Sauglattismus in App-Form

Virtuelle Maskeraden: MSQRD verwandelt einen im Live-Bild der Kamera in einen Barträger, in ein Monstrum oder ein Tier. Das ist technisch beeindruckend und überraschend, aber viel mehr auch nicht.

MSQRD ist eine der Apps, die ich schon monatelang auf dem iPhone habe und bei der ich mich immer mal wieder frage: Soll ich sie jetzt im Blog vorstellen oder einfach ignorieren? Fürs Ignorieren spräche, dass es eine typische Hype-App ist, die vor Monaten schon durch alle Blogs geschleppt wurde. Fürs Ignorieren spräche auch, dass es sich um eine typische Sauglattismus-App handelt, die nichts Nützliches tut.

Andererseits ist diese Haltung auch etwas moralinsauer. Ohne nun gleich in Begeisterung für die (allen Unkenrufen zum Trotz nicht totzukriegenden) Furzkissen-Apps auszubrechen, muss man auch nicht von jedem App-Entwickler eine hochtrabende Mission erwarten. Billige Unterhaltung ist auch im App-Store erlaubt.

Ich und zwei meiner Alter Egos.

Für MSQRD (kostenlos für iPhone und Android) spricht jedenfalls, dass sie technisch beeindruckend ist. Sie entdeckt im Live-Kamerabild den Kopf und dessen Position im Raum und setzt einem in Echtzeit eine virtuelle Verkleidung auf. Man wird instantan zum Haifisch oder zum Ork, zum Angry Bird oder einem niedlichen Puma, zum Zombie oder zum Osterhäschen. Im Katalog gibt es acht Kategorien (Tiere, Filme, Gesichter, Sport, Gefühle, etc.), wo man Dutzende von Effekten findet.

Man kann sich virtuelles Fan-Makeup für die (jetzt leider verpasste) EM auftragen, sich in einen Greis verwandeln lassen (und zwar besser als hier), die rosarote Brille aufsetzen oder dicke Krokodilstränen weinen. Und wenn man wissen will, wie man mit Schnauz oder Vollbart aussieht, dann verrät einem die App auch das.

Ein unverbindliches Spiel mit Identitäten

Das unaussprechliche Kürzel MSQRD steht für Masquerade. Genau das kann man mit ihr tun. Das Spiel mit Identitäten ist etwas, das wir Menschen gern tun. Und auch wenn es hier nur auf einer sehr oberflächlichen Art und Weise stattfindet, so fördert es doch eine ganz entscheidende Fähigkeit: Über sich selbst lachen zu können.

Denn wenn man sich als Schimpanse, grossäugige Comicfigur oder als Campino sieht, dann kann man sich nicht mehr so ganz für voll nehmen – und das scheint mir dieser Tage eine notwendige Fähigkeit zu sein. Die Gretchenfrage ist heute nicht mehr, wie man es mit der Religion hält. Sondern ob man sich per App gerne in eine Lachnummer verwandeln lässt. Leute, die sich weigern, sind zumindest verdächtig…

Bitte belästigt eure Facebook-Freunde mit solchen Bildern!

Man kann Standbilder und Videos speichern oder direkt Botschaften via Facebook absetzen. Selbst Live-Streaming per Facebook ist neuerdings möglich. Ähnliche Funktionen gibt es auch in Snapchat. Und mit Makeup Genius von L’Oréal (iPhone und Android) kann man sich virtuell schminken.

Das ist, gerade für uns Männer, enorm hilfreich, wenn wir unsere weibliche Seite entdecken mögen. Darum lässt sich an dieser Stelle die Sinnfrage ganz eindeutig beantworten: Diese Apps sind so nützlich, wie eine App überhaupt sein kann: Sie helfen uns, unsere Identität zu erforschen und die human condition auszuloten. Diese Apps sollten zum Pflichtstoff jedes Philosophiestudiums werden!

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