Marc Bächinger ist mir vor einiger Zeit für den Tagi und das Digitalmagazin von Radio Stadtfilter zu Firefox OS Red und Antwort gestanden. Er hat mir auch ein Gerät mit Firefox OS ausgeliehen. Das ist das Geeksphone Peak, das sich vor allem an Entwickler richtet und im Moment ausverkauft ist.
In Sachen Firefox OS war (und bin) ich skeptisch. Grundsätzlich finde ich es toll, dass die Mozilla-Stiftung für Offenheit einsetzt und es sich auf die Fahnen geschrieben hat, das mobile Internet auch in Gegenden dieser Erde zu bringen, wo sich nicht jeder ein iPhone leisten kann. Ich frage mich, ob sich die Mozillianer nicht überlupfen und das Kerngeschäft vernachlässigen. Und eben: Können die Idealisten von Mozilla wirklich gegen das übermächtige Android anstinken? Ausserdem sind auch Microsoft und Nokia dabei, mit Windows Phone aufzuholen.
Dank der Leihgabe konnte ich mir einen eigenen Eindruck von Firefox OS verschaffen. Das Gerät wirkt äusserlich nicht anders als ein Android-Gerät aus der günstigen Kategorie. In Sachen Hardwareausstattung gehört es zu den leistungsfähigeren Modellen: Qualcomm Snapdragon-Chip mit 1,2 Ghz, 4,3-Zoll-Display, UMT, 8-Megapixel-Kamera.
Wie ein unehelicher Spross von Android und iOS
Das Betriebssystem wirkt wie ein illegitimes Kind von Android und iOS. Die Typografie erinnert sehr an Googles Betriebssystem, ebenso die Benachrichtigungen, die mit einer Wischbewegung vom oberen Bildschirmrand angezeigt werden. Der Homescreen ist dagegen sehr iPhone-esk in seiner Aufteilung. Es gibt das Gitter mit den App-Symbolen, wobei man in die unterste Leiste die Symbole packt, die immer sichtbar sein sollen. Das Anordnen der Symbole funktioniert genauso, wie man es sich gewohnt ist: Man tippt ein Symbol an, hält den Finger gedrückt und kann die Symbole dann verschieben oder löschen.
Durch vertikales Wischen nach rechts wechselt man zwischen seinen Homebildschirmen durch. Wenn man nach links wischt, erscheint der Sperrbildschirm mit Zeit und Datum und mit einer weiteren Wischbewegung nach links erscheint die adaptive Suche. Mit ihr durchsucht man gleichzeitig die installierten Apps und das Web.
Der Browser – natürlich Firefox – kann im Quer- und im Hochformat benutzt werden, wobei die Anzeige automatisch umstellt, wenn man das Gerät dreht. So ist man sich das auch gewohnt. Auf dem Display mit seinen 540 × 960 Pixeln lässt es sich angenehm lesen.
Viele Websites sind nicht gut lesbar
Es fällt allerdings auf, dass viele Websites nicht optimal dargestellt werden. Heise.de und tagesanzeiger.ch beispielsweise erscheinen zwar in der Variante für Mobilgeräte, aber trotzdem ist die Schrift winzig, sodass im Vergleich etwa zum iPhone sehr viel mehr Buchstaben auf eine Zeile passen, was das Lesen erschwert. Manche Websites (etwa clickomania.ch oder blick.ch) erscheinen mit dem normalen Layout und nicht mit der Mobildarstellung, obwohl eine solche vorhanden wäre.
Das Scrollen und Zoomen (per Kneifbewegung) erfolgt nicht immer ruckelfrei, aber doch ausreichend schnell, dass auch datenintensive Sites (wie etwa die Frontseite von blick.ch) nutzbar sind – auch wenn bei so aufwändigen Sites der Bildschirmaufbau mitunter so langsam erfolgt, dass man beim Scrollen viel Fingerspitzengefühl walten lassen muss.
Keine Google-Werbung
Ausserdem fällt mir auf, dass die Adsense-Werbung in diesem Blog nicht angezeigt wird.
