Machines like me, bzw. in Deutsch Maschinen wie ich ist ein Buch eines Autors, dessen Name sich wie ein schottischer Zungenbrecher anhört: Ian McEwan. Es passt wunderbar in meine Nerdliteratur-Rubrik. Es beschäftigt sich nämlich mit einer Frage, die jeder literarischen oder auch journalistischen Beschäftigung mit Technologie gut ansteht: Dem Verhältnis von Technologie und Humanität.
Dreiecksbeziehung mit zwei Menschen und einem Androiden
Dieses Verhältnis wird im Buch auf der Ebene einer menschlichen Dreiecksbeziehung erörtert. Das Buch spielt wie Andreas Eschbachs Buch «NSA – Nationales Sicherheits-Amt» in einer Gegend des Multiversums, in der der technische Fortschritt etwas schneller Fuss gefasst hat als bei uns. Bei «Machines like me» liegt es daran, dass der Vater des Computers, Alan Turing, nicht in den Selbstmord getrieben wurde. Er hatte die Chance, seine Arbeit fortzusetzen.
Das hat die Folge, dass der Fortschritt in den 1980er-Jahren schon weiter gediehen ist als bei uns heute. Mobiltelefone sind gang und gäbe und die künstliche Intelligenz ist alltagstauglich. Sie ist ausgereift genug, um autonom agierende Androide zu ermöglichen.
Die sind zwar teuer und nur in einer limitierten Menge erhältlich. Dennoch können sie von Privatpersonen erworben werden. Jene Androide bestehen sogar den adaptierten Turing-Test, indem sie bei Spontan-Begegnungen auf der Strasse nicht als künstliche Lebensform erkennbar sind.
Der Brexit kommt dort noch etwas früher als hier
Die Briten haben, nebenbei bemerkt, auch den Falkland-Krieg verloren. Das ist für die Geschichte zwar nicht relevant. Aber es beeinflusst das Klima, in dem die Erzählung spielt. Es führt auch dazu, dass sich Grossbritannien noch unter Margaret Thatcher von Europa entfernt. Somit kommt in diesem 2019 geschriebenen Buch auch der Brexit früher als in unserem Multiversum.
Charlie, der Ich-Erzähler des Buchs, schafft sich einen solchen Androiden an. Er trägt bezeichnenderweise den Namen Adam, und Charlie beschliesst, dessen Persönlichkeit zusammen mit seiner Nachbarin Miranda festzulegen. Das ist nämlich die Aufgabe des stolzen Besitzers, der es anhand des Fünf-Faktoren-Modells tut.
Zusammen einen Androiden erschaffen
Und natürlich: Auf diese Weise den Charakter zu bestimmen, ist ein wenig, wie gemeinsam ein Kind zu zeugen. Mit dem gewichtigen Unterschied, dass beim natürlichen Zeugungsakt die Einflüsse der Eltern unkontrolliert wirken. Charlie ist sich dieses Aspekts bewusst und er nimmt ihn mit einem angenehmen Gefühl in Kauf. Er hat nämlich ein menschliches und sexuelles Interesse an Miranda. Er will zwar nicht unbedingt ein Kind mit ihr haben, Geschlechtsverkehr aber schon.
Nun ist Adam nicht nur für Passanten auf der Strassen ein akzeptables Mitglied der Gesellschaft. Er weiss sich auch in engere soziale Geflechte einzubringen. Charlie erlebt mit ihm zwar die eine oder andere Irritation. Doch das ist in menschlichen Beziehungen bekanntlich nicht anders. Und auch Miranda kann diesem Adam etwas abgewinnen – sogar genug, um auch einmal mit ihm ins Bett zu steigen. Und ja, um mit Datas Worten zu sprechen: Adam ist fully functional. Das Buch erklärt sogar im Detail, wie eine androide Erektion funktioniert.
Der weitere Verlauf der Geschichte soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Stattdessen erst einmal mein Fazit: «Machines like me» ist kein rasantes High-Tech-Abenteuer, sondern vielmehr eine Studie der zwischenmenschlichen Dynamik, wenn einer von dreien nicht ganz der Norm entspricht.
