Die etwas zu private Suchmaschine

Ich soll unbedingt eine neue Suchmaschine besprechen, sagte Laura neulich zu mir. Das mache auch – allerdings schneidet Privado.com nicht sonderlich gut dabei ab.

Neulich wurde ich in einem netten Mail dazu aufgefordert, mir doch gefälligst die Suchmaschine privado.com anzusehen. Als Grund wurde mein Blogpost Suchmaschinen? Miese Versager sind sie alle! angegeben, in dem ich qwant.com erwähnt hatte.

Das Mail stammt von einer gewissen Lara, die angibt, Privacy-Expertin bei YourPrivacyBrands zu sein. Die dazugehörende Website trägt ein .com am Ende und zeigt (zum Zeitpunkt, während ich diesen Beitrag schreibe), nur das Listing eines Webserver-Verzeichnisses, das bis auf den Ordner cgi-bin leer ist.

Das ist übrigens die perfekte Methode, wie ihr bei mir Eindruck schindet und Vertrauen gewinnt: Schreibt mir ein Mail, in dem ihr euch mit einem gut klingenden, aber nichtssagenden Titel schmückt. Weitere Angaben braucht es nicht, denn wer würde sich schon die Mühe machen zu überprüfen, wer einem da gerade unbekannterweise ein E-Mail geschickt hat?

Man könnte ja herausfinden, wer hier eigentlich dahintersteckt

Falls ihr euch aber trotzdem bemüssigt fühlt, euch als Absender noch etwas genauer zu identifizieren, dann verwendet bitte eine Website, die nicht oder nur halb funktioniert. Alternativ dürfte es auch eine sein, die besonders wirr ist oder einen dubiosen Eindruck macht. Eine Postadresse solltet ihr hingegen auf gar keinen Fall verwenden: Die würde euch ja richtiggehend fassbar machen!

Ich mache natürlich Witze. Solche Mails landen im Papierkorb. Im Fall von privado.com habe ich aber eine Ausnahme gemacht. Warum, ist mir selbst nicht ganz klar. Ich habe einem Impuls nachgegeben. Denn eine  Suchmaschine zu starten, braucht Chuzpe. Weil ihr sicherlich wisst, dass es seit ein paar Jahren dieses Ding namens Google gibt, das die Leute ganz gerne verwenden.

Doch wie im Beitrag Konkurrenz belebt das Suchmaschinen-Geschäft festgestellt, ist Google zwar meistens besser als die Rivalen. Der Vorsprung ist jedoch längst nicht so gross, dass man die Alternativen komplett ignorieren müsste. Im Gegenteil: Es ist gut, dass es Ausweichmöglichkeiten gibt. Und man tut gut daran, die gelegentlich zu verwenden – allein, um die Abhängigkeit von Google zu verringern.

Suchmaschinen: Die Auswahl ist gross

Mein Vergleich bezog damals Google, Bing, Duck Duck Go, Qwant und Swisscows mit ein. Seitdem ist mir noch Onesearch.com begegnet; eine Suchmaschine, die im Beitrag Noch ein Google-Rivale, der mit Datenschutz punkten will auf den Tamedia-Kanälen vorgestellt habe.

Und jetzt also privado.com – wiederum eine Suchmaschine, die sich mit dem Schutz der Privatsphäre schmückt.

Das ist nun nicht sonderlich originell. Das tun inzwischen alle Google-Konkurrenten ausser Microsoft Bing. Dadurch ist es kein Alleinstellungsmerkmal. Und selbst wenn es eines wäre, fände ich es nicht sonderlich stark. Die Mehrheit der Internetbenutzer schert sich nicht speziell um den Schutz der Privatsphäre. Schon gar nicht bei der Suche im Web. Die Gefahren, die bei dieser Tätigkeit der Privatsphäre drohen, sind für die meisten Surfer einfach zu abstrakt.

Daher kann der Schutz der Privatsphäre höchstens ein Bonus-Feature sein. Eine Suchmaschine, die effektiv gegen Google anstinken will, muss in irgend einem Aspekt besser sein als Google: Sie muss schneller oder umfassender suchen, die Resultate besser gewichten oder darstellen oder moderner wirken.  Wenn sie dann auch noch sicherer ist, umso besser.

Google ist schwer zu schlagen

Doch eben: Google bei den Suchresultaten zu schlagen, ist schwierig.

Um mir von einer Suchmaschine eine Meinung zu bilden, führe ich zuerst eine Suche nach meinem Namen durch. Das mag ein bisschen selbstverliebt klingen – aber ich halte das Egogoogeln für wichtig. Und über mich selbst weiss ich einigermassen gut Bescheid: Ich kann die Qualität der Resultate einfacher beurteilen, als wenn ich zum Beispiel nach «Hämorrhoidensalbe» oder «gemeiner Spitzwegerich» suchen würde.

