Vor knapp zwei Jahren habe ich über die skandalösen Preise deutscher Zeitschriften am Kiosk geschrieben. Neulich suchte ich wieder einmal eine Verkaufsstelle für Gedrucktes, Schokoladiges und Rauchbares auf und durfte erfreut zur Kenntnis nehmen, dass sich an dieser Angelegenheit noch überhaupt nichts verändert hat. «Chip» wirbt weiterhin mit einem grossen «Nur 3€» unter dem Titelkopf. Und ganz am unteren Rand steht dann: «Schweiz: 6 Franken». Soviel zum «Impact» dieses Blogs, zur Wirksamkeit des Preisüberwachers und zur Lernfähigkeit deutscher Verlagsmanager.
Da ich nach wie vor keine Lust habe, mich veräppeln zu lassen, habe ich mich nach der Möglichkeit zum Erwerb der Zeitschriften in digitaler Form umgeschaut. Und tatsächlich: Auf pressekatalog.de gibt es diese Möglichkeit. Die Einzelausgabe für 3,59€*, und wenn ihr fragt, was das Sternchen bedeutet, dann ist es im Fuss erklärt:
* inkl. Mehrwertsteuer und Versandkosten
Wenn im Kontext einer digitalen Publikation von «Versandkosten» die Rede ist, geht bei mir bereits wieder die Bullshit-Sirene los. Aufregen könnte man sich natürlich auch darüber, dass die digitale Ausgabe ganze 59 Cent teurer ist als das gedruckte Magazin. Klar, Bits und Bytes sind im Erwerb auch viel kostspieliger als Paper und Druckfarbe. Also auch dieser pressekatalog.de scheint es vor allem auf eine Verarschung des Publikums abgesehen zu haben. Vielleicht haben diese Leute auch, man verzeihe mir den unappetitlichen Ausdruck, auch den Kannibalisierungsschiss in der Hose.
Trotzdem: 3,59€ sind günstiger als 6 Franken. Man bezahlt über Paypal und Kreditkarte in Euro, wobei Mastercard einen Umrechnungskurs von 1,27 ansetzt. Das scheint mir auch nicht gerade ein Top-Kurs zu sein, aber dass man da immer drauflegt, daran hat man sich auch gewöhnt.
Ich habe mich bei den übrigen Angeboten umgeschaut und mich dann fürs Epaper-Halbjahresabo entschieden. Das kostet 15,99 Euro (wieder mit Sternchen) und umfasst sechs Ausgaben. Damit schafft man es in der Tat, zwei Euro gegenüber dem regulären Verkaufspreis zu sparen. Das ist auch im Vergleich mit der gedruckten Zeitschrift günstig. Dort kostet das Jahresabo 79,90 Euro. Der Preisunterschied erklärt sich so, dass man beim Abo die teurere Variante der Zeitschrift mit der Cover-DVD erwirbt. Wobei, echt, diese Cover-DVDs haben sich doch auch überlebt, oder?
Spam inklusive
Jedenfalls kann ich mich mit den umgerechnet 20.25 Franken fürs Halbjahresabo anfreunden, zumal das digitale Abo nicht automatisch verlängert wird, wie das bei den Abos für die Print-Ausgaben nach wie vor der Fall ist, wenn man nicht drei Monate vor Ablauf des Abos kündigt (woran man logischerweise eh nie denkt). Allerdings handelt man sich mit der Bestellung eines Digital-Abos auch Spam ein. Bei der Angabe seiner Daten heisst es im Anschluss:
Wir senden Ihnen regelmäßig sorgfältig ausgesuchte Angebote zu ähnlichen Produkten aus unserem Sortiment per E-Mail zu. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht an andere Unternehmen weitergegeben. Sie können der Nutzung Ihrer E-Mail-Adresse für Werbezwecke jederzeit durch formlose E-Mail widersprechen, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
Ich habe sogleich ins Kommentarfeld geschrieben, dass ich keine Werbemails haben will. Ob das etwas hilft, bleibt fraglich.
Die Zeitschrift gibt es als PDF mit rund 30 MB Grösse. Eine App, mit der man sie direkt am iPad lesen könnte, habe ich nicht gefunden. Aber via Dropbox kann man die PDF-Datei in die iBooks-App übernehmen (via Öffnen in) und einigermassen komfortabel lesen – so komfortabel das halt der Fall ist, wenn ein Titel nicht für die iPad-«experience» optimiert ist.
Immerhin, mit dem grossen iPad sind die Texte in der 100-Prozent-Ansicht knapp lesbar. Mit dem iPad Mini kommt man ums Zoomen bzw. Doppel-Tippen nicht herum. Es gibt wie üblich die Seitenübersicht und ein Inhaltsverzeichnis, das wider Erwarten ziemlich brauchbar ist.
