… hat Steven Sinofsky gestern gestossseufzt (vermute ich). Ein grosses Projekt ist vollbracht. Windows 8 hat in der finalen Version die Entwicklergemeinde erreicht. Die fertige Version ist über Microsofts Developer Network (MSDN) erhältlich. Die Verbraucher können es dann ab 26. Oktober kaufen und verbrauchen (wie sich das für Verbraucher gehört).
Ich habe mir die Version heruntergeladen und bringe nachfolgend einige Beobachtungen zu… naja, nicht zu Papier, aber zu Internet.
Erste Beobachtung: Gegenüber der ersten Version, dem Developer Preview hat sich einiges getan (hier besprochen). Die Unterschiede zum Consumer Preview (hier) sind dagegen marginal. Die offensichtlichste Neuerung besteht darin, dass der Beta-Fisch verschwunden ist und durch Blumen ersetzt wurde. Durch Margeriten, wenn ich das als Flora-Nilpe richtig sehe.

Auch bei den Apps hat Microsoft, zumindest bei einem oberflächlichen ersten Augenschein, nicht wirklich nachgelegt. Ich hätte mir da schon etwas mehr erhofft. Die Mail-App und die Kalendar-App sind spartanisch und können weder mit ihren Pendants aus iOS oder Android, noch mit gängigen Web-Anwendungen mithalten. outlook.com ist dieser App um Welten überlegen.
Diese Apps locken niemanden hinter dem Ofen hervor
Die Apps können über den Store aber auch unabhängig vom Betriebssystem aktualisiert werden. Und es ist sehr zu hoffen, dass Microsoft bis zum 26. Oktober von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, denn diese Apps locken niemanden hinter dem Ofen hervor.


Die Wetter-App findet automatisch den Wohnort heraus und zeigt auch gleich das lokale Wetter an. Es gibt Übersichtskarten und eine stündliche Vorhersage. Daran ist nichts auszusetzen!

Die neue News-App gibt eine schöne Auswahl an Newsquellen. Als Winterthurer vermisse ich Der Landbote, und als Redaktor beim Digital-Ressort des Tagesanzeigers finde ich es unverständlich, dass die News-App beim Tagi die Rubriken Schweiz, Ausland, Wirtschaft und Sport anbietet, aber keine Digital-Themen. Auch Kultur und Zürich fehlen, dabei sind die doch fast ebenso wichtig wie Digital.


Die Reise-App ist komplett nutzlos. Sie leistet nichts, was man nicht über eine ganz normale Webseite auch erreichen könnte.

An der Finanz-App ist, soweit ich sehe, nichts auszusetzen.

Verschwunden ist gegenüber dem Consumer Preview der Remote Desktop und auch die Spiele «Solitär» und «Pinball FX2» scheinen abhandengekommen zu sein. Hier ist wohl die Idee, dass man sich die aus dem Store besorgt, wenn man sie denn vermisst.

Das Angebot im Windows Store ist überschaubar. Das soll nicht verwundern, wird er doch erst dieser Tage für die Entwickler geöffnet.
Der Store muss noch zulegen
Wenn es in Microsofts Sinn läuft, dann gibt es bis zum 26. Oktober vielleicht kein überwältigendes, aber doch anständiges Sortiment an Apps.

Eine der Apps im Blickpunkt ist OneNote. Sie macht einen hervorragenden Eindruck: Die Oberfläche ist sehr übersichtlich, man könnte auch sagen: asketisch. Zur Formatierung von Elementen oder zum Einfügen von Bildern, Tabellen, Elementen aus der Zwischenablage oder Tags gibt es ein kreisrundes Steuerelement, das Befehle als Kreissegment anbietet.
Beim Antippen eines Elementes gibt es, ebenfalls in Kreisform, die entsprechenden Optionen zur Auswahl. Das funktioniert per Maus ganz ordentlich, dürfte aber auch für die Touch-Bedienung sehr geeignet sein. Auch für Office wäre dieses Konzept sinnvoll und wäre zur Bedienung per Finger besser geeignet als das Spreizen der Bedienelemente über den Touch Mode (wie hier beschrieben).
Ist die Onenote-App ernst gemeint?
Beim Funktionsumfang kann sich diese App weder mit der PC-Version von OneNote, noch mit Evernote messen. Mir ist nicht klar, ob die für den ernsthaften Gebrauch gedacht ist oder ob Microsoft sie als Showcase versteht. D.h. als Vorzeigeprojekt, das Softwareentwicklern zeigen soll, wie eine idealtypische Metro-UI Pardon, Modern UI-Anwendung aussehen müsste.

Höchst erfreulich ist, dass der Sync der Benutzerkonten bestens funktioniert. Ich habe die finale Version von Windows 8 neu installiert, weil ich beim Consumer Preview die 32-bit-Version verwendet hatte und nun auf die 64-bit-Version umsatteln wollte. Trotz der Neuinstallation wurden viele (nicht alle) meiner Einstellungen übernommen, namentlich meine Anpassungen am Desktop.

Diesbezüglich fällt auf, dass Windows 8 nun schon beim Start einige Konfigurationsmöglichkeiten anbietet. Beispielsweise darf man ein Farbschema für die Kachel-Umgebung wählen.

Schliesslich scheint mir, dass Microsoft die Inkonsistenz zwischen Modern UI und herkömmlichem Desktop entschärft hat. Beim Consumer Preview war es so (falls ich mich recht erinnere), dass man manche Einstellung in der klassischen Systemsteuerung vornehmen musste, andere Einstellungen dagegen in einer Modern UI-Anwendung namens PC Einstellungen.
Jetzt taucht auf dem Desktop die Systemsteuerung auf. Öffnet man auf der Startseite die Charms-Leiste und klickt auf PC-Einstellungen ändern, landet man in der Modern UI-Ansicht. Das ist so weit einleuchtend. Es fällt auf, dass manche Einstellungen, etwa die zum Windows-Update oder für die Heimnetzwerkgruppe, sowohl in der Systemsteuerung als auch in PC-Einstellungen vorgenommen werden können.
Das neue System und die Altlasten, sie sind und bleiben irritierend
Das ist bei der seltsamen Doppelnatur von Windows 8 unvermeidlich – dennoch ist es in hohem Mass irritierend und wirft (erneut) die Frage auf, ob die Zusammenführung zweier so unterschiedlicher Bedienkonzepte nicht doch ein fundamentaler Fehler war.