Zu ausschweifend und etwas blutleer
Mir waren die biografischen Details zu den Hauptfiguren zu ausschweifend. Und ich teile die Ansicht des Kritikers im «The Guardian», der Folgendes schreibt:
Ein weiterer Schwachpunkt sind die langen Erklärpassagen, bei denen man sich kaum vorstellen kann, dass sie tatsächlich von jemandem gesprochen werden. Miranda ist die schlimmste Übeltäterin, aber an anderer Stelle erklärt Turing die Geschichte der KI mit einer Stimme, die mit der des Erzählers identisch ist, die wiederum der von Adam ähnelt. Ein offensichtlicher Sci-Fi-Gag wäre es gewesen, den Roboter den Roman erzählen zu lassen, aber angesichts Charlies Neigung zu blutleerer Denkarbeit vermute ich, dass das Ergebnis nicht viel anders gewesen wäre.
Aber mir gefällt am Buch ausgezeichnet, dass es die künstliche Intelligenz für einmal nicht aus der Sichtweise «Huch, Roboter werden uns alle töten!» aufgreift, sondern Partei für die künstlichen Lebensformen ergreift. Das macht es gut und auf eine sehr menschliche Weise – fast so, als ob Charlie am Ende der Geschichte zugelassen hätte, dass Adam in ihm eine homoerotische Saite zum Klingen bringt.
Wer gerne eine rasante Story den feinen Zwischentönen vorzieht, wird mit dieser Geschichte nicht glücklich. Doch wer ernsthaft an einer Auseinandersetzung mit der Frage interessiert ist, wie wir mit echten, glaubwüdigen künstlichen Lebensformen umgehen würden, der ist mit «Machines like me» gut bedient.
Miranda bringt einen Mann in den Knast
Soweit das Fazit, hier noch ein kurzer Abriss des weiteren Verlaufs, inklusive Spoiler. Die Wendung in der Geschichte hat mit einer Tat zu tun, die Miranda in ihrer Jugend begangen hat. Sie hat einen Mann mit einer Falschaussage vor Gericht und ins Gefängnis gebracht. Das hat sie mit guten Gründen getan: Dieser Mann hat nämlich ihre Freundin vergewaltigt, die daran zerbrochen ist – doch weil sie aus familiären Gründen nicht zur Polizei gehen konnte oder wollte, ist der Mann mit seiner Tat unbelangt geblieben.
Mirandas Idee war nun, ihn dazu zu bringen, sie zu vergewaltigen, und sie hat dabei entsprechend nachgeholfen. Während Charlie dieses Verhalten nicht sehr belastet hat, war Adam nicht bereit, darüber hinwegzusehen. So hat Charlie ihm einen Hammer übergezogen und ihn im Schuppen versteckt. Da Adam seine Aussage schon gemacht hatte, wurde Miranda dadurch nicht von einer Gefängnisstrafe bewahrt. Zur Verschärfung des moralischen Dilemmas gibt es einen kleinen, vernachlässigten Jungen, den Miranda adoptieren wollte, was durch die Gefängnisstrafe natürlich infrage gestellt war.
Wer den Androiden erschlägt, muss keine Strafe fürchten
Einem Androiden mit einem Hammer den Kopf einzuschlagen, ist eine Tat, die nicht gesühnt wird. Denn der Androide ist eine Maschine und persönliches Eigentum, mit dem der Besitzer tun und lassen kann, was er will. Doch es gibt einen Richter im Buch, der Charlie für seine Tat moralisch aburteilt. Das ist Alan Turing, Charlies grosses Vorbild, der seine ganze Verachtung auf Charlie niederprasseln lässt. Daraufhin erkennt Charlie, wie unrecht er Adam getan hat – und wie sehr sein Maschinen-Freund sich angestrengt hat, eine schwer durchschaubare Spezies zu verstehen: Uns Menschen.
Beitragsbild: Das könnte durchaus ein Android sein (Jason Schjerven, Unsplash-Lizenz).