Das kann und muss noch besser werden
Fazit: Warum digitale Zeitschriften nicht markant oder zumindest etwas billiger sind als gedruckte, bleibt völlig unverständlich. Ich wäre auch einverstanden, sie zum gleichen Preis zu kaufen, wenn es dafür einen digitalen Mehrwert gäbe – wie der aussehen könnte, haben wir in unserer Radiosendung zu den digitalen Magazinen besprochen (Vom Lesen gibt es viereckige Augen). Aber so konsumiert man diese journalistischen Produkte lustlos – was schade ist, weil namentlich die «Chip»-Redaktion einen guten Job macht. Das kann und muss noch besser werden.
Als Vertreter der Fachpresse gebe ich hier gerne meinen Senf dazu:
– Alle wollen 30%: Der SW-Anbieter, der Plattform-Betreiber, der Kunde … Am Schluss bleibt wenig bis gar nichts für den Verlag
– Die Verlage wollen Abos verkaufen und somit Ihre Kunden kennen. Für das gibts Rabatt. Für anonymen Kauf muss man blechen
– Auch wenn es nur ein PDF ist, den man kauft: Der Käufer verursacht Transaktionskosten, die noch nicht mit Skaleneffekten aufgefangen werden können, weil zu wenig “Scale” da ist (ich behaupte das mal auf Grund der Erfahrungen in unserem Verlag)
– Hinzu kommt: Die Support-Anfragen von unfähigen Nutzern der elektronischen Ausgaben sind um Verhältnis zur verkauften Menge um ein vielfaches höher als bei einer Briefkastenauslieferung. Auch die Chip kann nicht überproportional Personal in ein nichtrentierendes Geschäft investieren.
– So lange der Beweis nicht erbracht ist, dass sich der digitale Vertrieb lohnt (und das tut er nach wie vor nicht) hat auch kein Verlag Interesse daran, die Preise zu senken. Schwanzbeisser? Mag sein – aber so lange Print nicht tot ist und sich nach wie vor gutes Geld damit machen lässt (und das lässt sich) hat keine Verleger ein Interesse daran, die anonymen Absatzkanäle zu fördern.
Merci für den konstruktiven und informativen Kommentar. Ich räume ein, dass mein Beitrag einen leicht trolligen Unterton hat. Ich spreche in dem Fall einseitig aus der Sicht des Konsumenten. Quasi anwaltschaftlich im eigenen Interesse. 😉
Ich verstehe aber durchaus die «Gegenseite». Ich bin selbst Journalist für die Fachzeitschrift «Publisher», wo wir auch mit digitalen Inhalten experimentieren. Die digitalen Ausgaben sind nicht viel günstiger als die gedruckten, aber immerhin auch nicht teurer. Ich habe in der erwähnten Stadtfilter-Sendung «Vom Lesen gibt es viereckige Augen» auch ein bisschen von diesem Projekt erzählt.
Dass Apple nach wie vor 30 Prozent des Umsatzes einsackt, ist ein Problem und meines Erachtens nicht angebracht. Ich habe schon vor Urzeiten die Forderung aufgestellt, dass dieser Anteil gesenkt werden müsste. Ich glaube tatsächlich, dass Apple seine Machtposition auf ungebührliche Weise ausnutzt.
Im Fall von pressekatalog.de ist Apple allerdings nicht beteiligt. Da gäbe es sicherlich die Möglichkeit, den Anteil gegenüber dem Kioskpreis zu reduzieren – denn auch wenn pressekatalog.de den gleichen Anteil wie der Kiosk nimmt, fallen trotzdem Kosten für Papier und Druck weg – und das ist kein Pappenstiel.
PS: Dem Download als PDF gebe ich gegenüber der iPad-App den Vorzug, weil man die PDF-Datei archivieren kann, wie man möchte. Dann ist man sich sicher, dass man die PDF-Datei nach Ablauf des Abos weiterhin nutzen kann. Ob man in der App eine gekaufte Ausgabe nach Ablauf des Abos noch einmal redownloaden kann, weiss man ja nie so genau.
Und, Gott bewahre!, auch drucken wäre bei der PDF-Datei möglich!
Ich nutze die iPad-App gerne. Und seien wir mal ehrlich: Nutzt man wirklich alte Ausgaben noch einmal? Nur schon ein halbes Jahr alt und der Inhalt hat keinen aktuellen Bezug mehr.
Für meine journalistischen Recherchen ist es praktisch, die alten Ausgaben digital und durchsuchbar bereitzuhalten.
