Nerdgasmus und Popkulturklimax

«Ready Player One» von Ernest Cline ist ein grossartiges Buch für alle, die die 1980er-Jahre noch selbst erlebt haben: Dicht gepackt mit Referen­zen an all die Dinge, die unser Lebens­gefühl geprägt haben, ausge­zeich­net verpackt als Erzäh­lung, so unter­halt­sam wie ein C64-Game.

Aus einer notorisch gut informierten Quelle wusste ich, dass ich nicht darum herumkommen würde, mir Ready Player One von Ernest Cline zu Gemüte zu führen. Da wurde einem schliesslich nichts weniger als ein Nerdgasmus versprochen. Plus ein Klimax, was die Popkultur aus den Achtzigern angeht – und überhaupt alle Dinge, die unsereins so erfreuen. Also Computerspiele, historische Computer wie den C64, Rollenspiele, und auch die Abkapselung in einer Parallelrealität.

Gesprochen von Wil Wheaton

Da das Hörbuch im Original vom Evil Wil Wheaton-Darsteller Wil Wheaton gesprochen wird, war klar, dass die Geschichte in dieser Darreichungsform konsumiert werden musste.

In der perfekten Computersimulation feiern die technisch primitiven Uralt-Games ihre Auferstehung. (Pac Man, Zork, Adventure, dann Dungeons of Daggorath, Joust und Tempest)


Und ich darf verkünden, dass der Titel den hohen Erwartungen locker standhielt. Ernest Cline hat das Meisterstück geschafft, eine Geschichte zu schreiben, die zu grossen Teilen in einer virtuellen Umgebung spielt, aber dennoch nicht langweilig ist. Diese Parallelrealität ist die Ontologically Anthropocentric Sensory Immersive Simulation (kurz Oasis), eine Art Second Life in Gut. Auch die Verwebung der Simulation mit der Realität ist glaubwürdig, und die Zahl der eingestreuten Meme astronomisch – von der Musik über Filme, Fernsehserien und Comics bis hin zu den unzähligen Game-Titeln wird hier alles ausgebreitet, was unsereins geprägt hat.

Wer noch nie einen Cybercrush hatte…

Klar, diese Prägung auf Retrogames und Computernostalgie schränkt den Leserkreis dieses Werks stark ein. Wer mit Easter Eggs und bizarren Avataren, Pac-Man, Dungeons of Daggorath, Zork und Tempest, Cyberschlachten und dem Cybercrush nichts anfangen kann, der liegt bei diesem Titel falsch. Das ist ein Buch für uns Stubenhocker, die wir gern in alternative Welten abdriften – je irrealer, desto besser –, und: Wade Owen Watts bzw. sein Alter-Ego Parzival in der Oasis, das ist unser Held.

Über die Geschichte sei nur soviel erzählt, dass nach dem Tod des überragenden Game-Designer und Oasis-Erfinder James Halliday ein riesiges Preisgeld ausgesetzt ist für denjenigen, der das Osterei in der Oasis findet. Die Suche entpuppt sich aber nicht nur deswegen als schwierig, weil nur popkulturelle Highflyer eine Chance haben, dem Rätsel auf die Spur zu kommen und überhaupt erst einmal den ersten der drei Schlüssel zu finden. Zusätzlich gibt es einen bösen Gegenspieler in Gestalt der Innovative Online Industries. Das ist ein multinationales Unternehmen, das die Oasis als Hort der virtuellen Freiheit dem Kommerz opfern will. Wer hier Kapitalismuskritik erkennt, liegt sicherlich richtig – mir hat das sehr gut gefallen.

Wunderbare Retrofuture

Ein wunderbares Retrofuture-Buch, das in einer Sciencefiction-Kulisse aus dem Jahr 2044 die Achtziger-Jahre auferstehen und einen Nerd die Welt retten lässt… auch wenn es in diesem Fall nur die virtuelle Welt der Oasis ist. Wil Wheaton macht seinen Job als Sprecher ganz okay, auch wenn er nicht der allerbegnadeste Stimmenartist ist. Dem Ready Player One-Wiki entnehme ich, dass Warner Bros. die Filmrechte gekauft hat. Das Potenzial für einen grossartigen Streifen ist vorhanden. Hoffentlich verhunzen sie es nicht.

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