Mark ist ein Depp

Automatisch aufgehende Werbefenster haben uns vor zwanzig Jahren das Surfen vermiest. Jetzt ist diese Werbeform wieder en vogue, in Form von Bannern und Elementen, die sich über den eigenen Inhalt schieben. Und auch wenn sog. SEO-Experten meinen, das sei toll, ist es eindeutig: Es nervt und ist eine Sauerei.

Mit einem ziemlichen Erstaunen musste ich als erklärter Trendbanause zur Kenntnis nehmen, dass das Popup wieder in Mode ist. Das Popup! Genau das Ding, was uns vor zehn, fünfzehn Jahren das Surfen verleidet hat.

Damals war es eine aufdringliche Form der Werbung, die mit der amerikanischen Redewendung in your face einleuchtend beschrieben ist: Man bekommt etwas vor den Latz geballert, um das man nicht gebeten hat. Man könnte das auch als Form des Aufmerksamkeitsdiebstahls bezeichnen.

Immerhin: Die Belästigung ist weitgehend gebannt. Einerseits dank Technik: Die modernen Browser unterdrücken Fenster, die sich automatisch öffnen. Was zur Folge hat, dass legitime Popup-Fenster verhindert werden. Aber gut, diese Art von Kollateralschaden ist man sich im Internet gewohnt.

Noch wirksamer als die Blockade im Browser dürfte aber die offizielle Ächtung gewesen sein.  Google hat sich die Coalition for Better Ads ausgedacht, bei der aufdringliche Werber abgestraft werden. Der Chrome-Browser, inzwischen (zu meinem Leidwesen) der Browser mit dem grössten Marktanteil, setzt diese Initiative für die «gute» Werbung inzwischen ungefragt durch. Der Clou ist, dass nicht nur Popups und Konsorten gestoppt werden, sondern alle Werbeelemente. Das heisst: Website-Betreiber, die sich Verfehlungen zuschulden kommen lassen, verlieren die gesamten Werbeeinnahmen, nicht nur die von den aufdringlichen Werbeelementen.

Sieht hier jemand vielleicht einen Interessenskonflikt?

Man kann das natürlich als eklatanten Interessenkonflikt betrachten, der sich da zwischen Google, dem Browser-Hersteller und Google, dem weltgrössten Werbetreibenden auftut. Es gibt Leute, die finden, Google sei heuchlerisch. Ich finde das auch – obwohl ich es begrüsse, dass Google als Werbetreibender sich für Qualitätsstandards einsetzt. Das Problem ist die Machtkonzentration: Der dominante Browser sollte nicht vom wichtigsten Internetkonzern kommen, sondern von einem unabhängigen Entwickler. Wie Mozilla, zum Beispiel. Darum, Leute, benutzt Firefox! Die Politiker ihrerseits sollten Google genau auf die Finger sehen. Und laut über die Zerschlagung nachzudenken, schadet auch nicht.

Äh, ich bin vom Thema abgekommen. Ich wollte mich darüber wundern, dass Popups wieder ein Ding sind. Einerseits als Stores und Restaurant. Pop-up-Verkauf, wie das bei Google heisst. Mir erschliesst sich der Sinn nicht so ganz, da früher Geschäfte auf Langlebigkeit ausgelegt waren. Aber die von Wikipedia aufgezählten Vorteile leuchten ein:

Es entstehen kaum Werbekosten, und übergangsweise leerstehende Verkaufsräume lassen sich preiswert anmieten. Ein Pop-up-Verkauf dient primär dem schnellen, profitablen Warenabsatz, insbesondere für Saisonwaren, und der Imagepflege

Das zweite Revival erleben die Popups wiederum im Web. Nicht als klassisches Werbeinstrument, aber auch nicht weit davon entfernt. Es geht um die Anzeigen, die nicht als separates Fenster erscheinen, sondern als überlagerndes Element. Man nennt die auch Popup-Overlays. Sie wollen einem einen Newsletter, Rabatt- oder Treueprogramme andrehen. Und manchmal betteln sie auch um Facebook-Likes.

