies

Aufschlussreich: In meinem Fall sieht die Zeitleiste komplett anders aus. Viele Twitterer, die heute dominieren, gab es Ende 2009 noch nicht. Ich sehe hauptsächlich Sascha Lobo, Armin Wolf, Spiegel, Peter Hogenkamp und die NZZ.

Eigene Tweets vor x Jahren

Dazu verwendet man from: und sein eigenes Twitter-Handle, plus die beiden Parameter since: und until:. Das Datum gibt man als vierstellige Jahreszahl und mit zweistelligem Monat und Tag an, jeweils mit einem Bindestrich dazwischen.

from:mrclicko since:2009-11-26 until:2009-11-28

Es zeigt sich, dass ich am 27. November 2009 überaus fleissig getwittert habe. Unter anderem waren Perlen wie diese hier mit dabei:

Übrigens kann ich mich nicht daran erinnern, überhaupt jemals MTV geschaut zu haben. Aber offensichtlich habe ich es getan.

PHP-Profis gefragt!

Es liesse sich wohl ein Script schreiben, dass auf diese Weise alle Jahre durchgeht und die Tweets auf ansprechende Weise aufbereitet. Sollte es also noch keine pfannenfertige Lösung geben, dann könnte ein PHP-Profi das sicherlich aus dem Ärmel schütteln. Wiederum gilt: Ich würde die Lösung hier natürlich vorstellen.

Zwei Bemerkungen noch:

Erstens gibt es Leute, die ihre alten Tweets löschen – und dafür gibt es seltsamerweise pfannenfertige Lösungen wie zum Beispiel tweetdeleter.com. Und ja, klar, manche alten Tweets mögen einem peinlich sein. Aber dazu sollte man stehen – und es nicht als Grund für Scham, sondern als Gelegenheit wahrnehmen, etwas über sich selbst und über seine Fortschritte (?) im Leben zu lernen.

Eine universelle Zeitmaschine

Zweitens wäre eine universelle Zeitreise-Maschine nett. Also eine, die nicht nur die Tweets vor so und so vielen Jahren aussiebt, sondern die Facebook-Erinnerungen dazuwürfelt und die Fotos vom gleichen Tag dazugibt. Plus die Mals und Instagram-Posts, die Whatsapp-Nachrichten und meinetwegen sogar die Slack-Konversation: Auf diese Weise würde ein recht gutes Bild davon entstehen, was wir an einem Tag getan haben. Und es gäbe bezeichnende Lücken, bei denen wir wüssten, dass wir uns ganz der Offline-Realität hingegeben haben…

Nachtrag: Darum geht es im Beitrag Die App für gute und schlechte Erinnerungen.

Beitragsbild: Nostalgie geht auch ohne Twitter (Piotr Albanowicz, Pixabay-Lizenz).

4 Kommentare zu «Zwischen Twitter-Nostalgie und Offline-Realität»

  1. Also ich nutze ja seit Jahren die App «Timehop» (erhältlich für iOS und Android). Hat man seine FB-, Twitter-, Insta-, und-was-weiss-ich-Accounts erst mal damit verknüpft, kriegt man jeden Tag einen tollen Rückblick über das Geschehen vor ein, zwei, oder auch zehn Jahren (wenn denn da schon was war…). Und das, ohne jede Plattform einzeln besuchen zu müssen.

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