Ich bin seit einigen Wochen stolzer Träger eines Jawbone Up (siehe auch Der Coach am Handgelenk). Und zwar gewissermassen unabsichtlich. Als ich in den Winterthurer Letec-Laden marschiert war, wollte ich mir ein Fitbit kaufen. Aber der Verkäufer hat mich erfolgreich beschwatzt, zum Jawbone umzuschwenken – weil das doch besser aussieht (und 20 Franken teurer ist).
Die Prämisse hinter der Quantified Self-Bewegung ist, dass man sich mehr bewegt, wenn man seine Daten aufzeichnet. Es wird gesagt, dass das Selbst-Monitoring zu mehr Bewegung und einer besseren Fitness führt. Ob dem wirklich so ist, müsste man auf breiter Basis erhärten. Einige Leute lassen sich von ihren Zahlen und der «Lebenskurve», wie sie von Jawbone ausgewiesen wird, sicherlich anstacheln. Bei anderen dürfte die Euphorie relativ schnell verfliegen. Darum könnte es sein, dass Bänder wie das Jawbone Up, das Fitbit oder das Fuelband, den Herstellern mehr nützt als den Trägern. Und man die Gadgets als teures Spielzeug kategorisieren müsste.
Neben dem Up verwende ich seit einiger Zeit die Moves-App (im Beitrag Weil jedes Schrittchen zählt besprochen). Sie erfüllt den Zweck ohne ein Extra-Gadget, und sie hat gegenüber dem Up den Vorteil, dass sie Aktivitäten wie Velofahren, Rennen und Spazieren automatisch auseinanderhalten kann. Sie trackt nicht nur die Bewegung, sondern auch die Route trackt.
Datenschutz versus Selbstdokumentation
Natürlich, damit sticht man in das Wespennest des Datenschutzes – aber ich persönlich finde es halt toll, dass ich nachträglich unsere Stadtwanderungen durch Berlin genau nachvollziehen kann. Das hilft der Erinnerung auf die Sprünge und wertet die Erinnerungen auf.
Veranlassen mich die Moves-App und das Up tatsächlich zu mehr Bewegung? Das ist schwierig zu sagen. Es stört mich tatsächlich, wenn die Moves-App in der Wochenübersicht keinen blauen Punkt zeigt, weil ich es nicht geschafft habe, auf meine #Velorunde zu gehen.
Die App übt einen gewissen Druck aus
Es ist ein Stachel im Fleisch, wenn die Up-App ausweist, dass ich einige Tage hintereinander mein selbstgestecktes Ziel von 7500 Schritten nicht erreicht habe. Da lasse ich mich schon vom Ehrgeiz packen – aber es bedeutet trotzdem nicht, dass ich alles daran setzen würde, das Ziel zu erreichen. Denn wie das so ist: Man erst in der Lage sein, zwischen den Anforderungen der Arbeit, den wahren und den selbst auferlegen Verpflichtungen und dem Freizeitstress, Freiräume für die Bewegung zu schaffen. Das klappt nicht immer – und da die Selbstqunatifizierung dann auch zu einem zusätzlichen Stressfaktor werden.
Wenn man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzt, führt Quantified Self schon zu mehr Bewegung. Ich gehe zu Fuss zu einem Termin, statt das Tram zu nehmen, um einige Schritte auf meinem Bewegungskonto zu verbuchen. Es führt zu mehr Treppensteigen und kann zwischendurch tatsächlich den Ausschlag geben, dass man den inneren Schweinehund überwindet. Vom No Sports-Motto meiner Teen- und Twen-Zeit hätte ich mich aber auch so verabschiedet. Denn irgendwann jenseits der Dreissiger wird einem klar, dass Bewegung zum eigenen Vorteil ist. Selbst wenn es den Glaubenssätzen der Jugend widerspricht.
Die Synchronisation via Klinkenstecker ist umständlich
Das Fazit nach einigen Wochen Jawbone Up-Tragens ist etwas zwiespältig. Dass man es zum Datentransfer über den Klinkenstecker an die Kopfhörerbuchse anschliessen muss, ist auf die Dauer lästig. Jawbone müsste (optional oder ausschliesslich) eine drahtlose Transfermöglichkeit anbieten, selbst wenn das die Laufzeit des Akkus verringern sollte.
Die App ist hübsch gestaltet, auch wenn ich nur die Basisfunktionen nutze: Das heisst, die Überwachung der Bewegung und des Schlafs. Ach ja, und die Möglichkeit, sich geräuschlos über den Vibrationsalarm wecken zu lassen, ist hervorragend. Wenn ich meine Pflichten als Morgomatthias wahrnehmen und noch vor fünf Uhr aufstehen muss, kann ich das tun, ohne meine Frau aufzuwecken.
Die weiteren Möglichkeiten – Warnung bei Inaktivität, Stoppuhr, das «intelligente» Nickerchen und die Trainingsfunktion – nutze ich bislang kaum, und ich trage auch die konsumierten Mahlzeiten nicht ein. Das würde nur etwas bringen, wenn man es aufs Kalorienzählen anlegt.
Die Kalorien zu zählen, bringt es nicht
Darauf habe ich keine Lust, und ich glaube nicht, dass die Kalorienangaben nur annähernd genau ist. Der Energiegehalt eines Gerichts hängt nicht nur von der Portionengrösse, sondern auch von den Zutaten und der Zubereitung ab. Die viel zitierte Pizza kann man von einigermassen leicht bis extrem fettig zubereiten – also bringt es nichts, wenn ich sie in der App eintrage. Achtung, Business-Idee: Eine App, einem anhand eines Fotos mit dem Essen auf dem Teller sagt, wie viele Kalorien man gerade zu sich nehmen wird, wäre doch der Börner!
Die Gadgets und die Apps schärfen das Auge für eigene Gewohnheiten und zeigen auf, wo man sich im Kleinen mehr Bewegung verschaffen kann. Deshalb sind sie ihr Geld wert – auch wenn das Jawbone Up wirklich zu teuer ist (ab 144 Franken).
Na besser quanzifiziert als… gar nicht… 😉
Ich bin es seit 25.12.2012 mit Fitbit der auch ganz gut funktioniert, sofern man ihn nicht mit in die Wäsche gibt.
Mich hat das Teil definitiv zu mehr Schritten und vor allem mehr Treppen motiviert, also zu mehr Bewegung was ja auch das Ziel ist. Erreicht wird das übrigens nicht nur durch den mitgetragenen Chip allein. Ganz entscheidend ist auch die daran hängende Community und damit der Wettbewerb mit anderen Besitzern des selben Teils.
Ich stelle mir vor dass nicht jeder Typ Mensch gleichermassen anfällig ist für solche Gadgets. Aber was soll’s. Bei mir wirkt es was ja die Hauptsache für mich ist, obwohl es sicher nicht wenige Mitmenschen gibt, die das nötiger hätten als ich 😉