Digitaler Kaffeesatz

Ich tue etwas Unsinniges: Ich teste Apps, die behaupten, die Zukunft weissagen zu können. Und vermutlich wisst ihr schon vor der Lektüre dieses Blogposts, was am Ende über Fortunica, Time Passages und Klassisches Tarot Lite für ein Fazit stehen wird.

Als Blogger muss man sich auch mal die Finger dreckig machen. In meinem Fall bedeutet das, dass ich wissen will, welches die beste Wahrsager-App ist. Nun ist das natürlich ein Widerspruch in sich, da ich nicht an Esoterik glaube und der festen Meinung bin, damit man die Zukunft erlebt haben muss, um sie vorhersagen zu können.

Mit gutem Grund, denn der Track Record der Gilde der Weissager und Astronomen ist bekanntlich mehr als durchzogen. Doch man stellt sich die Frage: Machen es die Apps wenigstens charmant? Bringen sie einen in Stimmung, die Sterne oder Karten lesen zu wollen. Denn wenn die Information nichts taugt, muss die Präsentation umso besser sein.

Fortunica

Erster Versuch, Fortunica. Die gibt es für Android und fürs iPhone. Beim Klick aufs Menü gibt es in rotierender Abfolge ein tägliches, wöchentliches und monatliches Horoskop. Das macht sich noch nicht einmal die Mühe, nach dem Sternzeichen des Nutzers zu fragen. Man muss das in der Liste selbst heraussuchen.  Die Horoskope umfassen zwei, drei Sätze von maximaler Banalität: «Mach im Job nur das Dringendste, das stellt den Chef zufrieden. Gönn dir dann einen frühen Feierabend – mit dem Schatz.» Das ist nicht eindrücklicher als was die Gratiszeitung zu bieten hat.

Die Sache wird sehr schnell sehr teuer

Eigentlich geht es darum, den Beratern, also Leute wie Mike Shiva, Fragen zu stellen. Und da steckt ein offensichtliches monetäres Interesse dahinter. Man muss nämlich Zahlen. Private Fragen kosten normalerweise drei Franken pro Stück, mit Vergünstigungsmöglichkeiten: fünfzig Fragen schlagen mit 120 statt 150 Franken zu Buch. Es gibt auch die sogenannten «Live-Fragen». Auf die erhält man für zwei Franken pro Stück so schnell als möglich eine Antwort. Bei den anderen muss man warten, bis der angesprochene Berater sich etwas ausgedacht hat.

Klaus? Klaauuuuussss?!

Beim «Zeitstrahl» kann man sich Fragen und Antworten ansehen. Ein Beispiel: «Wird Klaus sich bei mir melden?» fragt eine Frau? Antwort von Sandra, hellsichtig, hellfühlig und kartenlegend: «Gerne habe ich mir das einmal mithilfe meiner Karten angesehen. Ich habe zwischen dir und Klaus derzeit eigentlich keine tiefere Verbindung angezeigt (sic). Eine sicherer Meldung (sic) hat er dementsprechend auch leider noch nicht im Kopf. Die Tendenz zeigt hier leider keine Meldung in nächster Zeit. Wie steht ihr denn zueinander?»

Müssten das die Karten nicht aufzeigen? Und ist die Beantwortung einer Gegenfrage kostenlos? Fragen über Fragen, bei denen ich mich doch mal als Hellseher probieren könnte. Also, liebe Karten, was meint ihr…? Ihre Antwort wird euch wahrscheinlich nicht überraschen: Nein, natürlich nicht gratis. Auch das kostet wieder mindestens zwei Franken.

Also, ohne Räucherstäbchen und Kristallkugel ist das nix!

Time Passages

Sexy ist irgendwie anders.

Zweiter Versuch: Time Passages, iPhone. Man berechnet hier unter Angabe von Geburtsort, -tag und -zeit ein Geburtshoroskop in Form eines Kreises mit Linien, die nicht weiter erklärt werden. Aber es sieht wissenschaftlich aus.

Hier kann man kostenlos doch einige Dinge abfragen: Neptun im Schützen? Charmante Person mit ernsthafter Natur. Mars im zweiten Haus: Du bist stur wie ein Maulesel. Pluto in Jungfrau? Ein Tagträumer. Saturn im Stier? Eine angenehme Person mit viel Ausdauer. Merkur im Tierkreiszeichen des Schützen? Idealistisch und mit fehlender Konzentration. Ferner auch: Harmoniesüchtig und gleichzeitig ein gnadenloser Kommunikator (Mercury in strong square with Pluto, was immer das heisst).

An meiner Widersprüchlichkeit sind die Sterne schuld

Man sieht, wenn ich eine widersprüchliche Person bin, dann liegt das nur an den Sternen. Und natürlich kann man sich aus all diesen Aspekten genau die heraussuchen, die man selbst an sich feststellt oder gerne feststellen würde. Der gute alte Bestätigungsfehler (confirmation bias). Die App macht sich jedenfalls nicht die Mühe, die vielen Einzelbeobachtungen zu einem einigermassen konsistenten Persönlichkeitsprofil zusammenzustricken. Dabei wäre natürlich überhaupt kein Problem, wenn hier nicht einfach Standard-Textblöcke aneinandergereiht würden.

Es gibt Tageshoroskope, die ähnlich ausführlich und genauso widersprüchlich sind. Und man kann sich mit anderen Leuten vergleichen, was ich aber nicht getan habe, weil das einen In-App-Kauf von einem Franken nach sich gezogen hätte.

Immerhin: Man bekommt gratis relativ viele Informationen, die allerdings maximal unattraktiv als einzelne Bausteine andeindergereiht sind. Fazit: Da glaube ich doch lieber an mein koreanisches Sternzeichen. Da bin ich nämlich ein Schweinchen, was eine wunderbare Ausrede für jegliche Ferkelei ist.

Klassisches Tarot Lite

Die Botschaft ist klar.

Drittens: Eigentlich hat mich jegliche Lust längst verlassen, noch weiter solche Apps zu testen. Aber aufs Geratewohl versuche ich es mit Klassisches Tarot Lite (iPhone): Da ziehe ich die Päpstin (geheimes Wissen, tiefe Reflexion), den Tod (wichtige Veränderung, Bruch mit der Vergangenheit), den Eremiten in der Mitte (Geduld, Ausdauer), den Narren (ungünstig, Instabilität) und den Gehängten (seinem Leben neuen Sinn geben).

Und ich verstehe die Botschaft sofort: «Geduld und Ausdauer bringen nichts, du bist ein Narr und solltest geheimes Wissen anzapfen, um einen Bruch mit der Vergangenheit herbeizuführen und deinem Leben einen neuen Sinn zu geben.» Sprich:

Teste endlich eine vernünftige App!!!!!

Beitragsbild: Oleg Magni/Pexels, CC0

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