In meiner Eigenschaft als Tipps-Redaktor von Publisher.ch habe ich das Vergnügen, während der Arbeitszeit Blogs aus den Bereichen Gestaltung, Fotografie, Design und Kreativität lesen zu dürfen. Eine spezielle Vorliebe habe ich für Typografie-Blogs entwickelt. Wie schon früher erwähnt: Ich verstehe zwar nichts von Typografie, aber ich mag sie trotzdem.
Ein Blog, das ich mag ist typefacts.com: Da wird über Leute hergezogen, die die falschen Anführungszeichen machen. Zwischenfrage: Wieso verwenden grosse Verlagshäuser wie Spiegel auf der Webseite eigentlich die Zollzeichen (im Blog «doppelten Kodierungszeichen» genannt) und im gedruckten Magazin die typografisch einwandfreien Gänsefüsschen? Auch andere machen das, die «Süddeutsche» zum Beispiel. Ist das mit typografischem Understatement ausgedrückte Abneigung gegenüber dem Medium Internet? Zwischenfrage Ende.
Die Sache mit dem Apostroph – wirklich so schwer zu begreifen?
Typefacts versucht, den Leuten auch die Sache mit dem Apostroph zu erklären; etwas, das auch ich schon probiert habe, ohne dass die ignorant auf der Tastatur herumhämmernde Mehrheit ihre Ach-egal-irgend-ein-Häkchen-tuts-schon-Haltung aufgegeben hätte. Mit dem Deppenleerzeichen will ich jetzt gar nicht erst anfangen – obwohl ich mir bei dem immerhin erklären kann, woher es kommt: Von der Autokorrektur, nämlich. Gibt man am Handy ein zusammengesetztes Wort ein, dann muss man den zweiten Teil selbst tippen, weil die in Amiland erfundenen Algorithmen halt keine Komposita kennen(*). Macht man hingegen ein Leerzeichen dazwischen, kann man auch das zweite Wort per Software vervollständigen – aber halt zum Preis, dass man wie ein Trottel rüberkommt.
Ja, ich bin, was das angeht, ein konservativer Sturkopf: Wer ins Internet schreibt, sollte die grundlegenden Regeln kennen und sie anwenden. Zeichen haben ihre Bedeutung, und das ist gut so. Ich mag drum auch die Kleinschreibung nicht, egal ob konsequent oder nur gemässigt. Das ist kein Nonkonformismus, sondern einfach nur Faulheit.
Ähm, ich bin unschuldig!
… und wer jetzt einwendet, dass ich hochgradig scheinheilig sei, weil ich hier im Blog viele Orthografie- und Grammatikfehler produzieren würde, dem entgegne ich, dass es da einen grossen Unterschied gibt. Die einen Fehler entstehen aufgrund von Flüchtigkeit und Fehlen eines Korrektorats. Die anderen aufgrund von Faulheit und Ignoranz. Klar, es könnte viel einfacher sein, manche Zeichen wie den Gedankenstrich oder die Guillemets einzutippen. Aber wenn man darauf wert legt, dann findet man, zum Beispiel hier im Blog, Mittel und Wege, wie es einfacher geht (hier und hier und hier).
Äh, aber ich bin völlig vom Thema abgekommen. Dies sollte keine Tirade werden, sondern ein kurzer Tipp zu Typefacts. Aber immerhin versteht ihr inzwischen, weswegen ich alle als Verbündete betrachte, die in dieser Sache Aufklärung betreiben.
Das scharfe S, jetzt auch in Gross
Die Website von Christoph Koeberlin und zwei Mitstreitern erklärt uns auch, dass es das ß jetzt auch in Gross gibt: Eine der raren Gelegenheiten, wo Typografie-Blogs «Breaking News» vermelden können – und eine der wenigen Gelegenheiten, wo es eine solche Meldung sogar in die grossen Medien schafft. (Zum Beispiel auf spiegel.de zu jenen Deppen, die nicht einmal richtige Anführungszeichen schreiben können.)
Besonders nett fand ich den Beitrag Schöner twittern : Er erklärt, was man mit Unicode alles für Schabernack treiben kann. Man kann sich zum Beispiel selbst zensurieren (Du alter █████!), Twitterschach spielen (♘ auf C7!), sich Hintertüren offen halten (☐ Ja – ☐ Nein – ☑ Vielleicht) und vieles mehr – weitere Beispiele gibt es im Beitrag, plus eine Aufstellung mit vielen praktischen Unicode-Zeichen, die für derartigen Typo-Humor praktisch sein könnten. Denn Emoji kann jeder. Da darf es als hochstehend gelten, statt 🤣 auch mal 𝔗𝔯𝔬𝔩𝔩 zu verkünden.
«Drück mal die ⌫-Taste»
Zum Beispiel: ⌫. Ich warte schon auf die Gelegenheit, wo ich einem dieser 𝔗𝔴𝔦𝔱𝔱𝔢𝔯-𝔗𝔯𝔬𝔩𝔩𝔢 etwas in der Art wie «Hey, drück mal die ⌫-Taste» schreiben kann…
Also: Ein grosser Tipp, mit etwas Kritik: Nämlich, dass Christoph Koeberlin in letzter Zeit nur sehr wenig gebloggt hat.
PS: Der Titel hiess erst «Emojis sind für Noobs», aber dann habe ich mir den fürs Patentrezept von letztem Sonntag ausgeliehen.