Neulich habe ich die Frage Sind wir verkannte Software-Genies? aufgeworfen und mich auch in der Leserschaft nach interessanten Schweizer Apps erkundigt. Manuel hat mir daraufhin Bexio, PeakFinder und Pflotsh empfohlen.
Bexio scheint mir vor allem mit der dazugehörenden Buchhaltungs-App interessant zu sein. PeakFinder (5 Franken für iPhone und Android) von Fabio Soldati kenne und nutze ich. Aber zugegeben, ich habe dieser App hier im Blog noch nie die gebührende Zuwendung zukommen lassen. Das liegt daran, dass die App einen so grossen Bekanntheitsgrad hat, dass ich niemandem in meinem Publikum etwas Neues zu ihr erzählen kann. (Sollte ich mich damit täuschen, zögert nicht, es mir zu sagen.)
Pflotsh jedenfalls war mir nicht bekannt – und der Name ist grossartig.
Die App-Familie von Jörg Kachelmann
Die App stammt stammt von Jörg Kachelmann, dem man übrigens auf Twitter unbedingt folgen sollte, respektive von dessen Unternehmen Kachelmannwetter, respektive vom Entwickler Andreas Garzotto. Und es handelt sich nicht um eine App, sondern um eine App-Familie. Auf pflotsh.com gibt es Details dazu:
- Storm (fürs iPhone und Android) informiert über Niederschlag und Unwetter.
- Super HD (iPhone/Android) liefert allgemeine Prognosen, speziell für uns hier in Mitteleuropa. Die Pro-Funktionen benötigen ein Abo, das 12 Franken im Jahr kostet.
- ECMWF (iPhone/Android) ist die Pro-App unter den Kachelmann-Wetter-Apps und erfordert ein Abo, das 48 Franken pro Jahr kostet und auch die anderen Apps freischaltet.
- Tropical (iPhone/Android) hilft bei der Beurteilung tropischer Wetterphänomene und kostet 3 Franken pro Jahr.
- Beach (iPhone/Android) richtet sich an Leute, die global Standferien machen und wissen wollen, wann sie surfen gehen können. Das Jahresabo hier beläuft sich auf 7.50 Franken.
- Sail (iPhone/Android) schliesslich hilft Seglern, hart am Wind zu liegen. Auch hier braucht man für den vollen Funktionsumfang ein Jahresabo von 7.50 Franken.
Da ich nun nicht gleich einen Abschluss in Meteorologie nachholen wollte, begnüge ich mich an dieser Stelle erst einmal mit der Haupt-App, nämlich Pflotsh Super HD-App. (Mit Verlaub: Super HD klingt im Zeitalter von 4k und 8k etwas angestaubt.)
Die App wirkt optisch bieder. Damit hat sie einen strategischen Nachteil. Denn wie schon im Beitrag Schlechtes Wetter, schöne Apps festgestellt, gibt es Wetter-Apps, die mit grafischer Opulenz und eindrücklicken Visualisierungen aufwarten. Aber womöglich sollte ich diese Aussage gleich relativieren, damit mir Herr Kachelmann hier nicht klickschlampeske Berichterstattung vorwirft.
Das UX hatte augenscheinlich nicht die oberste Priorität
Und natürlich sollte man diese Aussage auch relativieren: Die Präsentation ist das eine, aber wenn die Ressourcen für die App-Entwicklung beschränkt sind, steckt man sie besser in die Inhalte. Und die wirken – auf einen Laien wie mich – umfangreich und nützlich.
Im Fenster sieht man einen Kartenausschnitt, den man per Finger verschiebt, vergrössert und verkleinert. Tippt man auf das grosse Feld, in dem beim Start Temperatur 2m steht, kann man die Informationsebene wechseln, die über die Karte gelegt wird.
Nebst der Temperatur in zwei Metern stehen, falls ich richtig gezählt habe, 36 weitere Ebenen zur Verfügung, unter anderem Wassertemperatur, Temperatur in Bodennähe, Nullgradgrenze, das signifikante Wetter, Dicke der Wolken, Sonne und Wolken, Niederschlag, Sonnenscheindauer, Luftdruck, Windböen, Schneefall, Schneehöhe, Schneefallgrenze, relative Luftfeuchtigkeit, Taupunkt, Blitzrate, Sichtweite und diverse Pollensorten.
Das ist tatsächlich deutlich mehr, als die typische Meteo-App zu bieten hat. Nutzt man die App ohne Abo, stehen nicht alle Punkte zur Verfügung. Nützlich wäre, wenn man auf den ersten Blick sähe, welche Optionen man zur Verfügung hat – und das nicht durch Antippen herausfinden müsste.
Die Versuche meinerseits geben allerdings zur Vermutung Anlass, dass man als Gratisnutzer nur die Ebene Temperatur 2m zur Auswahl hat. Das wiederum finde ich dürftig: Dann sollte man die App nicht als kostenlos anpreisen, sondern gleich vom Fleck weg klarmachen, dass man den Download bleiben lassen kann, wenn man nicht gewillt ist, zwölf Franken im Jahr dafür zu bezahlen.
