Usabilty-Empfehlungen zu Handen der Schweizerischen Bundesbahnen

Eine simple Aufgabe kann einen in den Wahnsinn, bzw. an den Billettschalter treiben. Ich wollte neulich bei der SBB einen Fahrschein lösen, der erst in ein paar Tagen hätte gültig sein sollen – ein Ding der Unmöglichkeit.

Letzte Woche hatte ich Besuch, mit dem ich einige Ausflüge per Zug unternommen habe. Dafür brauchte er jeweils Billette, was mir die Gelegenheit gegeben hat, mich mit den Automaten der SBB herumzuschlagen.

Beim Kerngeschäft spitze und allen Widrigkeiten gewachsen. Beim Drumherum gibt es Luft nach oben. (Bild: Carlo Bonari/Flickr.com)

Und die können, so meine Feststellung, auch einen mit Technik einigermassen bewanderten Mensch innert kürzester Zeit in den Wahnsinn treiben. Wenn man mit dem öffentlichen Verkehr in der Schweiz nicht vertraut ist, dann hat man keine Chance, innert nützlicher Frist das richtige (und vielleicht sogar das günstigste) Ticket zu kaufen – es gibt zu viele Optionen – unter anderen auch solche wie das Aufladen von Prepaid-Handys, die nun gar nichts mit der eigentlichen Aufgabe der Kästen zu tun hat.

Zonen? Via dieses oder jenes Kaff?

Da wäre erstens die Sache mit den Zonen, bzw. den unterschiedlichen Routen. Um als hierzulande selten Zugfahrender die Zonen zu verstehen, muss man sich ganz gewaltig in den Zonenplan vertiefen. Während man das tut, sind die ersten ein, zwei Züge zur gewünschten Destination schon einmal abgefahren. Die verschiedenen Via-Vorschläge kann man selbst als Schweizer nur deuten, wenn man in der Geografie sattelfest ist. Warum sagt einem der Kasten nicht, welches die übliche Route ist?

Zweitens gibt es die Sparmöglichkeiten – das Halbtax-Abo, beispielsweise. Die entsprechenden Symbole sind für einen Uneingeweihten kaum verständlich und damit sehr verwirrend.

Drittens das Gültigkeitsdatum: Es gibt bekanntlich nicht mehr die Hin- und Rückfahrten, sondern unterschiedliche Gültigkeitsdauern, beispielsweise zwei Stunden oder 24 Stunden. Das mag praktisch sein, ist aber nicht einfach zu verstehen. Und wehe, wenn man ein Ticket lösen will, das nicht sofort benötigt wird.

Eine Entwertungskarte lösen?

Ich habe verzweifelt versucht, dafür das Gültigkeitsdatum zu verändern – ohne Erfolg. Nach der Resignation ging ich zum Schalter, wo ich erst einmal eine Viertelstunde anstehen musste. (Weil die Automaten ja ein Rationalisierungsinstrument zum Abbau von Schalterbeamten sind.) Dort hat man mir dann erklärt, dass ich nicht hätte versuchen sollen, das Gültigkeitsdatum zu ändern. Der richtige Ansatz wäre gewesen, für die Strecke eine Entwertungskarte zu lösen, die vor Antritt der Reise zu stempeln ist.

Viertens: Die Unzuverlässigkeit. Hat man sich durch die Menüs gehangelt und das richtige Billett gelöst, dann verschmäht der Kasten die Zahlung via EC-Karte. (Gut, das ist kein generelles Problem. Aber eines, das mich gerade in dem Moment ereilte, wo ich kurz vor Abfahrt eines Zugs noch ein Ticket für meinen Besucher lösen wollte.)

Promo-Code? E-Gutschein?

Und als ob das nicht genug Ärger wäre, habe ich auch mit der App bzw. dem SBB-Shop unerfreuliche Erfahrungen gemacht. Das Corpus Delicti war hier ein Gutschein, den die SBB mir neulich zugeschickt hatten, und den ich nun einlösen wollte:

