Selbst mit Tomaten auf den Sehwerkzeugen kommt man nicht um eine Feststellung herum: Diese elektrischen Trottinette sind der neue heisse Scheiss. Denn selbst wenn man Liebesäpfel auf den Augäpfeln hat, stolpert man bald auf jedem Trottoir über eines dieser Dinger…
… kurze Unterbrechung für Nichtschweizer: Trottinette sind die Dinger, die man in Deutschland Kickboard oder Tretroller nennt. Das Trottoir ist der Gehweg.
Also, diese Hipsterteile sind überall. Und nicht nur das: Sie werden auch fleissig benutzt. Die Vertrottinettisierung der Innenstädte ist jedoch noch nicht so weit fortgeschritten wie in Schweden. Als wir diesen Sommer in Stockholm waren, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Form der Fortbewegung dem guten alten Velo (🇩🇪🇦🇹: Fahrrad) den Rang abgelaufen hat. In der Hauptstadt Schwedens war diese neumodische Ausprägung eines fahrbaren Untersatzes dem Drahtesel ungefähr im Verhältnis eins zu fünf überlegen.
Elektro-Trotti-Fahrt statt Spaziergang
Darum wollte ich mich nicht als Hintlerwädler und Fortschrittsverweigerer äussern – und auch einmal eine Runde mit einem solchen Gefährt drehen. Einen unmittelbaren Nutzen für mich sehe ich zwar nicht. Ich bin nach wie vor fleissig dabei, mich zu selbstquantifizieren und täglich auf meine Schritte zu kommen. Da hilft ein Elektrotrotti nicht. Und wenn ich auf die Schnelle eine etwas grössere Distanz zurücklegen muss, dann bleibe ich beim Velo.
Doch geschenkt. Vielleicht komme ich irgendwann in die Verlegenheit, mein Velo nicht in der Nähe zu haben und trotzdem schnell am anderen Ende der Stadt sein zu müssen – wo zufälligerweise gerade kein Bus hinfährt. Und dann wäre dieses Trotti schon praktisch.
Aus der Obike-Pleite gelernt?
Ausserdem hat mich interessiert, ob die Trottinettverleiher aus der Obike-Pleite gelernt haben. Man erinnert sich vielleicht: Vor zwei Jahren überschwemmte ein chinesischer Anbieter halb Europa mit seinen Mietvelos. Auch zu jenem Konzept gehörte das Tracking per GPS, die Ausleihe per App und die mobile Bezahlung.
Doch wie im Beitrag So richtig überzeugend ist das nicht ausgeführt, war die App umständlich und schwer zu benutzen. Man musste eine Kaution hinterlegen und sich mit einem unsinnigen Kreditsystem herumschlagen: Alles viel zu kompliziert.

Ich habe es also mit der Voi-App versucht. Es gibt die fürs iPhone und für Android und man mietet damit die gleichnamigen orangeroten Trottis. Das Unternehmen kommt zufälligerweise aus Stockholm – was vielleicht auch erklärt, dass die Gefährte dort derartig verbreitet sind. Natürlich – es gibt noch andere. Flash und Tier, falls ich mich nicht irre. Und vielleicht sind seit dem Landbote-Artikel im April noch fünf weitere Scooter-Vermieter dazugekommen.
Die Miete klappt reibungslos
Und ich darf feststellen: Im Vergleich zu Obike funktioniert das unkompliziert und reibungslos. Nachdem man die App heruntergeladen hat, muss man nichts mehr weiter tun, als die Verhaltensregeln abzunicken und ein Zahlungsmittel zu hinterlegen. Das kann auch das Paypal-Konto sein. Man muss somit noch nicht einmal seine Kreditkartennummer eintragen.
Dann sucht man sich ein Trotti aus, scannt den QR-Code und entsperrt das Trotti. Nun muss man nur noch kapieren, dass man nicht gleich das Gashebelchen drücken darf, sondern sich erst zwei-, dreimal mit dem Fuss abstossen muss. Das wird eine Sicherheitsmassnahme sein, damit nicht völlig immobile Leute das Gefährt benutzen, die sogleich im hohen Bogen runterfallen würden. Aber auch das findet man heraus, ohne einen Blick in die Anleitung zu werfen.
Das Fahren ist einfach. Selbst wenn die letzte Fahrt mit einem nicht-elektrischen Trottinett Jahrzehnte zurückliegt, sollte man seine erste Tour ohne Blessuren überstehen. Sinnvoll ist sicherlich, es einmal auf freier Strecke zu probieren. Mit den kleinen Rädchen holpert es auf unebener Strasse ein bisschen. Und man kommt mit maximal 15 km/h voran – was etwas schneller ist, als man mit Joggen vorwärts käme.
Ja, ich habe anständig parkiert
Das Beenden der Fahrt ist ebenfalls unkompliziert. Die App will, dass man ein Foto des parkierenden (🇩🇪🇦🇹: geparkten) Trottinetts macht. Ich nehme an, das soll einen dazu bringen, das Gefährt vernünftig abzustellen und in gutem Zustand zurückzulassen. Wie beweiskräftig das im Streitfall wäre, bleibt natürlich dahingestellt.

Fazit: Es macht Spass – und vielleicht spart man gegenüber anderen Fortbewegungsmethoden tatsächlich minim Zeit. Für meinen Geschmack ist das Vergnügen allerdings zu teuer. Ich war sechs Minuten unterwegs und habe gut einen Kilometer zurückgelegt. Dafür waren 2.75 Franken bezahlt. Klar: Einer muss herumgehen und die Trottis auch wieder aufladen.
Kurze Fahrten sind überverhältnismässig teuer
Kurze Fahrten sind verhältnismässig besonders teuer, weil das Entsperren 1 Franken kostet. Danach zahlt man pro Minute 25 Rappen. Was in meinem Fall eigentlich einen Preis von 2.50 Franken ergeben hätte. Meine Frage, warum sieben Minuten verrechnet worden sind, wurde vom Support ruckzuck wie folgt beantwortet:
It may be possible that when you tried to end your ride, it took an extra minute for the phone to connect with your scooter and that’s why you’ve been overcharged, sorry about it! Nevertheless, we have refunded the money and it will be in your bank account within 3-5 business days.
Die Rückzahlung von 25 Rappen kam augenblicklich auf meinem Paypal-Konto an. Nicht dass es mir um 25 Rappen ginge. Aber natürlich stärkt es das Vertrauen, wenn man das Gefühl hat, nicht nebenbei noch um ein paar Rappen geprellt zu werden.
Fahrende Äpfel mit fliegenden Tomaten verglichen
Zurück zu den Preisen: Man kann jedenfalls, über den Daumen gepeilt, mit einen Kilometerpreis von 1 Franken kalkulieren. Das ist teurer als beim Carsharing. Aber ich gebe zu – da vergleiche ich fahrende Äpfel mit kriechenden Tomaten. Oder so.
Beitragsbild: voiscooters.com