Apple ist das neue Microsoft

Mavericks ist grässlich langsam. Apple macht irgend etwas falsch. Ein Grund, sich aufzuregen!

Software rot. Eine plastische Bezeichnung für ein Phänomen, das wir alle kennen. Software, die im Verlauf ihres «Lebens» immer träger reagiert und kriecht, statt zu flitzen. Wikipedia verweist in diesem Zusammenhang auch auf den überaus einleuchtenden Begriff des Code smell.

Das ist Programmcode, der ein bisschen stinkt. Nicht, dass er nicht funktionieren würde. Nein, er verrichtet seinen Dienst. Aber anhand diffuser Symptome drängt sich der Verdacht auf, dass man schlimme Dinge entdecken würde, wenn man anfangen würde zu graben.

Sie hat Mavericks installiert.

Software, die schlecht wird. Das Problem hat viele Ursachen. Eine davon ist die Updaterei. Immer mehr Features, aufgeblähter Code, Bloatware, Programme, die sich als Eierlegende Wollmilchsauen gebärden. Immerhin, bei den mobilen Apps herrscht ein Gegentrend. Grössere Apps werden aufgestückelt, wie man bei Facebook und Google sieht.

Weitere Ursachen sind Altlasten im System, die aufgrund der Rückwärtskompatiblität mitgeschleppt werden. Und schuld sind auch Crapware, Softwarebundles und Malware. Dinge, die in diesem Blog schon oft genug angeprangert wurden.

Windows leidet unter Software rot. Aber nicht als einziges Betriebssystem

Nun steht vor allem Windows im Ruf, unter Software rot zu leiden. Wann immer man am Kiosk einen Blick auf die Computerzeitschriften wirft – man wird garantiert mindestens einen Titel finden, der einem erklärt, wie man «Windows wieder fit macht», «System-Bremsen entfernt», «für mehr Tempo sorgt» und «den Turbo zündet». Ich habe auch schon mit ein paar Artikeln in dieses Horn gestossen und bin mir ziemlich sicher, dass jede erdenkliche Formulierung und jede Metapher zur Beschreibung dieser Beschleunigungsbemühungen schon Dutzende Male benutzt worden sind. Kurz: Es ist ein leidiges Thema, das für die Computerjournalisten immerhin einen grossen Vorteil hat: Wenn einem kein Thema einfällt, dann schreibt man über die Tricks zur Leistungssteigerung bei Windows. Damit liegt man nie falsch und die Leser scheinen auch nicht müde zu werden, darüber zu lesen.

Kudos für Microsoft

Nun ist es allerdings so, dass Microsofts Betriebssystem gar nicht mehr so anfällig ist für den Software rot. Wenn man pfleglich mit dem System umgeht – ihm genügend Arbeitsspeicher und eine SSD spendiert, bei der Inbetriebnahme des PCs einige Vorkehrungen trifft, nur Notwendiges Installiert und Experimente in den Hypervisor verlegt – dann gibt es nichts zu mäkeln. Mein Windows-8-Rechner zeigt nach 15 Monaten noch keinerlei Anzeichen des Problems. Es ist auch so, dass die Leistungsanforderungen von Microsofts Betriebssystem seit Windows Vista zurückgegangen sind. Es ist tatsächlich ein bisschen ungerecht, dass Microsoft nicht mehr Lob dafür erhält.

Denn – und damit bin ich endlich beim eigentlichen Thema dieses Blogposts – bei OS X ist das ganz und gar nicht der Fall. Apples Betriebssystem verrottet in geradezu erschreckendem Tempo. Mein MacBook Pro ist knapp drei Jahre alt und träge wie ein intensiv gemästeter Eber¹. Eigentlich reif fürs Schlachthaus, weil quasi nicht mehr brauchbar. Wo das MacBook früher beim Aufklappen des Deckels sofort wach und alert war, dauert es heute ein paar Sekunden, bis nur der Mauszeiger reagiert. Die Anwendung zu wechseln, dauert und dauert. Der Lüfter geht aus unerfindlichen Gründen los, beim Tippen im Spotlight-Fensterchen erscheinen die Buchstaben mit sekundenlanger Verzögerung und die Pizza des Todes dreht und dreht und dreht sich. Jeder Pizzaiolo hätte seine wahre Freude. Nur mir geht das wahnsinnig auf den Wecker. Denn ich möchte ja eigentlich arbeiten.

