Ernest Cline hat nachgelegt. Er ist der Mann, der die Leser unter den Nerds mit Ready Player One in den Bann geschlagen hat. Im Roman geht es um die meisterhafte Vermischung von Game-Fiktion und Realität – um ein Abenteuer, das in einem Videospiel-Umfeld stattfindet, aber so ernst ist wie das echte Leben.
Cline geht in dem Buch virtuos mit all den Versatzstücken der nerdzentrierten Populärkultur um und baut aus ihnen eine stimmige, und trotzdem emotional ansprechende Geschichte, die eine solide Brücke zwischen Gamer-Paralleluniversum und literarischem Eskapismus schlägt. Ich habe das Buch im Beitrag Nerdgasmus und Popkulturklimax besprochen.
Armada ist der Titel des neuen Werks. Es arbeitet mit dem gleichen Prinzip wie «Ready Player One», indem es die Welt der Videospiele Realität werden lässt. Wie üblich, um hier den Lesespass nicht zu verderben, mein Fazit vorneweg – sodass die Leserinnen und Leser, die mit solcherlei Geschichten etwas anfangen können, nicht zu viele Spoiler erdulden müssen. Gegen Ende folgt dann eine kurze Inhaltsangabe, die ihr aber gern überlesen dürft. (Die ist jeweils eher als Erinnerungsstütze für mich gedacht, falls ich später, sei es fürs Radio oder für die Zeitung, noch einmal auf das Buch zurückkommen will.)
Also, das Fazit: «Armada» steigt nicht ganz auf die Flughöhe von «Ready Player One» auf – was einen aber nicht vom Lesen abhalten sollte. Das Erstlingswerk in Buchform – Cline hat früher schon Drehbücher geschrieben, beispielsweise für den hier besprochenen Film Fanboys – ist in seiner Huldigung auf das Game-Schaffen der letzten vierzig Jahre einzigartig und darum in der Form nicht wiederholbar. «Armada» ist bei der Idee angesiedelt, dass Videospiele eigentlich ein Rekrutierungsinstrument für Soldaten sind und als Training für den richtigen Krieg dienen.
Die Ausgangslage kommt einem bekannt vor
Die Idee ist nicht neu und steckt auch im Film The Last Starfighter und in Ender’s Game, das ich erst vor kurzem gelesen und im Beitrag Da hat Audible voll daneben gehauen verrissen habe. Bei Goodreads.com hat es Kommentator Brandon Ronk wie folgt auf den Punkt gebracht:
Last Starfighter and Ender’s Game had a baby named Armada. It’s very good.
Cline dreht diese Prämisse aber einen Zacken weiter – man könnte sagen: Er dreht den Spiess quasi um und liefert anders, als (der im Buch mehrfach erwähnte) Ender keinen brutalen Völkermord ab, sondern macht ein grosses und meines Erachtens eindrückliches Statement für den Frieden. Seine Aussage: Gamer sind friedliche Leute. Sie spielen Krieg – aber wenn alle den Krieg nur spielen würden, dann wäre die Welt eine bessere. Und die Aussage kann ich vorbehaltlos unterschreiben!
Also, hier noch die inhaltliche Zusammenfassung: Zack Lightman hat seinen Vater früh verloren. Das macht es für ihn als introvertierten Game-Nerd nicht leichter, im Leben zu bestehen. Im Gegenteil – er weiss nicht, was er mit seinem Leben anfangen könnte. Darum verbringt er sein Leben hauptsächlich im Videospiel «Armada», wo er auf Platz 5 steht, sowie in einem Videospielladen. Und er versucht nebenbei, in der Schule nicht zu viel Ärger zu bekommen. Letzteres gelingt ihm schlecht, weil er sich selbst nicht so richtig im Griff hat. Ihm geht der Hut hoch, wenn er mit Ungerechtigkeiten konfrontiert wird. Oder wenn jemand die Erinnerung an seinen vergötterten, früh gestorbenen Vater in den Schmutz zieht.
Die Invasionsmacht am Himmel
Nun passiert es eines Tages, dass Zack am Himmel ein Raumschiff sieht. Und zwar nicht irgend eines – sondern ein Schiff der Alien-Invastionsmacht aus dem Videospiel «Armada», das er in jeder freien Minute seines Lebens zockt. Er zweifelt etwas an seinem Verstand… doch am nächsten Tag landet ein Schiff aus dem gleichen Spiel auf dem Schulhof. Dieses Mal ist es kein Schiff der Feinde, sondern der «Guten», der Erdverteidigungsallianz (Earth Defense Alliance, EDA – nicht zu verwechseln mit dem EDA hier).
Es ist nun tatsächlich so, dass die Welt von Ausserirdischen angegriffen wird. Das Videospiel «Armada» ist dazu da, Kämpfer der für die Verteidigung der Erde zu rekrutieren. Und wie bei «Ender’s Game» waren einige Missionen, die Zack in «Armada» geflogen hat, echte Missionen. Denn die feindlichen Aliens existieren wirklich. Sie wurden schon im letzten Jahrhundert auf dem Jupitermond Europa entdeckt. Und nun greifen sie an – und drohen die Erde mit ihrer Übermacht zu vernichten.
Zack wird mit anderen Spielern seines Kalibers in einer Basis auf dem Mond stationiert, wo sie den letzten Schliff für den Endkampf bekommen sollen. Und hier macht Zack eine erschütternde Entdeckung: Sein tot geglaubter Vater ist nicht tot. Er ist der EDA schon viel früher anhand des geheimnisvollen Videospiels «Polybius» auf die Spur gekommen. Er musste zur Verteidigung der Erde alle Brücken zu seinem alten Leben abbrechen und galt daher nach einem inszenierten Unfall als tot. Doch Zacks Vater ist einer der besten «Armada»-Spieler überhaupt. Und eine der grossen Hoffnungen im Kampf gegen die Aliens.
Alles bloss simuliert
Nun hat Zacks Vater einen Verdacht – ihm sind nämlich viele Unstimmigkeiten im Verhalten der feindlichen Aliens aufgefallen. Diese scheinen es vor allem auf Provokation angelegt zu haben – und nicht auf einen echten Eroberungsfeldzug. Angesichts ihrer technischen Überlegenheit hätten sie den schon vor Jahren erfolgreich zu Ende bringen können. Aber so, wie sie sich verhalten, scheint es sich eher um einen Test zu handeln. Und natürlich hat er recht: Der ausserirdische Angriff ist eine Art Simulation – eine Art real anmutendes Videospiel einer künstlichen Entität, in der sich die Menschheit als würdig erweisen muss, einer Liga von fortschrittlichen Lebensformen im All beizutreten.