  • Erster Versuch mit der SBB-App. Beim Versuch, den Code 8v5l760wov einzugeben, sagt die App: «Bitte geben Sie nur Zahlen ein».
  • Zweiter Versuch mit der Online-Website: Ein Timeout bei der Zahlung via Kreditkarte führt dazu, dass der Kauf erneut gestartet werden muss.
  • Dritter Versuch mit der Online-Website: Der Code wird nicht mehr akzeptiert. Vielleicht heisst ist das Zeichen an vierter Stelle im Code 8v5l760wov doch kein L, sondern ein grosses I? Der Code auf der Karte ist schlauerweise in einer Schrift gedruckt, bei der man kleine Ls nicht von Grossen Is unterscheiden kann. Und wenn man nicht gut sieht, hält man das Zeichen vielleicht für eine 1. Nach einigen Fehlversuchten wird der Warenkorb gelöscht.
  • Daher der vierte Versuch mit der Online-Website. Klappt auch nicht. So langsam drängt sich der Verdacht auf, dass der Gutschein-Code beim ersten Fehlversuch «verbrannt» wurde.
  • Fünftens: Eine Schwarzfahrt in Erwägung ziehen, um sich selbst für den versprochenen, aber nicht erhaltenen Gutschein und den ganzen Ärger zu entschädigen.

Fazit: Das mit dem Gutschein war vor allem Pech. Auch wenn es natürlich sinnvoll wäre, den Gutscheincode erst zu invalidieren, nachdem die Kreditkartentransaktion erfolgreich abgelaufen ist. Und den Code in einer Schrift aufzudrucken, bei der sich L, I und 1 gut unterscheiden lassen, wäre kein Hexenwerk. Und nicht verkehrt wäre natürlich auch, dem Nutzer zu erklären, was der Unterschied zwischen einem «E-Gutschein» und einem «Promo-Code» ist. Das sind nämlich zwei unterschiedliche Dinge, die in der App an verschiedenen Stellen eingegeben werden müssen. Die Fehlermeldung «Bitte geben Sie nur Zahlen ein» rührte offensichtlich daher, dass ich versucht habe, einen «Promo-Code» ins Feld für «E-Gutscheine» einzugeben. Silly me!

Bitte nicht verwechseln: Der «E-Gutschein» (zweiter von oben beim Screen links) ist nicht das gleiche wie der «Promo-Code» (fünfter von oben beim Screen rechts).

Was die Automaten angeht, ist ein Komplexitätslevel erreicht, das man den Nutzern nicht mehr zumuten kann bzw. antun sollte. Die Bedienung muss – und daran führt kein Weg vorbei – radikal vereinfacht werden. Ich könnte mir ein Dialogsystem vorstellen, das mittels Fragen funktioniert: «Wohin wollen Sie fahren?», «Wann wollen Sie fahren?», «Wie lange wollen Sie bleiben?», «Haben Sie ein Abo oder eine Vergünstigungskarte?»

Oder eben: Man führt eine Pre- oder Postpay-Karte ein, mit der die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel automatisch erfasst und ebenso automatisch zum günstigsten Tarif abgerechnet wird. Klar, da stellen sich dann die Datenschutzbedenken – die man mit anonymen Prepaid-Karten aber leicht ausräumen könnte…¹

FUssnoten

1) Man müsste nur eine Lösung dafür finden, was passiert, wenn man sein Prepaid-Guthaben aufgebraucht hat, aber trotzdem weiterhin Zug fährt…

2 Kommentare zu «Usabilty-Empfehlungen zu Handen der Schweizerischen Bundesbahnen»

  1. Weiss nicht, ob das immer noch gilt, vor einem Jahr war es noch so: Wenn man am Schalter eine Tageswahlkarte (Tageskarte zum Stempeln) kaufte, bekam man eine umfangreiche Bedienungsanleitung ausgehändigt, wie man das am Automaten machen kann. Das ging, war aber so kompliziert, dass es sich kein Mensch auswendig merken konnte. Ausserdem gab es zwei verschiedene Automatentypen, bei denen es je verschieden funktioniert …
    Leicht verwirrend ist auch, dass es ZVV-Automaten gibt, die fast gleich aussehen wie SBB-Automaten, bei denen man aber z.B. kein Billett nach Olten kaufen kann.

  2. Haha! Ging mit mit dem Promo-Code genau gleich. War auch zuerst bei E-Gutschein. Dann als ich’ dann gecheckt habe, wo den Code eingeben, kam eine Fehlermeldung betreffend meiner Kreditkarten-Info. Die war aber nach wie vor richtig. Dann: Code gelöscht und der Ticketkauf klappte wunderbar. Die 10 Franken vom Gutschein wurden ja dann aber nicht eingelöst.

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