Ready für das Extraleben?

«Extraleben» von Constantin Gillies erzählt die Geschichte von zwei Männern, die auch im Erwachsenenalter ihre Spielleidenschaft pflegen und einer Verschwörung auf die Spur kommen. Und es ist eine grosse Liebeserklärung an den C64 und die Games aus jener Ära.

Lustigerweise habe ich gleich zwei Hörbücher hintereinander konsumiert, in denen der C64 ein entscheidendes Requisit war. Nach «Off to be a wizard» (Zauberer sind Hacker der Realität) bin ich bei Extraleben (Amazon Affiliate) von Constantin Gillies gelandet. Ohne Zweifel – der Brotkasten ist für die Generation der Autoren, die sich nun um die Nerd-Themen in der Literatur kümmern, ein prägendes Element.

Der Joystick für den Atari 2600 ziert das Cover von «Extraleben».

Genau um diese Generation geht es in der Geschichte von Gillies, der eigentlich Wirtschaftsjournalist ist. Nick und Kee sind zwei typische Vertreter dieser Altersgruppe. Sie wurden mit den Spiele-Klassikern sozialisiert und vom Erwachsenwerden abgehalten. Sie sind in ihrem Job (auf einer Zeitungsredaktion) auf dem Abstellgleis gelandet, haben weder eine Karriere noch eine Familie hingekriegt und zelebrieren nach wie vor, wenngleich mit immer weniger Lust, das Dasein als nerdige Junggesellen. Sie spielen zusammen die Klassiker von «Space Invaders» über «Pac-Man» bis hin zu «Donkey Kong», und sie gehen zusammen auf typische Männertrips. Bei ihren «Missionen» geht es eigentlich nichts, ausser darum, die alten Fantasien über mögliche Lebensverläufe aufzufrischen.

Der Hackerinstinkt erwacht

Beim jüngsten Trip der beiden ist die Sache etwas anders. Sie stellen sich nämlich einer echten Herausforderung. Im C64-Spiel Raid over Moscow entdecken sie die Botschaft «Welcome to Datacorp» als eine Art Osterei. Der Hackerinstinkt erwacht. Die beiden Protagonisten versuchen, bei ihrem Trip durch die USA der Datacorp und dem Osterei auf die Spur zu kommen. Sie entdecken, dass weitere Spiele für die damaligen Heimkonsolen Ostereier enthalten, die nachträglich eingefügt worden sein mussten – und das, obwohl sie die Spiele von den Original-Datenträgern spielen.

Das riecht nach einer Verschwörung, und weil Nick und Kee einen Hang zu Verschwörungstheorien haben, ist kein Halten mehr. Sie lassen sich von Begegnungen mit vermeintlichen Gegenspielern zwar einschüchtern, aber sie geben nicht auf. Und treiben eine Original-Cartridge von E.T. auf und stossen schliesslich in dem auf einem Lochstreifen gefundenen Lunar Lander auf Koordinaten, die sie zur Entscheidung führen, ob sie es mit der Entdeckung des Rätsels ernst meinen oder ob sie die Sache doch lieber auf sich beruhen lassen wollen.

«Extraleben» ist eine vergnügliche Geschichte, die stark an «Ready Player one» erinnert (Nerdgasmus und Popkulturklimax). Diese berühmte Videogame-Phrase kommt im Buch sogar einmal vor. «Extraleben» ist allerdings nicht abgekupfert, sondern erschien gut zwei Jahre früher. «Ready Player one» ist dichter und packender und gibt bezüglich der Geschichte mehr her. Man könnte auch kritisieren, dass Constantin Gillies kein grosser Stilist ist und andere es besser beherrschen, Spannungsbögen aufzubauen.

Die Geschichte macht Spass, gerade auch als Hörbuch

Trotz der Einwände hat mir die Geschichte Spass gemacht: Die Fakten und die Details sitzen und der Nerdfaktor ist nicht zu bestreiten. Gelungen ist auch die Hörbuch-Umsetzung. Sie wird von mehreren Sprechern gelesen. David Nathan ist der Ich-Erzähler Kee. Simon Jäger spricht in den Dialogen den Nick und es gibt auch ein paar weitere Stimmen für die Nebenrollen. Ausserdem werden einige Szenen mit dezenter Atmo untermalt und zwischen den Kapiteln gibt es Bitpop–Einsprengsel. Eine stimmungsvolle Produktion, an der ich nur kritisieren würde, dass sich die Amerikaner leider überhaupt nicht wie Amerikaner anhören, sondern wie Deutsche, die versuchen, amerikanisch zu klingen…

Die Geschichte hat zwei Fortsetzungen erfahren, nämlich Der Bug und Endboss. Die werde ich mir bei Gelegenheit auch gerne zu Gemüt führen.

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