Einen fetten Daumen nach unten für Chip.de

Wenn man Shareware von Chip.de herunterlädt, bekommt man mehr, als man wollte. Das deutsche Computermagazin jubelt Nutzern Softwarebundles unter – und eine Anwendung, die offenbar dauerhaft im Hintergrund läuft.

Heute muss ich ein Hühnchen mit den Kollegen von Chip.de rupfen. Ich lese deren Magazine gerne. Aus Gründen als E-Paper (zum Glück gibt es Chip inzwischen wieder als PDF).

Wenn einer ungefragt an deinem Gerät rummacht¹. (Bild: gratisography/Pexels.com, CC0)

Die Website unter Chip.de finde ich ziemlich grauenvoll. Die exerziert vor, wie eine Qualitätsmarke in einem klickgetriebenen Markt den Bach runtergeht: Clickbaiting, nervige In-Text-Werbung und ein Layout, das an Unübersichtlichkeit nicht zu übertreffen ist. Plus die seltsame Rubrik «Chip zu Hause» mit Themen wie «Ist Fisch gesund?» oder «Bunte Tattoos: Sind sie schädlicher als schwarze Tattoos?» Klar, solche Themen schaltet man, um die Leser möglichst im eigenen Medienverbund zu halten. Aber aus Sicht des Lesers nerven sie ganz massiv².

Was tut dieser Chip 1 Click Installer?

Aber darum geht es nicht. Sondern um ein Programm, das ich neulich auf meinem Computer im Taskmanager gefunden habe. Es heisst Chip 1 Click Installer und wirft viele Fragen auf. Zuerst einmal die: Ist es wirklich von Chip.de? Das lässt sich gar nicht so einfach beurteilen, da die Anwendung keinen offensichtlichen Zweck hat und auch kein Ikönchen aufweist, das sie klar identifizieren würde. Allerdings wird in den Eigenschaften unter Copyright und im Ordnernamen «Chip Digital GmbH» angegeben. Und das ist gemäss Impressum hier der Herausgeber der Webseite chip.de.

Was tut dieses Ding auf meinem Computer?

Was mich nun an diesem Programm stört, ist, dass es ohne mein Wissen und ohne mein explizites Zutun installiert wurde. Es mag sein, dass ich de iure die Zustimmung gegeben habe, als mir ein Installationsprogramm Nutzungsbedingungen präsentiert hat, die ich nicht gelesen habe. Ich habe neulich tatsächlich Software von Chip heruntergeladen. Nämlich als ich den hier vorgestellten Bitbox-Browser getestet habe. Wie im Tagi erwähnt, hat der Download von der Original-Website nicht geklappt, er brach immer bei genau hundert MB ab. Um ihn trotzdem ausprobieren zu können, musste ich auf Chip.de ausweichen.

Ein Windows-Dienst von Chip.de?

Wie der Screenshot zeigt, ist das Programm nicht einfach nur auf der Festplatte vorhanden. Es installiert sich als Windows-Dienst, der ständig aktiv ist. Was er tut, weiss man nicht. Theoretisch kann er eine ganze Menge tun: Er könnte den Computer nach interessanten Daten durchsuchen, Nutzeraktivitäten beobachten und beliebige Manipulationen am System vornehmen. Ich sage nicht, dass der Chip 1 Click Installer das tut. Ich halte das für unwahrscheinlich. Aber da es im Programmverzeichnis nicht einmal eine simple Readme-Datei gibt, weiss man es als Nutzer eben nicht.

Und etwas ist klar: Jedes Programm, das läuft, ist ein potenzieller Angriffspunkt und damit ein Sicherheitsrisiko – das hat letztes Jahr der CCleaner-Fall vor Augen geführt. Und jedes Programm, das als Dienst läuft, verbraucht Systemressourcen. Daher sollte man vor der Installation eine explizite Zustimmung des Nutzers einholen und einen Dienst nur dann einrichten, wenn zwingende und dringliche Gründe dafür sprechen.

Das ist ein Risiko für die Sicherheit und die Stabilität

Denn es gilt: So viele Windows-Dienste wie nötig, so wenige wie möglich. Denn, um es nochmals klar zu sagen: Jeder einzelne Dienst ist ein Sicherheitsrisiko. Und jeder einzelne Dienst kann die Stabilität des Systems gefährden, weil die Wahrscheinlichkeit von Systemkonflikten ansteigt.

Wie wäre es mit einer Readme-Datei?

Wenn man nun mutmasst, wozu dieser Chip 1 Click Installer gut ist, dann drängt sich die Vermutung auf, dass er mit dem Secured Installer zu tun hat. Allerdings würde dann Chip in den FAQ zum Chip Secured Installer schlicht lügen. Da heisst es nämlich zur Frage «Welche Rückstände hinterlässt der Chip-Installer auf meinem Rechner?»:

Abgesehen von der heruntergeladenen Datei hält sich der CHIP-Installer an die Windows-Standards: Temporäre Dateien werden in den Windows-Temp-Ordner gelegt, welchen ihr über die Datenträgerbereinigung wie gewohnt leeren könnt. Zusätzlich werden zur internen Optimierung einige Registryschlüssel abgelegt. Sie verbrauchen weder nennenswerten Speicherplatz, noch beeinträchtigen sie die Performance des PCs.

Denn einen Dienst zu unterschlagen, ist IMHO gelogen.

