Lohnt sich eigentlich diese Twitterei?

Twitter-Analytics, die statistische Auswer­tung der Kurz­nachrich­ten-Aktivitäten, kann Anlass sein, das eigene Verhal­ten zu ändern – oder auch nicht.

Lohnt sich eigentlich diese Twitterei? Die Antwort auf diese Frage hängt massgeblich davon ab, weswegen man Twitter mit seinen Weisheiten behelligt. Denn bekanntlich gibt es dafür ganz unterschiedliche Motivationen.

Eine nicht unwesentliche Gruppe nutzt Twitter dazu, Dampf abzulassen. Für sie ist es Lohn genug, wenn sie mit ein paar wohlplatzierten Tweets den Herzinfarkt und das Hirnaneurysma für ein paar Tage aufschieben kann.

Twitter ist für viele eine ergiebige Push-Informationsquelle. Es gibt die, die vor allem mitlesen, und viele halten Twitter inzwischen für das beste Breaking-News-Medium überhaupt.

Promis stalken – wieso nicht?

Andere sind zufrieden, wenn sie einen Promi stalken können. Es existieren sogar Leute, die Facebook nicht begriffen haben und ihre Clique daher via Kurzmitteilung pflegen.

Twitter-Analytics verrät, welche Tweets verfangen – und welche nicht.

Habe Sendungsbewusstsein, fordere Gehör!

Und dann gibt es die, die Favoriten-Sternchen sammeln ihr Publikum pflegen und auf jeden Retweet schielen. Für die ist die Reichweite ein Thema – denn diese Gruppe hat ein Sendungsbewusstsein und fordert Gehör. Diese Gruppe dürfte Analytics lieben (oder hassen, falls die Zahlen schlecht sind). Die Analytics sind ein Instrument für die Werbetreibenden (Twitter-Blog). Doch seit Ende August darf nun Hinz und Kunz die Statistik nutzen:

Im Dashboard sieht man zuoberst die Einschaltquote in Form einer Impressions-Angabe. Das ist, aufsummiert, die Zahl der Leute, die einen Tweet angezeigt bekommen haben (ob sie ihn gelesen und sich dazu bequemten, ihn zur Kenntnis zu nehmen, ist dann nochmals eine andere Frage). Hier ist bemerkenswert, wie sehr die Zahl variiert, selbst bei Tweets, die nicht retweetet wurden. Wenn man zehn bis zwanzig Prozent der Follower erreicht, ist das schon gar nicht so schlecht.

Die Angabe bei Interaktionen besagt, wie viele Antworten, Retweets und Favoriten ein Tweet ausgelöst hat. Bei Tweets mit Links gelten auch Klicks auf den Link als Interaktion. Die Interaktionsrate schliesslich setzt Impressionen und Interaktionen ins Verhältnis. Meine beste Rate habe ich mit 13,9 Prozent mit diesem Tweet erzielt:

Klickt man auf Tweetdetails anzeigen, wird aufgeschlüsselt, wie sich die Impressionen über einen Zeitraum von 24 Stunden verteilen. Normalerweise ist nach zwei, drei Stunden Schluss. Aber es kann auch passieren, dass durch einen späten Retweet das Interesse wieder erwacht.

Nach zwei Stunden ist ein Tweet durch – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Hallo Giaggobo!

Am rechten Rand werden Interaktionsrate, Link-Klicks, Retweets, Favoriten und Antworten in einer Chronologie der letzten 28 Tage separat aufgeführt. In einer zweiten Ansicht sieht man die Entwicklung der Follower.

Aufgeschlüsselt erfährt man deren Interesse, Standort und Geschlecht (80 Prozent Männer versus 20 Prozent Frauen in meinem Fall), und man sieht, wem die Nutzer sonst noch folgen. Top bei mir ist übrigens die NZZ – heisst das, dass ich fürs falsche Medium schreibe?

Arbeite ich etwa fürs falsche Blatt?

Ein paar Dinge habe ich an den Analysemöglichkeiten auszusetzen: Vorab ist es schade, dass man nur die letzten 28 Tage erfährt¹. Es gibt keine Sortiermöglichkeit nach Impressionen, Interaktionen oder Interaktionsrate – um die Extrema diesbezüglich aufzuspüren, wäre das allerdings notwendig.

Sinnvoll wäre auch eine Analyse nach Tageszeit und Wochentag. Die Anzahl der Impressionen hängt meines Erachtens sehr stark davon ab, dass man zum richtigen Zeitpunkt twittert – und darum würde ich den gerne mit Analytics’ Hilfe erfahren.

Und schliesslich wäre in der Übersicht der Follower interessant, nicht bloss das Total zu sehen, sondern Zu- und Abgänge aufgeschlüsselt zu erhalten. Welche Retweets haben unmittelbar zu neuen Followern geführt? Kann man einzelne Abgänge beispielsweise konkret auf den einen oder anderen Tweet zurückführen? Zu wissen, womit man sein Publikum verprellt, wäre sehr interessant – auch wenn diese Information die Gefahr von Selbstzensur birgt.

Immerhin: Man kann die Daten als CSV-Datei exportieren und in Excel nach allen Regeln der Kunst analysieren und archivieren. In der Excel-Datei sind alle Tweets seit dem 1.10.2013 enthalten. Und da muss ich feststellen, dass mein erfolgreichster Tweet mit 4438 Impressionen und einem Engagement von 44 Prozent leider tatsächlich mein erbärmlicher Versuch war, eine Verschwörungstheorie in Umlauf zu bringen:

Fazit: Trotz des etwas polemischen Einstiegs ist Twitter-Analytics ein Werkzeug, das mehr kann, als Narzissten zu helfen, sich in ihrem ihrem Narzissmus zu sonnen (so wie Klout zum Beispiel). Man sieht ein kleines bisschen hinter die Kulissen des Echtzeitmediums Twitter und kann die Daten zum Anlass nehmen, das eigene Twitterverhalten zu hinterfragen. Denn etwas erkennt man ausgezeichnet: Nämlich welche Tweets das Publikum nicht interessieren.

Selbstkritik!

Die Tweets mit einer Interaktionsrate von null Prozent. In meinem Fall sind das häufig die #Selbstpromotions-Tweets – also die zu einem Blogbeitrag oder Artikel oder zu einer Radiosendung oder Podcast-Veröffentlichung. Bleibt die Frage, wie das zu interpretieren ist. Ich hoffe jetzt mal nicht, dass meine Blogbeiträge, Artikel, Radiosendungen und Podcasts nicht per se langweiliger sind als meine unüberlegten kleinen Stänkereien zwischendurch oder die ruckzuck vertwitterten Fundstücke aus dem Netz – obwohl auch diese Deutung durchaus zulässig wäre. 😉

Nein, ich glaube vielmehr, dass die Leute darauf getrimmt sind, Ankündigungen in eigener Sache geflissentlich zu überlesen. Im Idealfall tun sie das, weil sie meine RSS-Feeds sowieso schon abonniert haben – vielleicht aber auch, weil sie Twitter lieber für echte Kommunikation und nicht bloss für Verlautbarungen nutzen möchten. Das ist doch immerhin eine Erkenntnis. Sie wird mich nicht komplett von der Selbstpromotion abbringen, aber ich verspreche, mir Mühe zu geben, meinen Followern mit ihr nicht allzu sehr auf den Nerv zu fallen!

Fussnote

1) Nachtrag vom 15.10.2014: Bei Twitter scheint man mein Blog zu lesen. Inzwischen ist es möglich, den Zeitraum der Analyse auszuwählen und auch einen längeren Zeitraum als die letzten 28 Tage zu betrachten.

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