MyPrime ist für den Anfang prima

Zum Netflix-Start in der Schweiz hat die Cablecom einen Konkurrenz-Streamingdienst aus dem Boden gestampft. Er hat Verbesserungspotenzial, ist aber grundsätzlich brauchbar.

Netflix wird dieser Tage in der Schweiz starten – und dieses Ereignis wirft seine Schatten voraus. Die UPC-Cablecom hat in zuvorkommender Weise den Dienst MyPrime angekündigt und gleich gestartet. Seit einigen Tagen kann man darüber Filme und Serien kostenlos ansehen, wenn man entweder eines der Kombi-Angeboten nutzt oder aber 9.95 Franken pro Monat bezahlt.

Das Angebot von MyPrime enthält viele BBC-Produktionen und auch Schweizer Fernsehfilme.

Da ich aus Gründen auf das Horizon Plus Combi gewechselt bin, steht mir MyPrime über die Settopbox und die Tablet-App Horizon Go (Android/iOS) zur Verfügung. Ich habe den Dienst in den letzten Tagen getestet und dabei als erstes festgestellt, dass ich sie lieber am Tablet als am Fernseher nutze. Am Fernseher greife ich eher auf das Live-Programm oder auf eine lokal gespeicherte Aufnahme zurück. Wenn ich im Bett liege oder im Büro auf dem Sofa sitze und einen kleinen Hunger nach Unterhaltung verspüre, dann kommt eine Folge Der Bestatter gerade recht.

Der innerfamiliäre kleinste Nenner

Es scheint so zu sein, dass der althergebrachte Fernseher die «klassische» Nutzung impliziert. Ein Grund liegt auch darin, dass ich Fernsehen in aller Regel mit meiner Frau konsumiere und da das Fernsehprogramm bzw. die Aufnahmen im Harddiskrekorder den gemeinsamen Nenner darstellen. Am Tablet sehe ich Filme meist für mich selbst und bin deswegen auch experimentierfreudiger.

Technisch hat MyPrime einwandfrei geklappt. Die Streams starteten sehr schnell und liefen einwandfrei durch – bei der Nutzung von Live-Fernsehen in der Horizon-Go-App gab es phasenweise immer wieder Aussetzer und Hänger, weswegen ich dann auch schon (trotz der Werbung) zu Wilmaa gewechselt bin. Zweimal ist allerdings mitten in der Wiedergabe die Meldung «Service nicht verfügbar» erschienen, was eine Wartezeit nach sich zog. Falls das eine Kinderkrankheit ist, kann man über sie hinwegsehen. Als Dauerzustand würde sie den Spass nachhaltig verderben.

Gelegentlicher Spassverderber.

Merke: Es braucht eine Merkliste

Die App erfüllt ihren Zweck, ist allerdings optisch etwas altbacken und funktional minimalistisch ausgefallen. Ich vermisse eine Merkliste für den Fall, dass man einen interessanten Streifen entdeckt hat, aber gerade keine Zeit findet, ihn zu konsumieren. Ein Offline-Modus (Download eines ganzen Titels aufs Gerät) wäre für den Konsum unterwegs im Zug oder bei ähnlichen Gelegenheiten praktisch.

Warum nicht bei VLC abkupfern?

Auch die Gestensteuerung, wie man sie von VLC kennt, wünsche ich mir: Irgendwo tippen auf den Bildschirm und die Wiedergabe stoppt bzw. läuft weiter. Lauter und leiser per vertikaler Wischgeste, vor und zurück durch horizontales Swipen – das ist schon sehr praktisch! Die Navigation im Film über die Zeitleiste am unteren Rand des Videofensters ist sehr hakelig und ungenau. Sollte man einnicken oder durch versehentliches Tippen auf die Zeitleiste die Wiedergabeposition verstellen, ist es schwierig, die ursprüngliche Stelle wiederzufinden.

«Der Bestatter» trägt seinen Teil zur Lebendigkeit des Cablecom-Angebotes bei. (Falls ihr euch fragt, was GSW heisst: Es steht für Schweizerdeutsch, Alemannisch, Elsässisch)

Abgesehen davon schätze ich es, dass die App sich die Wiedergabeposition merkt. Wenn man die App schliesst oder eine Pause macht, nimmt die App die Wiedergabe an der letzten Position auf, wenn man den fraglichen Titel aufruft. Das klappt auch, wenn man zwischenzeitlich etwas anderes angesehen hat. Es klappt aber nur in der App – wenn man von der App zur Horizon-Box wechseln will, muss man die Wiedergabeposition manuell suchen.

Viel Unbekanntes, einige Highlights

Der Katalog umfasst laut UPC-Cablecom beim Start 2000 Titel, soll aber kontinuierlich ausgebaut werden. Bei einer kleinen Schnuppertour durch den Katalog sind mir viele Titel aufgefallen, von denen ich noch nie gehört habe. Im Fall von Stärke 6 liegt die Bildungslücke allerdings bei mir, denn es handelt sich um einen Schweizer Film von Sabine Boss, die ich neulich bei Schawinski sehr sympathisch fand. Ein Urteil zum Film werde ich mir noch bilden müssen – aber dass Schweizer Fernsehfilme auftauchen, hebt das Angebot von den 0815-Sammelsurien ab, die man bei den meisten Video-on-Demand-Diensten sonst so vorfindet.

Keine Bildstörung, sondern der Anfang von «Looper» – leider nur in der Synchronfassung.

Es gibt auch ein paar echte Highlights. Beispielsweise Tarantinos Kill Bill, der mir mit seiner ästhetisierenden Gewalt und seinen (für mich) unverständlichen Kung-Fu-Filmreferenzen aber nur auf den Wecker gegangen ist. Sehr gern noch einmal ansehen werde ich mir allerdings Looper.

Und wieder: das Problem mit der Originalsprachversion

Der Katalog ist nach Filmen und TV-Serien sortiert. In den jeweiligen Kategorien kann man nach Gerne und nach Paketen suchen (bei den Paketen gibt es Light, deutsch und französischlight ist für alle UPC-Kunden zugänglich). Das Serienangebot ist bislang bescheiden. So findet sich in der Kategorie Action gerade eine einzige Serie, nämlich Robin Hood. In der Kategorie der Krimis finden sich nebst besagtem «Bestatter» auch die ersten Staffeln von Luther, Whitechapel und Ripper Street. Das ist ein Anfang – aber ein sehr ausbaufähiger!

Die Suchfunktion findet über alle Inhalte statt, wobei die MyPrime-Titel mit einem blauweissen Stern gekennzeichnet sind.

Fazit: Alles in allem eine gute Sache. Das grösste Manko ist, dass, so weit ich gesehen habe, auch fremdsprachige Titel alle nur in der synchronisierten Fassung vorhanden sind.

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