Die virtuelle Tastatur lässt sich so gut oder schlecht bedienen, wie man das von iOS her kennt. Allerdings fehlt das Schweizer bzw. das deutsche Tastaturlayout. Und was wirklich verbessert werden müsste, ist die Positionierung des Cursors. Die von iOS her bekannte Positionierungshilfe in Form einer Lupe gibt es nicht, sodass es unmöglich ist, den Cursor bei einer Textkorrektur zwischen die richtigen beiden Buchstaben zu bekommen.
Man kann sogar Radiohören damit
Positiv: In den Einstellungen kann man eine Vorschlagsfunktion einschalten, mit der man wie bei T9 angefangene Worte passend vervollständigen kann. Das funktioniert beim Testgerät allerdings nicht auf Deutsch, da zu den sechs Sprachvarianten zwar Englisch, Spanisch, Französisch und Portugiesisch zählen, nicht aber Deutsch.
Zu den Standard-Apps gehört die Telefon-App und die Messages, Kamera, der Firefox-Browser, Kalender, Mail und Kontakte, die Fotogalerie, die Einstellungen (Settings), eine UKW-Radio-App, der Store namens Marketplace, sowie eine Uhr, Musik- und Video-App, plus eine App namens Usage, welche den Datenverbrauch anzeigt.
Über den Marketplace besorgt man sich weitere Apps. Im Angebot sind Apps für diverse soziale Netzwerke wie Twitter, Soundcloud und Facebook. Es gibt eine Wikipedia-App und mit Here auch eine Navigations-App. In der Kategorie der Kommunikation findet sich eine App namens Wassap, die wie WhatsApp funktionieren soll. Auch eine Youtube-App ist verfügbar und sogar Solitär oder «Cut The Rope» kann man spielen.
«Cut The Rope» erscheint seltsamerweise in der Queransicht. Das führt dazu, dass die Bedienelemente nur knapp zur Hälfte sichtbar sind. Das Spiel wechselt auch nicht ins Hochformat, wenn man das Handy entsprechend dreht, was unschön ist. Dem Spielvergnügen tut es nur wenig Abbruch. Doch es zeigt, dass viele Apps noch in einem Rohzustand anzutreffen sind und es noch einiges an Politur braucht, bis sie an iOS- oder Android-Niveau herankommen.
Die Einstellungen sind überschaubar. Nebst den üblichen Optionen zum Flugzeugmodus, GPS, Wi-fi, Display, Benachrichtigungen, Keyboard, Bluetooth und Mobilfunk gibt es bei Internet Sharing auch die Möglichkeit, einen persönlichen Hotspot einzurichten.
Viele Anleihen bei der Konkurrenz
Das Tethering ist per USB und per WLAN möglich. Unter App Permissions erscheinen die Berechtigungen für eine App, bei der man beispielsweise die Abfrage der Geolocation über die Optionen Ask, Deny und Grant steuert. An dieser Stelle ist auch die Deinstallation einer App möglich. Drückt man lange auf den Home-Knopf, erscheint der Task-Switcher, der wie bei iOS7 eine Voransicht der offenen Apps zeigt. Um eine App zu schliessen, kann man sie nach oben wegschnippen – das kommt einem sehr bekannt vor.
Wenn man Firefox OS direkt mit Android, iOS oder Windows Phone vergleicht, dann kann Mozilla nur verlieren. Das alternative Betriebssystem ist weniger weit entwickelt als die Konkurrenz. Es verhält sich in vielen Belangen noch nicht sehr rund. Es ist der Tata Nano in einer Welt, wo wir uns den Audi A7 gewöhnt sind (als ob ich etwas von Autos verstehen würde, höhö!).
Das Zielpublikum sind Nutzer, die sich ein iPhone nicht leisten können
Aber wir hierzulande sind nicht das Zielpublikum. Firefox OS richtet sich an Leute, die sich entweder ein Featurephone oder aber eines der sehr günstigen Firefox-OS-Smartphones leisten können. Und dieser Vergleich geht hervorragend aus für Firefox OS: Mit den HTML5-Apps, der Internet-Konnektivität und dem ordentlichen Browser erschliesst es Leuten das Netz, die sonst keinen Zugang dazu hätten. Und das ist ein grosses Verdienst!