Als Ergänzung zu den vielen hier getesteten Lightroom-Alternativen eignet sich Exposure X4 hervorragend. Das stammt aus Raleigh, der Hauptstadt des US-Bundesstaates North Carolina und von einem Softwareentwicker mit dem schönen Namen Alien Skin. Den gibt es seit 1993, und das Eye Candy-Plugin ist jedem ein Begriff, der sich irgendwann einmal mit Plugins für Photoshop herumgeschlagen hat.
Exposure X4 kommt entweder als separates Programm oder als Plugin für Photoshop und Lightroom zum Einsatz. Die Software stellt, wie hier in der Featureliste aufgeführt, die üblichen Verwaltungsfunktionen zur Verfügung. In der neuen Version sind die smart collections dazugekommen: Sie suchen anhand von Bewertung, Farmarkierungen, Exif-Daten, Schlagworten etc. die passenden Fotos zusammen.
Vielversprechend klingt auch das Lightroom Migration Tool: Es importiert Metadaten aus Lightroom: Markierungen, Bewertungen, Farblabels. Denn bei all den Lightroom-Alternativen stellt sich immer die Frage, wie man denn den Umstieg bewerkstelligen würde, wenn man Adobes Programm tatsächlich den Rücken kehrt.
Bei der nichtdestruktiven Bildbearbeitung finden die Änderungen in beschreibender Art statt. Und auch wenn die meisten Programme ähnliche Regler anbieten, sind die Bearbeitungsschritte trotzdem abhängig vom Programm und dem Hersteller. Man hat somit die Möglichkeit, die Bilder in entwickelter Form zu exportieren, um sie in der neuen Software zu importieren.
Wählt man diesen Weg, verliert man die Möglichkeit, die Änderungen nachträglich zu bearbeiten oder zur Ursprungsversion zurückzukehren. Man muss für diesen Zweck die Originaldatei aufbewahren – was man natürlich sowieso tun will. Daraus ergibt sich eine unpraktische Zweispurigkeit, und genau die Situation, die die nichtdestruktive Bearbeitungsweise eigentlich vermeiden sollte. Die Alternative wäre, die unbearbeiteten Bilder zu übernehmen und die Bearbeitung in der neuen Software zu wiederholen – so lange, bis es ungefähr so aussieht wie gehabt. Klar, dass dieser Weg sich bei grösseren Bildbeständen wegen des gigantischen Zeitaufwands verbietet.
Es bleibt dabei: Beim Umstieg von Lightroom bleiben Dinge auf der Strecke
An dieser Situation ändert auch das Migration Tool nichts. Es stellt keine Möglichkeit zur Verfügung, die Lightroom-Bearbeitung in Exposure automatisch nachzubilden. Es exportiert die bearbeiteten Bilder gemeinsam mit den Originalen («Lightroom-adjusted images can be exported alongside originals for reference»). Ob das den Umstieg wirklich schmackhafter macht?
Die Programmoberfläche von Exposure orientiert sich nicht nur an Lightroom – sie ist bis in viele Details eine Imitation. Sie ist, wie man es nicht anders erwarten würde, ähnlich aufgeteilt, mit Leisten am linken und rechten, aber auch am oberen und unteren Rand. Einen entscheidenden Unterschied gibt es jedoch: Exposure verwendet keine Aufteilung nach Modulen. Bildverwaltung und -bearbeitung finden ohne Umschalten statt.
Doppeklickt man auf ein Bild, wird es in einer grossen Bearbeitungsansicht im mittleren Bereich geöffnet. Diese Ansicht verlässt man durch Drücken der Esc-Taste auch wieder. Man kann mehrere Bilder aufs Mal bearbeiten, auch wenn man nur ein Bild in der grossen Ansicht geöffnet hat.
Die Bildverwaltung erschliesst sich einem schnell
Kurz zur Bildverwaltung: Die Filterung nach Bewertung, Farbetiketten und Markierungen, die Sortierung nach Dateiname, Aufnahmedatum oder Kameramodell – damit kommt man als Lightroom-Umsteiger sofort zurecht und auch als ungeübter Nutzer wird man schnell verstehen, wie es funktioniert.
Anders als bei Lightroom muss man seine Bilder nicht erst in den Katalog importieren. Man öffnet in der linken Leiste bei Folders den passenden Ordner und erhält die Bilder zu Gesicht. Exposure verwendet aber auch einen Cache für die schnelle Darstellung der Bilder, und entsprechend flink geht die Software ans Werk.

Die Bildbearbeitung findet über die Regler am rechten Rand und via Presets am linken Rand statt. Die Presets, Voreinstellungen, sind in die Gruppen Color und B&W sortiert. Man kann auch alle aufs Mal anzeigen lassen und Favoriten bestimmen. Es gibt jeweils Untergruppen, insgesamt über den Daumen gepeilt zwei Dutzend mit jeweils einer beachtlichen Zahl einzelner Vorgaben.
