Bitte trollen!

Auf grossen Sites wird man mit Umfragen zu Inhalten, Präsentation und Navigation konfrontiert. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, vernichtende Urteile abzugeben – um festzustellen, dass sich davon niemand aus der Ruhe bringen lässt.

Seit Jahren ist eine meiner geheimen Leidenschaften, jeden zu trollen, der mir im Web eine dieser «Kundenzufriedenheitsumfragen» aufnötigt. Man trifft die sehr oft auf Support-Websites an – bei Microsoft, HP, Canon und Adobe, um die hier vorgeführten Beispiele zu erwähnen. Aber natürlich auch bei den anderen, Epson, Sony, Brother, Samsung, und wie sie alle heissen…

Adobe: Wer fragt, darf die Antwort nicht scheuen. (Siehe zu Adobe auch den Beitrag von vorgestern: Adobe braucht Gegenwind)

Die Umfragen haben die Angewohnheit, aus dem Nichts aufzutauchen, und einen mit Fragen zur «Experience» der Website zu löchern: Wie beglückt sind Sie über unsere Suche? Wie toll finden Sie das Informationsangebot? Wie grossartig erleben Sie die Farbgestaltung? Was halten Sie vom animierten GIF in der rechten oberen Ecke, das unser Chefdesigner während Wochen absorbiert hat?

Und, die obligate Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihrer Oma unser Produkt aufschwatzen, Ihr Kind in unserem Sinn indoktrinieren und ihren gesamten Freundeskreis missionieren? (Natürlich ohne, dass Sie dafür ein einziges Prozentlein Rabatt bekommen würden.)

Wenn ich Zeit habe, fülle ich diese Umfragen immer aus. Und zwar ehrlich, jedoch überaus streng (bzw. hart aber fair). Das ist nach der eigentlichen Definition natürlich überhaupt kein Trolling, sondern einfach eine kritische Meinungsäusserung.

Man wird in die Rolle des Stänkerers gedrängt!

Da die Websites aber durchs Band so schlecht sind, dass man leider meist nur miese Noten verteilen kann, ist das Gefühl dann doch, ein Stänkerer und Borderline-Wutbürger zu sein.

Canon: Zur Ehrenrettung sei zu sagen, dass ich noch nie eine Support-Website gesehen habe, die übersichtlich, einfach zu durchsuchen oder mit leicht zugänglichen Informationen ausgestattet gewesen wäre.
Canon: Die Rückmeldungen könnten für die Unternehmen aufschlussreich sein. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die jemals gelesen werden.

Vor allem, wenn es um die Kästchen geht, wo man freie Kommentare reinschreiben kann. Natürlich schreibe ich da nicht: Ihr seit die Grössten und Ihr Produkt hat mein Leben auf magische Weise zum Besseren gewendet.

Das habt ihr von eurer Cloud-Verbohrtheit!

Nein, ich schreibe rein, dass es mir auf den Wecker geht, dass es aktuelle Treiber nur für neue Drucker gibt, dass die Tinten viel zu teuer sind, dass die Navigation diese Bezeichnung nicht verdient, dass Informationen nur schwer aufzufinden, kaum verständlich und lückenhaft sind, dass mir ordentliche Kontaktinformationen fehlen, dass ich Adobes Cloud-Verbohrtheit für einen Unsinn halte und dass mir schon vor Jahren mehr als ein Dutzend Gründe eingefallen sind, warum Support-Websites nerven.

HP: Wenn ihr es selbst mal ausprobiert hättet, müsstet ihr nicht so doof fragen.

Diese Kundenreaktionen wären, so denke ich, in vielen Fällen hilfreich. Ich habe nur nicht das Gefühl, dass sie etwas bewirken. Denn wenn sie das täten, hätte ich eine spürbare Verbesserung erkannt – schliesslich fülle ich, wie oben erwähnt, seit Jahren diese Umfragen aus.

So bleibt mein Fazit: Alles nur Theater. Die Umfragen werden nicht aus der Motivation heraus gestartet, wirklich etwas an den Websites und der User experience verbessern zu wollen. Sie sind vielmehr dazu da, dem Besucher vorzugaukeln: Du bist uns wichtig! Deine Meinung zählt! Wir hören auf dich!

Darum haben die Umfragen ihren Zweck selbst dann erfüllt, wenn sie nicht ausgefüllt werden. So wie die Minarettinitiative ändert sie nichts, bewirkt aber das Gefühl beim Zielpublikum, ein Zeichen gesetzt zu haben.

Der innere Drang, ein Vorbild sein zu wollen

Bleibt die Frage, warum ich trotz der Nutzlosigkeit meines Tuns daran festhalte. Aus Trotz, wahrscheinlich. Und um hier ein Vorbild zu sein. 😉

Microsoft: Navigation? Ist da überhaupt eine Navigation?

Kommentar verfassen