Zeitverschwendung in den 90ern

Es gab einmal das Spiele-Genre des interaktiven Films. Ich war seinerzeit ein grosser Fan und habe «The 7th Guest», «Gabriel Knight: The Beast Within», «Phantasmagoria», «Voyeur» und «Tex Murphy. Under a Killing Moon» gefrönt.

Neulich haben sich die beiden alten Männer vom «Stay Forever»-Podcast in der Folge 52 über das Genre der interaktiven Filme unterhalten. Das war für mich ein Aha-Erlebnis: Denn während ich die sonst besprochenen Titel meistens nicht kenne, hatte ich an viele der hier erwähnten Spiele noch mehr oder weniger gute Erinnerungen. Offenbar war ich in den 1990er-Jahren ein Fan dieses Genres, ohne es mir so richtig bewusst zu sein:

The 7th Guest

Das Spiel hat mich sehr beeindruckt – obwohl es nach dem Kauf mindestens ein halbes Jahr ging, bevor ich es überhaupt spielen konnte. Ich glaube, das Problem lag darin, dass die DOS-Version so viel Speicher brauchte, dass ich erst ausgeklügelte Optimierungen an config.sys und autoexec.bat vornehmen musste. Das war die grössere Herausforderung als alle Rätsel im Spiel.

Dass dem Spiel ausufernde Systemoptimierungen vorausgingen, war damals nicht unüblich. Bevor ich bei Myst nennenswerte Erfolge erzielte, musste ich meinen Computer mit einer Soundkarte ausstatten. PCs hatten damals nicht standardmässig eine Soundausgabe, was bei «Myst» ein echtes Problem ist. Der Klang liefert nämlich unverzichtbare Hinweise zur Problemlösung.

Logitechs Soundkarte brachte den Rechner zum Absturz

Ich hatte mich damals aber nicht für ein Soundblaster-Modell entschieden, was vernünftig gewesen wäre, sondern eine Karte von Logitech gekauft. Die war aber defekt und brachte den Computer bei gewissen Sounds zum Absturz. Doch bis ich kapiert hatte, vergingen viele fruchtlose Versuche mit Abstürzen mitten im Game. Handy-Games und App-Stores sind ein echter Fortschritt!

Gabriel Knight: The Beast Within

Ein Werwolf-Spiel mit Figuren, die nicht animiert waren, sondern von echten Schauspielern gespielt wurden, die als Videosequenzen in die Szenen eingefügt sind. Der Bezug zu Bayern ist ein Spektakel, weswegen meine Frau und ich das Spiel vor einiger Zeit noch einmal haben hochleben lassen.

Phantasmagoria

Ich weiss noch, dass mir die Pakung das Spiel mit dem Verweis auf Roberta Williams schmackhaft gemacht hat. Sie hat auch die wunderschöne King’s Quest-Reihe geschaffen.

Dieses Spiel hier ist stimmungsvoll, spannend, zwischendurch sogar ein wenig erotisch, aber unglaublich brutal. Wenn man das Endspiel nicht auf Anhieb gewinnt (was ich leider nicht geschafft habe), sieht man so oft, dass die Hauptfigur in der Mitte einzweigerissen wird, dass einem echt der Spass vergeht.

Voyeur

Ein Spiel mit einer cleveren Idee: Das Geschehen läuft in Echtzeit ab und dauert, falls ich mich richtig erinnere, um die 45 Minuten. Als Spieler kann man zwischen diversen Überwachungskameras wechseln. Der Clou ist nun herauszufinden, wann wo die entscheidenden Ereignisse stattfinden – um so dem Verbrechen auf die Spur zu kommen.

Ich glaube, ich habe das damals nicht geschafft (und Online-Lösungen gab es ja nicht). Ausserdem war der voyeuristische Aspekt auch nicht so toll, wie man es sich damals so vorgestellt hat. Somit eher eine Enttäuschung.

Tex Murphy. Under a Killing Moon

Nicht allzu schwierige Rätsel, eine nachvollziehbare Geschichte in einer postapokalyptischen Zukunft und technisch einwandfrei umgesetzt. Das hat mir damals wirklich Spass gemacht!

Natürlich – Christian Schmidt hat absolut recht, wenn er im Podcast die Mängel des Genres anspricht: Die Figuren nicht als Sprites oder 3D-Figuren zu animieren, sondern per Video ins Spiel einzufügen, limitiert die Möglichkeiten sowohl beim Gameplay als auch während der Entwicklungsphase – denn einmal gefilmt, können die Szenen nicht mehr verändert werden.

Trotzdem: Ich mag das Genre und vermisse es gelegentlich heute noch. Man kann natürlich darüber streiten, ob ich einfach sentimental meinen Jugenderinnerungen nachhänge oder ob diese interaktiven Filme halt doch ihren eigenen Charme hatten. Ich bin mir sicher, dass zweiteres der Fall ist: Sie sind IMHO stimmungsvoller als Titel mit ihrer hochgezüchteten 3D-Grafik. Sie limitieren die Action und verlagern das Spielgeschehen aufs Puzzeln, Geschichten-Erzählen und Rätsellösen – alles Dinge, die ich an Spielen schätze.

Das Genre hätte auch heute noch etwas für sich

Darum bedauere ich es, dass das Genre leider von der Bildfläche verschwunden ist. Dass es auch heute noch Potenzial hätte, beweist das hier besprochene «Her Story». Vielleicht muss ich doch meine Karriere als Spielentwickler reaktivieren… oder mir wenigstens mal das von Christian Schmidt und Gunnar Lott so gepriesene Tender Loving Care ansehen…

Christian empfiehlt uns, die Abenteuer des Kindermädchens in der ungeschnittenen Fassung zu erleben. (Ist die iPhone-Variante für 6 Franken zensuriert? Wahrscheinlich.)

(Und nein, das ist kein Aprilscherz. So haben wir unsere Zeit damals tatsächlich verplempert.)

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