Overlay-Elemente werden von sogenannten Experten empfohlen

Dieses Phänomen kommt natürlich nicht aus dem Nichts. Es wird von Leuten gefördert, die behaupten, Experten auf dem Gebiet zu sein. Auch er hier will einem weismachen, das sei eine gute Sache:

Viele dieser Leute wären wohl bereit bei Ihnen einzukaufen, aber sie brauchen einen besonderen Anstoss.

Lieber Mark, du bist … siehe Titel. Ich brauche keinen besonderen Anstoss, sondern will als mündiger Webbenutzer wahrgenommen werden. Macht einfach gute Websites mit interessanten Angeboten, dann komme ich als Nutzer zurück. Ohne äusseren Anstoss, sondern von ganz allein. Der Fachbegriff dafür ist intrinsische Motivation.

Es ist ganz einfach: Popups und Overlays sind nie, unter keinen Umständen und auf gar keinen Fall zulässig. Ich würde nur eine Ausnahme machen. Nämlich dann, wenn in dem Fenster wahrheitsgemäss stehen würde: «Hinter Ihnen steht ein maskierter Mann mit einem riesigen Messer, der drauf und dran ist, Ihnen die Kehle durchzuschneiden. Stehen Sie wie zufällig auf, gehen Sie zur Tür und rennen Sie, so schnell Sie können!»

Die Antwort ist nein.

Damit Mark und seinesgleichen ihre Lektion lernen, sollten wir alle diese Overlays blockieren, sodass sie niemals nie mehr angezeigt werden. Das geht mit der Erweiterung von poperblocker.com, die es für Firefox und Chrome gibt. (Obwohl wir weiter oben gelernt haben, dass man Chrome nicht verwenden sollte – hier gibt es noch weitere Gründe.)

Weniger Belästigung, dafür mehr Datensammelei?

Leider werden in der Datenschutzerklärung recht weitgehende Datensammelaktivitäten angekündigt:

When you install or use the Poper Blocker Product, we collect from you: the type of device, operating system and browsers you are using; the date and time stamp; browsing usage, including visited URLs, clickstream data or web address accessed; TabID; the browser identifier; and your Internet Protocol address (trimmed and hashed so that it cannot be used to identify you).

Darf man den Beteuerungen Glauben schenkt, dass die Daten anonymisiert werden? Schwer zu sagen – mir gehen die Rechte etwas gar weit, sodass ich die Erweiterung nur auf dem Rechner einsetze, an dem ich beruflich recherchiere und es mit den meisten Overlays zu tun bekomme. Privat nutze ich Behind The Overlay, die es für Firefox und Chrome gibt. Diese Erweiterung ist moderater: Sie fügt bei Overlays einen Knopf ein, mit dem man sie zügig schliesst. Diese Erweiterung erfordert keine speziellen Berechtigungen.

Und wenn wir schon dabei sind, installieren wir gleich die Erweiterung I don’t care about cookies. Für Firefox und – da ihr ja offensichtlich nicht auf mich hört – hier auch für Chrome. Und hier ist der Tipp, mit dem man die nervigen Browser-Benachrichtigungen abstellt.

Beitragsbild: «Du brauchst unseren Newsletter!» (Ashish Choudhary/Pixabay, CC0)

One thought on “Mark ist ein Depp

  1. Traurig finde ich irgendwie, dass solche Methoden immer noch Erfolg versprechen. Ich frage mich schon lange, wer denkt „Jetzt bin ich diesen Artikel am lesen und siehe da, ein Overlay schiebt sich über den Inhalt und unterbricht meine Lektüre. Da trage ich mich doch gleich für den Newsletter ein!!!“.

    Nach Coca-Cola und Halloween kommen die nächsten Ami-Trends zu uns: Overlays, Black Friday und ganz mühsam: Gamification. Vorzeigebeispiel Digitec: Ich kaufe etwas, einen Tag später kommen Mails, ich hätte „Erfahrungspunkte“ gesammelt und sei nun „Einkäufer Level 2“ oder so was. Wen interessiert dieser Quatsch? Man bekommt ja sonst schon genug Mails…

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