Spotify versus Apple Music: Wo bekommen die Künstler mehr?

Die beiden grossen Musik-Streamer im Vergleich: Bei welchem Anbieter haben die Musiker am Ende des Monats mehr Geld im Hut?

Im Nachgang zu meinem Vergleich von Apple Music und Spotify habe ich Kritik zu hören bekommen. Boris bemängelte auf Facebook, ich hätte die Seite der Musiker ausser Acht gelassen. Man hätte den Vergütungsschlüssel für Musiker vergleichen müssen, findet er: «Aber vermutlich ist der bei beiden gleich extremal verschissen.»

Die Musiker habe ich in der Tat ausser Acht gelassen. Ich habe meinen Vergleich aus der Warte des Nutzers gezogen.  Aber der Einwurf ist berechtigt und man darf sich folgende Frage stellen: Lohnt es sich, den Streamingdienst aus Sympathie zu den Musikern zu wechseln, wenn die am einen Ort mehr bekommen als am anderen?

Was bleibt bei den Musikern hängen?

Ich habe eine kleine Webrecherche angestellt. «Business Insider» hat einen Text dazu, aber ich bin an der Bezahlschranke hängen geblieben. Falls jemand dort ein Abo hat, bin ich froh um ein PDF! Doch bei dittomusic.com gibt es den Music Streaming Royalties Calculator: Man wählt eine Plattform, gibt die Zahl der Streams an und erfährt, wie viel Geld man dafür erwarten darf.

Der Einfachheit halber gebe ich 1’000’000 Streams ein. Bei Spotify bekommt man dafür 4370 US-Dollar. Apple Music bezahlt 7350 US-Dollar.

Das ist eine überraschend grosse Differenz: Gut 68 Prozent mehr ist ohne Wenn und Aber ein klarer Vorteil für Apple Music. Sollte dieser Unterschied so eklatant sein, wäre das ein guter Grund für einen Wechsel.

Ich erinnere mich allerdings an meine Radiosendung mit Christoph Trummer, seines Zeichens Berner Singer-Songwriter und damals Lobbyist für die Schweizer Musiker (Digital 328): Er hat seinerzeit gesagt, dass Spotify nach Abos unterscheidet: Bei den Streams von Free-Kunden bleibt gegenüber den Premium-Kunden für ihn deutlich weniger hängen. Diese Unterscheidung lässt sich beim Royalties Calculator nicht treffen. Möglich, dass ein Durchschnitt angenommen wird. Der Vorteil bleibt bei Apple Music, da es dort kein Gratisabo gibt.

Geld ist nicht alles

Die Einkünfte aus dem Streaming waren neulich auch Thema bei Watson im Beitrag So viel verdienen Schweizer Musiker auf Spotify. Da Apple Music keine Berücksichtigung findet, nützt mir der Beitrag für die vorliegende Frage nichts. Drei Punkte finde ich aber trotzdem interessant:

  • Erstens bestätigt Watson grob die Angaben von dittomusic.com: Im Artikel wird mit vier Franken für 1000 Streams gerechnet. Das ist etwas weniger als die Angabe von dittomusic.com. Aber die Grössenordnung stimmt.
  • Zweitens sind die Tantiemen nicht für alle gleich. Zitat Watson: «Der ausbezahlte Betrag besteht aus drei verschiedenen Arten von Tantiemen, die von Land zu Land unterschiedlich sein können und ziemlich undurchsichtig erscheinen.»
  • Drittens gibt es eine aufschlussreiche Erkenntnis bei der Einkommensrangliste der Schweizer Künstler. Am besten kommen die DJs und die Produzenten elektronischer Musik weg: Sie würden davon, dass Spotify sie in den eigenen Playlists aufführt.

Es bleibt eine Erkenntnis: Wenn man einen Wechsel des Streamingdienstes ins Auge fasst, um seinen Lieblingskünstlern etwas Gutes zu tun, dann müsste man die um ihre Meinung fragen. Denn Geld ist zwar wichtig, aber auch nicht alles.

Watson tönt es an: Wenn ein Musiker bei einer Plattform in vielen Playlists vertreten ist und von den Algorithmen gut behandelt wird, dann wird er diese vielleicht vorziehen, selbst wenn die Entlohnung anderswo höher wäre. Und es gibt sicherlich weitere Kriterien, weswegen ein Künstler eine Präferenz für den einen oder anderen Distributor entwickelt.

Wie wird das Geld verteilt?

Ich finde einen weiteren Punkt spannend: Nämlich die Art und Weise, wie die Streamingdienste das Geld an die Künstler verteilen. Dazu habe ich den Beitrag Your Spotify and Apple Music subscriptions pay artists you never listen to gelesen. Er räumt mit einem Missverständnis auf, dem ich, wie sicherlich viele anderen auch, lange Zeit erlegen war.

Die naheliegende Vermutung ist, dass meine Abogebühr, die ich für einen Monat bezahle, an diejenigen Künstler verteilt wird, die ich mir angehört habe.

Aber so funktioniert es nicht. Spotify verwendet ein so genanntes Pro-Rata-System: Alle Einnahmen der Nutzer, egal ob nun aus der Werbung oder von den Abogebühren, wandern in einen grossen Topf. Das Geld im Topf wird Ende Monat nach Anzahl Streams auf die Künstler verteilt.

Das wirkt auf den ersten Blick höchst unfair: Auch wenn ich ausschliesslich unbekannte Indiekünstler anhöre, so wandert ein Grossteil meiner Abogebühren in die Taschen der kommerziellen Künstler und Produzenten. Das sind die Leute mit der ganz grossen Reichweite. Scheisst der Teufel also wieder einmal auf den grössten Haufen?

Der Grund fürs Pro-Rata-System ist indes einleuchtend: Nicht alle Spotify-Nutzer hören pro Monat gleich viel Musik. Bei einer direkten Umlegung wäre der Stream eines Wenignutzers, der nur einige Minuten pro Monat streamt, viel wertvoller als der eines Heavy-Users mit Hunderten Stunden Konsum. Das ergäbe für die Künstler willkürliche Schwankungen bei den Einnahmen und vermutlich wilde Ausschläge jeden Monat. Indem alles Geld in einen grossen Topf geschüttet und dann verteilt wird, gleichen sich diese Schwankungen aus.

Ist das ein gerechtes Verteilsystem? Und falls nicht, wie würde es aussehen? Dazu möchte ich am Ende des Blogposts noch ein bisschen fantasieren, wenn es gestattet ist.

Ich finde nicht, dass Spotify und die anderen Dienste jeden Stream gleich entlohnen sollten. Denn die Hörsituationen sind extrem unterschiedlich. Oft wird Spotify zur Hintergrundbeschallung betreibt, ohne dass jemand zuhört. Andererseits gibt es auch die wilden Hör-Sessions: Zum Beispiel die ausgelassenen Teenager, die mit vollem Körpereinsatz zum neuen Song ihres Lieblings tanzen.

Müsste ein kaum beachtetes Stück nicht viel weniger wert sein, als eine Song-Neuentdeckung, die mir überragende Glücksgefühle beschwert? Und natürlich hat der Künstler einen Bonus verdient, wenn mir seine energetischen High-Tempo-Nummer beim Joggen einen persönlichen Pace-Rekord beschert.

Jawoll, das alles gehört berücksichtigt. Und die Reaktion des Publikums, die lässt sich ganz sicher schon bald über ein schlaues Wearable messen…

Beitragsbild: Yael Gonzalez, Unsplash-Lizenz

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