Über die Kategorien kann man streiten – wie sich Color Films Aged und Color Films Vintage unterscheiden, findet man nur durch nähere Inspektion heraus. Das Angebot jedenfalls ist umfangreich und die Qualität scheint auch zu stimmen. Besonders gut gefällt, dass die Presets der geöffneten Kategorien die Voransicht des gerade geladenen Bildes zeigen: So findet man sehr schnell heraus, was passen könnte.
Die Benutzerführung ist nicht immer logisch
Die Leiste am rechten Rand hält zu oberst die Kategorie Transform mit Funktionen zum Drehen und Kippen bereit – warum die noch vor den Basic-Werkzeugen steht, hat sich mir nicht erschlossen. Hier sind die weiteren Werkzeuge:
- Bei Basic verändert man Farbtemperatur und Tint (Tonung), Belichtung und Kontrast, Spitzlichter und Tiefen, Lebendigkeit, Klarheit und Sättigung. Bei Details schärft man das Bild und rechnet Bildrauschen weg.
- Color enthält sehr umfangreiche Regler für die Teiltonung: Man kann einzelne Farbbereiche in der Helligkeit, Sättigung und Tonung verändern und Farbfilter dazuschalten.
- Tone Curve stellt eine Gradationskurve mit Einstellungsmöglichkeiten für jeden Kanal zur Verfügung. Beim Split Toning färbt man Bereiche im Histogramm separat ein.
- Vignette kann die Ränder abdunkeln oder aufhellen, aber auch verzerren – das ist ein Effekt, den man so nicht allzu oft gesehen hat. Da hat man wirklich das Gefühl, es sei mit einem Billigst-Objektivs fotografiert worden!
- Overlays legt Elemente übers Bild: Bei Borders sind das Rahmen, bei Light Effects künstliche Lichteffekte wie Flammen, Lichtlecks, Sonnen-, oder Linsenflecken und bei Texture Muster: Staub, Papier, Kratzer und ähnliche analoge Bildstörungen.
- Bei Focus schärft man das Bild. Alternativ kann man es auch weichzeichnen.
- Grain legt ein simuliertes fotografisches Korn aufs Motiv.
- Lens Correction rechnet Objektivverzerrungen weg. Es gibt eine beachtliche Auswahl an Profilen, auch zu Herstellern wie Gopro, die man in anderen Programmen vergeblich sucht.
- IR erzeugt eine Pseudo-Infrarotaufnahme.
- Bokeh legt künstliche Lichtflecken ins Bild.
- Metadata ist dazu da, das Bild mit Schlagworten, eine Bildlegende und Beschreibung und einem Copyright-Hinweis zu versehen. Man kann auch das Aufnahmedatum anpassen.
- Man kann das Bild über das Crop and Rotate-Symbol unterhalb der Ebenenselektion auch zuschneiden und neu ausrichten.
Bleibt die Frage nach den lokalen Anpassungsmöglichkeiten – denn wie sich in dieser Artikelserie zeigt, entscheidet sie oft darüber, was von einem RAW-Entwickler zu halten ist. Exposure stellt für Bereichskorrekturen Ebenen zur Verfügung. Man kann sämtliche Korrekturmöglichkeiten über Ebenen und Masken auf Teile des Bildes anwenden. Zur Maskierung gibt es mehrere Pinsel, radiale und lineare Verläufe und einen Radiergummi.
Man hat auch ein Retuschewerkzeug zum Klonen von Regionen zur Verfügung. Mit anderen Worten: Es ist alles da, was man braucht – und über die Ebenen stehen in Exposure alle Bearbeitungsfunktionen zur Verfügung, nicht nur die kleine Auswahl, die Lightroom bei Verlaufsfilter und Radialfilter zur Verfügung stellt. Auch diesbezüglich ist Exposure eine echte Empfehlung.
Hoffnungen nicht erfüllt
Fazit: Das Lightroom Migration Tool weckt vermutlich Hoffnungen, die das Produkt nicht erfüllen kann. Trotzdem, Alien Skin eine gute Wahl, wenn es um RAW-Converter geht. Der Preis von 149 US-Dollar (99 Dollar fürs Update) ist nicht am günstigsten Ende angesiedelt, aber die langjährige Erfahrung des Herstellers und die teils exklusiven Funktionen rechtfertigen das allemal: Exposure arbeitet schnell und stellt spannende Funktionen zur Verfügung. Die Verzerrungsvignetten, die vielfältigen Overlays, die Texturen, das künstliche Bokeh: Das hat man bei anderen Programmen so nicht gesehen. Kritisieren muss ich den sehr langsamen Export.
Trotzdem: Wenn ich mich nach meiner ausführlichen Testreihe für einen Kandidaten entscheiden müsste, dann wäre Exposure von Alien Skin in der Pole-Position.