Kennst du “Linux Voice”? Das ist eine britische/internationale Linuxzeitschrift, die einst über indiegogo gestartet wurde. Als Deutscher zahle ich 55% weniger für die digitale Ausgabe und selbst Briten zahlen immerhin noch 30% weniger.
Und der Hauptgrund, warum ich ein Taz-Abo habe ist, dass man dort 12,95 € für die digitale Ausgabe zahlt (gegenüber 41,90 € für das Printabo).
Ich habe mir gestern auf meinen Android-Tablet das Google Play Kiosk angeschaut, da ist die CHIP mit 3€ aufgeführt, getestet habe ich aber die aktuelle “Spektrum der Wissenschaft” darin. Die Magazine werden dort auch nur in der PDF-Version publiziert, was nicht immer so problemlos zu lesen ist.
Da hat die “c’t” mit ihrer eigenen App und der Ausgabe des gleichnamigen Magazins in HTML5, inkl. Bilder und Video, sowie der Leser-DVD als Download doch einige Vorteile. Allerdings wird dort nur das Hauptmagazin, sowie ein paar Sonderhefte gezeigt, während es für “c’t Hack” zum Beispiel nur ein App für die Applegeräte gibt.
Ich persönlich ärgere mich, das es nur Insellösungen für einzelne Betriebssysteme und Magazine gibt und nicht zum Beispiel, wie mit Zinio, Kindle oder Comixology im internationalen Bereich es möglich ist auf alle Betriebssysteme ein gekauftes Magazin in für das Gerät lesbarer Form zu bekommen.
Ich habe zum Beispiel ein Abo für die National Geographic, bei dem die elektronische Ausgabe beinhaltet ist. Allerdings ist dies zurzeit nur für die Applegeräte möglich, was mir als Windows Phone und Android-User bei den Tablets mal überhaupt nichts bringt.
Da besteht noch sehr viel handlungsbedarf seitens der Verlage und ich würde sagen, wenn der Kunde viel leichter Zugriff bekäme und nicht für die eine Ausgabe mehrmals zahlen müsste, nur damit er sie auf einem anderen Betriebssystem zu bekommen, bzw. seinen Speicher mit Apps für jedes einzelne Magazin zu füllen, dann würden auch mehr digitale Magazine veröffentlicht werden. Siehe den Moewigverlag mit ihren Ebooks/-Audiobook zur Heftserie Perry Rhodan, die sich ja schon fast erfolgreicher als die Printserie verkaufen.
Seltsam: alle wollen immer alles billig oder umsonst haben; auf Qualität – die ihren Preis hat – scheinen sie keinerlei Wert zu legen:
Die Esser, die offenbar gerne Müll fresssen, wenn’s nur billig ist;
die Kleiderkäufer, denen die Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern egal sind;
die jungen Leute, die keine CDs kaufen weil’s das alles im Netz illegal umsonst gibt;
und hier ein Computerzeitungsleser, dem das Magazin zu teuer ist.
Nun ja.
Grüezi, Herr Schüssler!
Haben Sie mal recherchiert, warum dütsche Zeitschriften in der Schwyz so teuer sind? Mein Stand – der nicht mehr aktuell sein muss – ist dieser: Der Vertrieb in der Schweiz ist extrem teuer; die deutschen Verlage verdienen an den in der Eidgenossenschaft verkauften Exemplaren kaum.
Ich kenne die Schweizer Eigenheiten nicht: Aber im Großen Kanton im Norden ist auf digitale Produkte – noch – die volle Merkelsteuer fällig (19%), auf Papier nur die ermäßigte (7%), was die dortigen Kunden mehrheitlich nicht wissen und entsprechend lamentieren.
Geld hin, Steuern her: Warum wollen Sie unbedingt eine App? Mit einem PDF sind sie viel flexibler und füttern nicht noch APPle durch… Die halten nämlich auch die Hand auf…
Da empfehle ich doch die digitale c’t, die ist billiger als die Einzelausgabe als Print. Und kaufe nicht bei xyz.kenntkeinesau.de sondern bei dem Verlag direkt, oder in dem Fall im Heise-Shop, schließe ein Abo ab oderoderoder.
Und hört auf, apple so wichtig zu machen. Außer Journalisten und Grafikdesignern nutzt kaum jemand ein iPad, es ist einfach nicht wichtig. Und dann hört ihr vielleicht auf, Apple immer 30% in den Rachen zu werfen. Wenn ihr es hasst, dass Apple 30% nimmt, dann verkauft/kauft dort nicht, fertig. Apple kann das nur verlangen, weil die hörige Journalistenbranche das als notwendiges Übel ansieht und dieses dann zähneknirschend anprangert, aber doch nutzt – und dem Leser suggeriert, dass das so sein muss.