Was nun meinen Namen angeht, bekleckert sich Privado nicht mit Ruhm. Dieses Blog hier kommt erst an dritter Stelle. Damit könnte ich leben.

Dass aber an zweiter Stelle ein Namensvetter auftaucht, der seinen Vornamen nur mit einem T schreibt, halte ich für falsch. Es ist natürlich sinnvoll, bei der Suche abweichende Schreibweisen für den gesuchten Begriff zu berücksichtigen. Doch wenn es gute Treffer für die korrekte Schreibweise gibt, dann müssen die zuerst erscheinen. Und die gäbe es natürlich, zum Beispiel meine Web-Visitenkarte matthiasschuessler.ch.

Doch die taucht bei Privado nicht auf; zumindest nicht auf der ersten Seite. Bei Google steht sie am Anfang der Liste, ebenso bei Quant, Bing, Duck Duck Go und Onesearch. Da ist Privado leider schlechter als die Konkurrenz.

Egosurfing mit Privado ist nicht sonderlich befriedigend.

Wenn ich nur nach meinem Nachnamen suche, tauchen nur die besagten Salze auf. Wie hier im Video und hier bei meinem ersten Test erklärt, halte ich das für falsch. Der Verweis auf den Familiennamen müsste auf jeden Fall vor irgendwelchen Produkten auftauchen, speziell, wenn diese Produkte keinen erwiesenen Nutzen aufweisen.

In die Suchresultate gehört mehr als nur Produkte

Wenn die Salze Erwähnung finden, dann sollten nicht nur Online-Shops zu sehen sein, bei denen man sie kaufen kann, sondern vor allem auch objektive und kritische Informationen. Eine Suchmaschine soll allgemeine Informationen vermitteln, und nicht (nur) Produktscout oder Werbeverstärker sein.

Natürlich ist mir klar, dass die Shops intensiv Suchmaschinenoptimierung betreiben. Google hat mit dem Knowledge Graph immerhin ein Gegengewicht zu bieten. (Der Knowledge Graphi ist der Infobereich rechts, in dem Angaben aus (meistens) verlässlichen Quellen wie Wikipedia erscheinen.) Im Fall meines Nachnamens schneidet Google zwar nicht gut ab – siehe nochmals hier. Aber immerhin gibt diese zusätzliche Informationsquelle. Bei Privado habe ich nichts Dergleichen gesehen.

Immerhin: Zum Suchbegriff «covid19» spukt die Suche auf den ersten Seiten keine Verschwörungstheorien aus, sondern brauchbare Informationsquellen.

Ich habe noch etwas länger mit Privado herumgespielt, aber keinen Bereich identifiziert, bei dem die neue Suchmaschine sich gegenüber der Konkurrenz hervorgetan hätte.

Kein Grund für diese Suchmaschine

Fazit: Im Moment sehe ich keinen zwingenden Grund für diese Suchmaschine. Selbst wenn man Google meiden möchte, sind die schon etwas bekannteren Alternativen im Schnitt besser – übrigens auch Ecosia, die «grüne» Suchmaschine, die mit ihrem Umweltschutz-Aspekt neben der Privatsphäre noch einen Zusatznutzen zu bieten hat.

Etwas seltsam finde ich auch, dass Privado genauso zurückhaltend mit persönlichen Angaben ist wie jene Lara von YourPrivacyBrands. Es gibt eine Über-uns-Seite, die ein Mission Statement, aber keine weiteren Angaben zum Betreiber enthält. Die Kontaktangabe zeigt auf einen WeWork-Coworking-Space im US-Bundesstaat Washington. In Sachen Einnahmequellen gibt es nur den Hinweis, man zeige nicht-personalisierte Werbung.

Das ist alles dubios. Denn um einer Suchmaschine vertrauen zu können, will man doch etwas genauer wissen, wer sie betreibt und wie sie sich finanziert.

Beitragsbild: Kann man eine globale Suchmaschine wirklich aus einem Coworking-Space heraus betreiben? (Eloise Ambursley, Unsplash-Lizenz)

2 Kommentare zu «Die etwas zu private Suchmaschine»

  1. Hi Matthias! Ich habe auch eine Mail von besagter Privacy Expertin bekommen und fand die Sache unterm Strich nicht besonders vertrauenswürdig. Weder über YourPrivacyBrands noch über Privado findet man ernsthafte Infos oder eine brauchbare „about“ Seite. Merkwürdige Story auf jeden Fall!

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