Wie auch immer. Was der Chip-Installer genau tut, ist im FAQ auch nicht erklärt. Er bietet einem bei Downloads zusätzliche Programme an, bündelt sie also. Wer mich kennt, weiss, dass ich das nicht mag. Ich habe in den Beiträgen Nieder mit den Software-Bundles und Softwaremist fernhalten dagegen angeschrieben.

«Ein Weg zur Monetarisierung»

Chip.de begründet den Einsatz dieses Installers wie folgt:

Chip Online ist ein kostenloses Angebot, das sich fast ausschliesslich über Werbung finanziert. Um redaktionell hochwertige Inhalte, Testberichte und vieles mehr anbieten zu können, beschäftigen wir über 200 Mitarbeiter. Diese müssen bezahlt werden. «Bundling-Empfehlungen» innerhalb des CHIP-Installers sind hierbei ein Weg zur Monetarisierung bzw. Finanzierung.

Das stimmt natürlich – aber es geht nicht zusammen mit dem Anspruch, die Interessen des Publikums zu vertreten. Denn Softwarebundles sind eine anrüchige Sache, und wer sie betreibt, muss zu Recht einen Reputationsschaden hinnehmen. Man kann nicht «Praxistipps» geben, in denen man erklärt, wie die Nutzer ihre Computer sauberhalten und ihnen gleichzeitig Software unterjubeln – denn bei den gebündelten Programmen ist immer die Hoffnung, dass sich der Leser nicht so genau hinsieht und etwas installiert, was er gar nicht wollte. Auch wenn Chip im FAQ das Gegenteil behauptet:

Wir liefern den CHIP-Installer nur bei redaktionell einwandfrei geprüfter Software aus. Auf diese Weise erhält der Nutzer ein gewohnt professionelles, aber auch einfacher zu bedienendes Umfeld.

Der Clou für ein stabil laufendes Betriebssystem ist nun einmal, dass man nur die nötige Software installiert und nicht Dinge, die irgend eine Redaktion als «einwandfrei geprüft» erachtet. Fazit für mich: Ich werde Chip.de nach Kräften meiden. Den Downloadbereich werde ich nur noch nutzen, wenn es absolut unvermeidlich ist und Software ansonsten immer von der Website des Herstellers laden. (Das ist generell eine hervorragende Idee, auch wenn Leute wie Adobe ihre Original-Software selbst mit unnötigem Quatsch bündeln.) Und ich zeige den Chip-Leuten hier einen fetten Daumen nach unten: 👎

Und einen Tipp für Microsoft hätte ich noch.

Chip hat keine Stellung genommen

Übrigens: Ich habe Chip.de via Twitter um eine Stellungnahme gebeten – bislang ohne Erfolg. Zugegeben – die Aufforderung war etwas offensiv formuliert. Aber wer solche Programme installiert, muss sich Fragen gefallen lassen. Sie einfach zu ignorieren, wirft ein miserables Licht auf die Sache. Wenn das Programm auch für den Nutzer eine sinnvolle Leistung erbringt, dann wäre es kein Problem, dazu Auskunft zu geben. So verstärkt sich der Eindruck, dass Chip.de lieber nicht über seine Praktiken reden möchte.

Ein Hinweis in eigener Sache (bevor jemand fragt)

Ich hatte anfänglich ein anderes Bild in diesem Beitrag platziert, nämlich das unten. Ich hatte aber den Eindruck, dass man das als rassistisch hätte interpretieren können, weil ich den dunkelhäutigen jungen Mann mit meiner Legende in einen kriminellen Kontext rücke. Weil das nicht meine Absicht ist, habe ich es ausgetauscht. Man könnte hier nun wieder das alte Fass mit der Political Correctness aufmachen. Ich hätte mich früher auch auf den Standpunkt gestellt, dass es nicht rassistisch ist, wenn ich es nicht rassistisch meine. Heute bin ich der Ansicht, dass es besser ist, auch den Anschein zu vermeiden, weil viele nur drauf warten, solche Bilder und Situationen misszuverstehen.

Wenn einer ungefragt an deinem Gerät rummacht. (Bild: Fancycrave/Pexels.com, CC0)

Fussnoten

1) Wobei er hier sicher im Auftrag des Besitzers arbeitet. Symbolbild, halt.

2) Mir ist bewusst, dass man mir an dieser Stelle Scheinheiligkeit unterstellen könnte, weil ich selbst für ein Medienunternehmen arbeite, das ebenfalls weiss, wie man Geld im Netz verdient. Doch das können Aussenstehende besser kritisch beurteilen als ich. Und es gibt auch graduelle Unterschiede – und da finde ich den Mix aus Information und Ballast bei Chip.de eben besonders schlecht.

One thought on “Einen fetten Daumen nach unten für Chip.de

  1. Ich frage mich wie man den Chip-1-click installer gut entfernen kann – ich hab ihn irgendwann einmal unter meinen Programmen entdeckt und konnte unter Windows nicht auf “Deinstallieren” klicken – hab die Verzeichnisse dann manuell gelöscht und trotzdem wird er mir noch unter meinen Apps in Windows10 angezeigt – dabei gibt es nichtmal in der Registry unter HKEY_LOCAL_MACHINESOFTWAREMicrosoftWindowsCurrentVersionUninstall einen Eintrag von ihm.

    Und wenn man schaut ob man ihn nochmal downloaden kann um ihn besser zu entfernen findet man direkt auch nichts ^^’

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