Tracker von der Schiene werfen

Die Datensammelei im Netz ist eine echte Landplage. Zum Glück ist man ihr nicht komplett ausgeliefert: Vier Methoden, wie man sich schützt – von moderat bis radikal.


Von moderat bis paranoid: Vier Methoden, sich online zu schützen.

Das Tracking ist so eine Sache, bei der man als Journalist und Webpublizist zu einer differenzierten Haltung gezwungen wird. Man kann es nicht in Bausch und Bogen verdammen, wenn man selbst für Medien arbeitet, die Daten über die Besucher erheben. Und wenn man (wie ich hier) eine Website mit Werbung betreibt, muss man sich seiner Doppelrolle bewusst sein. Ich habe ein Bein auf jeder Seite: Eines steht im Lager der Nutzer, die möglichst wenig getrackt werden wollen. Und das andere macht gemeinsame Sache mit Google. (Falls ein Bein gemeinsame Sache mit einem Internetkonzern machen kann.)

Das ist ein klassisches Dilemma. Aber es ist auch die ideale Voraussetzung für eine differenzierte Haltung.

Für jedes Bedürfnis das passende Schutzkonzept

Deswegen verkünde ich im aktuellen Video nicht die Patentlösung für alle, sondern einen gestaffelten Ansatz: Vier Methoden für unterschiedliche Bedürfnisse:

  • Die sichere Browser-Konfiguration
  • Die schwarze Liste: Erweiterungen wie Ghostery
  • Die weisse Liste: Erweiterungen wie Noscript
  • Die grossen Geschütze, VPN und Tor

Man kann sich für eine dieser Strategeien entscheiden. Oder man kann sie alle verwenden, wenn es gerade opportun erscheint. Ich selbst nutze je nach Situation drei der vier Massnahmen: Im normalen Alltag verwende ich Stufe 1: Ich bin ich mit Firefox unterwegs, den ich gemäss dem Video konfiguriert habe. Mit dem neuen Schutz vor Aktivitätenverfolgung werden zum Beispiel Facebook-Buttons auf vielen Websites blockiert (Stufe 2). Die vierte Stufe, das VPN oder Tor, nutze ich von Fall zu Fall.

Die Stufe 3 hat sich bei mir als nicht praktikabel erwiesen. Mir ist der administrative Aufwand zu gross, der mit Noscript anfällt: Weil man hier erst einmal alle aktiven Inhalte blockiert, muss man während des Surfens Ausnahmegenehmigungen erteilen, wenn Websites nicht wie erwartet richtig funktionieren. Viele Websites verwenden aber enorme Anzahl von Drittkomponenten, sodass das das in echte Arbeit ausartet.

Das gezielte Zulassen und Blockieren macht viel Arbeit

Der Vorteil ist, dass man genau so viel von sich preisgibt, wie es für die persönliche Webnutzung nötig ist. Der Nachteil überwiegt aber – nämlich, dass man viel Zeit damit verbringt herauszufinden, welchen Komponenten man den «Trusted»-Status einräumen muss, damit eine Website wunschgemäss funktioniert.

Ghostery lässt einen gezielt Module abschalten.

Und eine individuelle Sache ist auch, ob man die Werbung zulassen möchte oder nicht. Wegen meines zweiten Beins mache ich das, so lange die Werbung nicht wirklich lästig ist. Aber da gibt es auch Leute, die es anders sehen. Ein Mann hat den Artikel beim Tagi wie folgt kommentiert:

«Mit Ghostery haben Sie auch die Möglichkeit, häufig genutzte Websites ohne Blockierung anzuzeigen und insbesondere auch die Werbung unangetastet zu lassen – die Betreiber, die auf die Werbeeinnahmen angewiesen sind, werden es Ihnen danken.»
Sagen wir es mal so: Würde sich die Zeitung um Journalismus bemühen, könnte man darüber reden.

Das ist natürlich polemisch gemeint und mir liegt die Replik auf meiner (Journalisten-)Zunge, dass die allermeisten meiner Kollegen genau das tagein tagaus tun. Abgesehen davon, dass es schwierig ist, den Beweis zu erbringen, wenn einem die Webnutzer erst einmal den Geldhahn zudrehen. Wie sollen wir so ganz ohne Einnahmen grossartige Vorleistungen erbringen?

Heutige Websites sind oft extrem überladen

Aber gut, wer (wie wir Journalisten) austeilt, muss auch einstecken können. Jedenfalls sollten wir Inhaltsanbieter erkennen, dass die typische Website heute einfach viel zu überladen ist und viel zu viel Drittkomponenten integriert hat. Aufräumen, entschlacken und abspecken wäre dringend nötig – dann hätten unsere Besucher auch weniger den Drang, selbst für Ordnung zu sorgen. Natürlich liegt auch bei den Content Management-Systemen viel im Argen. Aber wir sind es schliesslich, die immer noch einen draufsatteln.

Wenn ich jemals dazu komme, clickomania.ch zu modernisieren, dann wird das ein wichtiges Thema sein. Versprochen!

3 Kommentare zu «Tracker von der Schiene werfen»

  1. Es ist ein Teufelskreis mit der Werbung: zuerst sind einige Anbieter zu gierig geworden und haben Werbung geschaltet, welche die Benutzer vergrault hat: Pop-Ups. Dann kamen die Browser mit Pop-Up-Blockern. Also hat man die Pop-Ups als Overlay umgesetzt. Dann kamen die Ad Blocker.

    Da immer mehr Leute einen Ad Blocker verwenden, müssen die Werbeeinnahmen von den restlichen Besuchern kommen. Also noch nervigere Werbung. Teilweise muss man die Artikel zwischen der Werbung suchen. Bei vielen Seiten ist der nachgeladene Inhalt (Tracker-Scripts, Werbebanner etc.) ein Vielfaches grösser als der Artikel.

    Man müsste nochmals neu beginnen: mit nicht nervender Werbung. clickomania.ch ist ein gutes Beispiel: die Werbung ist am Rand und fliegt nicht plötzlich über den Bildschirm. So würden vielleicht mehr Leute den Ad Blocker deaktivieren.

    Leider versucht es die Industrie aktuell lieber mit Ad-Blocker-Blockern, für welche es dann Ad-Blocker-Blocker-Blocker gibt…

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