Über die Auswahl am unteren Rand wählt man das Datum für die Ansicht. Liegt das Datum ein paar Tage oder Stunden in der Zukunft, erhält man eine Prognose –liegt es zu weit in der Zukunft, erscheint «Keine Daten verfügbar».
Ohne Abo stösst man schnell an Grenzen
Wählt man ein Datum in der Vergangenheit, sieht man die Messwerte. Wie weit zurück die Daten reichen, habe ich nicht herausgefunden, weil die App nach einigen Datumswechseln angefangen hat, einen Dialog einzublenden, der mir das Jahres-Abo für 12 Franken andrehen wollte. Ich würde diesen Dialog erst ein paar Tage nach dem Download anzeigen, weil er einem das erste Ausprobieren erschwert.
Bei der Leiste ganz zu unterst steht Weiter laden (ohne WLAN). Tippt man dort, werden auch die Daten zu früheren und späteren Zeitpunkten geladen. Durch Wischen auf der Leiste per Finger verschiebt man die Ansicht stundenweise vorwärts oder rückwärts.
Die App für Wetter-Nerds
Durch das Herz-Symbol unten links neben der Datumsauswahl speichert man eine Ansicht. Das Symbol rechts davon führt zur Prognose. Und über das Menüsymbol links oben gelangt man zu den weiteren Befehlen: Man kann nach Orten suchen, zwischen dem aktuellen Wetter und der Prognose wechseln oder die Ansicht als GIF exportieren.
Fazit: Pflotsh Super HD ist eine App, die sich für Wetter-Nerds eignet, die für dieses Steckenpferd auch einen Franken pro Monat in diese App investieren.
Für Leute wie mich, die sich mit dem Wetter dann beschäftigen, wenn sie persönlich davon betroffen sind – weil die Notwendigkeit besteht, das Haus zu verlassen –, ist die App nicht die richtige Wahl. Das ist etwas schade. Denn ich vertrete nach wie vor die Ansicht, dass eine App, die im Store mit «Gratis» angeschrieben ist, auch den Gratisnutzern einen gewissen Mehrwert bieten sollte.
Beitragsbild: Pflotsch, wie wir ihn nicht sonderlich lieben (Kent Henderson, Unsplash, Unsplash-Lizenz).
Gratis-App ist halt Apple-Speak. Schlimmer finde ich bei diesen Apps, dass sie keinerlei Offline-Funktionalität haben. Ausserdem gibt es kein Family Sharing, was aber wohl an Apple liegt, weil sich Apple bekanntlich nicht um Familien kümmert. Die Wetterradar-App zum Beispiel ist ziemlich gut, aber wenn man auf einer Wanderung keine oder nur eine schlechte Internet-Verbindung hat, gibt’s null Daten. Ausserdem werden Bugs nicht behoben. So sind in der Wetterradar-App seit Monaten die Wetterstationen weg.
Ein Familien-Sharing gibt es: Käufe aus dem App Store, iTunes Store und aus Apple Books mit der Familienfreigabe teilen
Korrektur: Das Family-Sharing scheint es tatsächlich nur für die Käufe und nicht für die Abos zu geben.
Danke für den Test!
Ich habe den Entwicklern vor einiger Zeit geschrieben, dass ich gerne ein anderes Abomodell hätte. Dass man nicht im Store bezahlt, sondern bei Ihnen. Wie bei Spotify & Co. ja auch. So könnten sie das ganze Geld behalten und ich könnte die App auf dem Android-Smartphone und dem Tablet nutzen. Denn gleich zwei Mal 48 Fr./Jahr wäre schon etwas viel. Zurück kam wenige Minuten später eine Antwort von Herrn Kachelmann persönlich. Das Feature sei geplant, aber es stehe noch kein Termin fest.
Es gibt Wetter-Apps mit besserer Darstellung. Aber bei Kachelmann sind die Daten super. So ein enges Netz an Messstationen wie er haben andere Anbieter nicht. In der kleinräumigen Schweiz mit ihren Tälern bringt ein Raster mit 25km Seitenlänge, wie es andere Anbieter haben, ja eher wenig.
Ein grosser Vorteil ist, dass die App „ehrlich“ und „bescheiden“ ist: es werden die Vorhersagen mehrerer Wettermodelle angezeigt. Unterscheiden sich diese stark, kann man davon ausgehen, dass eine genaue Vorhersage nicht möglich ist. Andere Apps zeigen auch in solchen Situationen ihre Voraussage ohne jeden Selbstzweifel auf mehrere Tage hinaus an.
Noch eine kleine Ergänzung: für 48 Fr./Jahr bekommt man Premium für alle Apps, nicht nur für ECMWF.
Danke für den Kommentar und den Hinweis. Das korrigiere ich im Text.