@Kurt: Das mit der Mehrwertsteuer wäre einleuchtend, auch wenn es den teureren Preis nicht vollständig erklärt. Sollte dem so sein, müssten von pressekatalog.de das bei ihrem Sternchen unbedingt genauso erklären.
Die teuren Zeitschriftenpreise erklären sich meines Erachtens so, dass die Verlage es sich 2007, als der Euro bei 1,68 stand, sich für eine grosszügige Aufrundung auf 2 Franken entschieden haben. Als der Euro 2011 dann auf 1,20 runterrasselte, haben sie es irgendwie «vergessen», die Erstarkung des Frankens anzugleichen. Es kann sein, dass die Margen 2007 nicht gross waren; doch spätestens seit 2011 ist einiges an Luft drin.
Hallo,
der erste Kommentar fasst die Preisproblematik ganz gut zusammen. Nicht erwähnt wurden IT, Server, Bereitsstellungskosten (auch Speicherplatz kostet Geld und von den Entwicklungskosten für eine App gar nicht zu sprechen). Stimme aber zu, dass die digitale Ausgabe nicht teurer sein sollte, schon allein, weil Kunden an all diese Kosten nicht denken.
Ich kann die App iKiosk empfehlen mit einer recht großen Auswahl – Chip kostet 3,59 auch in der Schweiz. Zeitschriften sind archivierbar, in der App direkt lesbar und iKiosk gibt es für Android und iOS und die Käufe sind über verschiedene Geräte übertragbar. Einzelne Seiten kann man sich auch als pdf schicken, das pdf selbst kann man nicht herunterladen.
P.S. Ab einer bestimmten Preisreduktion werden die verkauften Ausgaben nicht mehr IVW gezählt – d.h. wenn der Verlag die Zeitschrift digital zu günstig anbietet, wird sie in die IVW Zählung nicht mehr aufgenommen. Besonders bei Apple ist das ein Problem, da man die Preise nicht selbst bestimmen kann. Z.B. wird die CHIP für 3,59 angeboten, der nächst niedrigere Preis wäre bei Apple 2,69. Unter Umständen ist das für die IVW schon zuviel Preisnachlass und dann hat der Verlag natürlich noch weniger Motivation den Preis zu senken, wenn er nicht mal mehr IVW gezählt wird. Ein weiterer Grund…
Sehr geehrter Herr Schüssler,
ich habe eine u. U. etwas naive Frage. Bitte verzeihen Sie mir, ich bin ein im Vereinigten Königreich lebender Deutscher und kenne mich mit der Schweiz kaum aus…
Also: Warum kaufen Sie Computer-Zeitschriften aus Deutschland bzw. wollen dies tun? Gibt es in der Schweiz keine nationalen Computer-Zeitschriften?
Mit freundlichen Grüßen
Jörg
Ich lese ebenfalls fast nur noch die digitalen Ausgaben von gedruckten Magazinen und Zeitungen sowohl im Einzelverkauf auch als Abonnent (NZZaS). Die Preise für die digitalen Ausgaben sind meist ein wenig tiefer und das reicht mir eigentlich schon.
Wenn sich aber die Vertreter der Medienbranche darüber beklagen, dass Apple & Co. bis zu 30 % für sich einstecken muss man auch zugeben, dass der traditionelle Vertrieb mit Druckkosten und Verteilung bedeutend teurer ist und die Kosten entweder beinahe Null sind (Newsstand, aber da will ja keiner hin) oder allenfalls sehr gering (eine eigene App, die man auch vorkonfektioniert kaufen kann).
Ein bedeutender Vorteil bei Apples Verkaufsmodell ist, dass der iOS-Store keine Preisdifferenzierung nach Ländern zulässt und ich somit in der Schweiz als Konsument nicht über den Tisch gezogen werde (ausser beim vom Apple festgelegten Wechselkurs).
Ich kaufe jedenfalls keine Magazine mehr an einem Schweizer Kiosk, weil sich hier der Schweizer Vertrieb dumm und dämlich verdient.
@Jörg. Deutschland ist mehr als zehnmal so gross wie die deutschsprachige Schweiz; entsprechend ist das Angebot an Computer- und anderen Zeitschriften sehr viel vielfältiger als einheimische Schaffen. Über den Daumen gepeilt sind 9 von 10 Zeitschriften am Kiosk aus dem Ausland.
In der Schweiz wird der «PC Tipp» http://www.pctipp.ch/ herausgegeben, den ich ganz gern lese.