Die Fundis aus der Linux-Lager

Zu den Leuten, denen man es nicht recht machen kann, gehören die Anhänger des freien Betriebssystems – die, egal was man schreibt, finden, man habe keine Ahnung: Linux ist kein OS, Linux ist eine Geisteshaltung.

Wenn es ums Geliebtwerden geht, hat Apple die Nase vorn. Die Fanboys von iPhone, iPad und MacBook sind Legion. Auch der grosse Softwarekonzern aus Redmond, der in der Öffentlichkeit als unpopulär und schnarchlangweilig wahrgenommen wird, hat eine militante Anhängerschaft: Wenn ich in einem Artikel zu den Tablets das iPad und das Nexus 7 erwähne, aber das Wort Surface unerwähnt bleibt, dann hagelt es giftige Kommentare. Man wirft mir dann Inkompetenz vor und stellt die Vermutung auf, ich sei von Apple gekauft.

Ein Pinguin ist noch lange kein Tux. (Bild: Martin Fisch)

Verblüfft bin ich aber immer wieder über die Fundis aus dem Linux-Lager. Sie haben einen ausgeprägten Verteidigungsreflex. Selbst wenn man das Wort «Linux» nur in einem Nebensatz erwähnt, gibt es mindestens ein fünfseitiges Mail, das einem en détail ausführt, was daran alles falsch war.

Eine differenzierte Empfehlung ist den Linux-Fanboys zu wenig euphorisch

Da habe ich gestern in der Kummerbox im Beitrag Windows 8 – oder vielleicht doch Ubuntu? darüber diskutiert, unter welchen Umständen man das auslaufende Windows XP mit Linux ersetzen könnte. Mein Fazit ist positiv ausgefallen: Man soll das Abenteuer wagen, wenn man sich die Sache gut überlegt hat und mit den Nachteilen leben kann.

Doch auch dieses positive Fazit hat mir harsche Kritik eingetragen.

Leider hat der Verfasser dieses Artikels offensichtlich keine Ahnung von Linux. (…) Richtig peinlich ist die Bemerkung bezüglich ZIP. Bei Windows muss man einen Zipper installieren. Bei Linux ist derartiges «einfach da».

Als Merkmal eines typischen Fanboy-Votums wird sogleich ad hominem geschossen. In diesem Fall mit falschen Argumenten. Zum einen kann Windows seit 1998 mit ZIP-Dateien umgehen. Zum anderen habe ich den grossen Softwareumfang vieler Distributionen im Beitrag explizit erwähnt: «Alle wichtigen Programme sind von Haus aus vorhanden, sodass langwierige Software-Installationsmarathons entfallen», schreibe ich im Beitrag.

Komplett anders und trotzdem fast genau gleich

Der Mann wagt in seinem Schreiben einen Spagat, den ich bei der Linux-Gemeinde oft sehe: Zum einen wird betont, dass Linux genauso benutzerfreundlich ist wie Windows, und man beim Umstieg kaum umlernen muss:

Ein XP-Benutzer, der Ubuntu Linux mit der Gnome-Oberfläche installiert, kommt damit sofort zurecht. Ganz im Gegensatz zu Windows Vista und Nachfolger.

Zum anderen ist Linux aber ganz anders und offensichtlich besser:

Die heutigen Betriebssysteme sind derart kompliziert, dass kaum jemand alle Details kennt. Linux ist ein Mitglied der Unix-Familie. Unix entstand zu einer Zeit, da noch alles recht einfach war.

Genauso wie Windows und gleichzeitig ganz anders. Das klingt widersprüchlich, auch wenn Linux dank der austauschbaren Desktops wandlungsfähiger ist als andere Systeme. Dennoch zeugt es von einem Minderwertigkeitskomplex, dass man die wechselwilligen Windows-User damit lockt, es bleibe optisch und in Sachen Benutzerführung alles beim alten – obwohl die in Redmond von Usability bekanntlich keine Ahnung haben.

Von Apple lernen heisst, Windows dissen lernen

Und überhaupt: Hat Apple bei seiner Switch-Kampagne etwa damit geworben, der Mac sei gleich wie Windows? Nein, man hat den Windows-PC diskreditiert, der Ellen Feiss’ Hausaufgaben gefressen hat.

Bei den Diskussionen mit den eingefleischten Linux-Gemeindemitgliedern spüre ich einen zweiten Widerspruch. Einerseits möchte man die Anwenderbasis tatsächlich erweitern und den anderen Desktop-Systemen User abjagen. Andererseits gefällt es den Linux-Usern relativ gut in ihrem illusteren Kreis. Da wird nicht jeder dahergelaufene Konvertit in die Arme geschlossen – da wirft man selbst wohlwollenden Aussenstehenden lieber erst einmal Inkompetenz vor. Denn Linux ist kein Betriebssystem, das man einfach so benutzen könnte. Es ist eine Geisteshaltung, die man hat oder eben nicht.

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