Vom spinning pinwheel weichgekocht

Natürlich tue ich, was geht, um das Problem verringern. Ich habe das Dashboard und die Benachrichtigungen gekillt. Ich arbeite mit Chrome und nicht mehr mit Safari oder Firefox. Die schlimmste Bloatware aller Zeiten (iTunes) starte ich nur, wenn es unvermeidlich ist. Nur zur Neuinstallation konnte ich mich noch nicht durchringen. Die würde wahrscheinlich etwas bringen, zumal ich seit Tiger die neuen Systemversionen immer nur drübergebügelt habe. Aber den Aufwand scheue ich. Vorerst noch. Allzu lang kann es jedoch nicht mehr dauern bis mich das Spinning pinwheel weichgekocht hat². Es sei denn, ich raste aus, werfe das Teil aus dem Fenster und darf dann gezwungenermassen eine Neuanschaffung tätigen.

Und sie dreht sich doch.

Klar, ich habe viel Zeug auf meinem MacBook. Ich arbeite mit FinalCut Pro, ich nutze Lightroom, Pixelmator und probiere gelegentlich auch dubiose Dinge wie Perian oder Growl aus – die bekanntermassen Performance-Einbussen bringen können. Aber das gehört zu meinem Job, und leider gibt es beim Mac keine Möglichkeit³, solche Softwaretests virtuell durchzuführen. Und ich deinstalliere diese Programme jeweils auch wieder, wenn ich sie getestet habe.

Trotz allem – es kann nicht angehen, dass ein damals immerhin annähernd 1700 Franken teurer Rechner nach drei Jahren reif für die Mülldeponie sein soll. Apple baut Hardware, die Langlebigkeit und Qualität ausstrahlt. Warum nicht auch mit der Software diesen Anspruch erfüllen? Ich erwarte vom Mavericks-Nachfolger nichts weiter als mehr Leistung und weniger rotierende Pizzen, Pinwheels und Beachballs…

Fussnoten

1) Update vom 24.10.2014: Es gibt Anzeichen dafür, dass im Fall meines Macbooks auch eine Hardware-Komponente bei den wirklich üblen Performance-Probleme eine Rolle gespielt haben könnte. Im Beitrag Neues Leben fürs Macbook Pro beschreibe ich, wie der Ersatz der internen drehenden Festplatte durch eine SSD das Problem nachhaltig lösen konnte. Da ich gleichzeitig Yosemite neu installiert habe, lässt sich allerdings nicht sagen, wie gross der Anteil des «Software rot» am Problem nun war – dafür hätte ich die Neuinstallation des Betriebssystems vor dem Austausch der Festplatte machen müssen.

2) Schräge Metapher. Aber ihr wisst, was ich meine.

3) Wenn man von der im Beitrag How to Run Mac OS X Inside Windows Using VirtualBox beschriebenen Mehtode absieht, die mir einfach zu aufwändig ist.

4) Natürlich weil Apple mit neuer Hardware mehr Geld verdient, und mehr Geld zu verdienen das primäre Ziel der Firma Apple ist. Das ist mir schon klar. Aber diese Büchse der Pandora wollte ich an dieser Stelle nicht öffnen.

5 Kommentare zu «Apple ist das neue Microsoft»

  1. Olala, seit dem Tiger kein clean Install? Dass ist ja wie wenn man beim Citroen 2CV von 1983 immer nur Kosmetik gemacht hätte. Ob bei Win oder OSX, eine clean Installation nehme ich mit eigentlich jährlich (oder eher alle 2 Jahre) vor, fast wie beim Hausputz. So bringe ich mich selber immer wieder dazu, meine eigenen Dateien sauber zu misten.

  2. Berechtigter Einwand. Ich will damit sagen, dass ich gerne ein Betriebssystem hätte, bei dem man alles, was man jemals reinsteckt, auch wieder rückstandslos rausbekommt. Ideal: Wenn man alle Programme, die man je installiert hat, wieder löscht, entspricht das System wieder einer Neuinstallation…

  3. Bei mir lahmte noch jeder Mac nach einiger Zeit. Zwar wird immer wieder betont, dass Macs nicht fragmentiert würden, aber irgendwie werden die Platten halt doch altersschwach. Seit ich hingegen eine SSD in mein MB eingebaut habe, startet es brutal schnell und läuft wieder wie ein Örgeli – eine erneute Verlangsamung ist nicht festzustellen…

  4. Eine SSD würde bei meinem Mac sicherlich auch was bringen. Da ich Video damit schneide, müsste sie gross genug sein, würde somit nicht gerade günstig ausfallen. Ist halt die Frage, ob es sich lohnt, nochmals kräftig in eine dreijährige Kiste zu investieren.

  5. auf jeden Fall eine SSD!
    Typisch Apple gehe ich mittlerweile davon aus (nach Betreuung mehrere älterer Macs in meinem Umfeld), dass Apple einfach frech seit ca. Mountain Lion davon ausgeht, dass eine SSD vorhanden ist. Es bringt unter OSX meiner Erfahrung nach sogar mehr als bei Windows eine SSD nachzurüsten (ev. weil das UI einfach viel reichhaltiger ist, und es wird gecacht wie die Sau).

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