Microsoft, kriech mal hinter dem Ofen hervor!

Microsoft will die ganze Welt von den Tablet-Fähigkeiten von Office und Windows 8 überzeugen. Doch damit das auch glaubhaft wirkt, müssten wir Journalisten unbedingt Surface-Geräte zum Testen bekommen.

Am letzten Montag hat Steve Ballmer, seines Zeichens Oberindianer beim Stamm der Microsofties, einen Tanz ums neue Office 2013 aufgeführt (meinen Testbericht gibt es hier). Das sei eines der wichtigsten Updates, sagte Ballmer. Weil die Bürosoftware nun auch mit Gesten gesteuert werden kann.

Auch Windows 8 wird bekanntlich auf ein neues Bedienkonzept getrimmt, das nur auf Tablet-Geräten richtig Sinn ergibt. Mit brachialer Gewalt will er in diese Gefilde vordringen, in denen Apples iPad herrscht. Wenn dieser Schuss nach hinten losgeht, dann wird Microsoft so richtig alt dastehen. Dann werden im kleiner werdenden PC-Markt Windows 7 und Office 2010 über Jahre das Mass aller Dinge bleiben. Während Apple und Android den mobilen Markt unter sich aufteilen.

Der Schuss könnte nach hinten losgehen

Ballmer pokert hoch. Risiken gibt es bei diesem Richtungswechsel viele. Anders als Apple kann Microsoft nicht allein den Kurs bestimmen. Wegen des Partner-Modells ist Microsoft von den Hardware-Herstellern abhängig. Wenn die das Risiko scheuen, mit Tablets gehen das iPad anzutreten und stattdessen lieber 0815-Laptops bauen, dann fehlt Microsoft die Hardware, auf der Windows 8 brillieren kann. Dass Microsoft mit Surface ein eigenes Gerät baut, kann als Misstrauensvotum gegenüber den Hardware-Partnern gewertet werden. «Baut selbst Tablets und Convertibles, sonst reissen wir dieses Geschäft an uns», könnte die unterschwellige Drohung lauten. Vielleicht haben aber auch die Stimmen recht, die Microsofts Geschäftsmodell grundsätzlich in Frage stellen. Die Zeit sei vorbei, wo teure Software auf billiger Hardware lief, sagen sie. Die Zukunft gehöre Apples Modell, bei dem Software fast gratis zu haben ist und das Geld über die (vergleichsweise) teure Hardware hereinkommt.

Surface in freier Wildbahn?

Wie auch immer. Was mich an der Sache stört, ist, dass niemand hierzulande ein Tablet mit Windows 8 zum Testen bekommen hat. Da ich aus wohlinformierten Quellen weiss, dass dieser Blog hier durchaus in den Social-Media-Monitoring-Tools auftaucht, sage ich es klipp und klar: Das ist ein eklatanter Fehler. Microsoft stellt Windows 8 und Office 2013 zwar der ganzen Welt zum Testen zur Verfügung.

Doch das ist nur das halbe Produkt. Respektive noch nicht einmal das. Die Touch-Steuerung, um die das ganze Produkt gebaut wurde, kann mit Maus und Tastatur überhaupt nicht begutachtet werden. Und das weckt Zweifel: Man sieht einen Startscreen, der das Startmenü ersetzt und kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der auf dem Desktop-PC und Laptop rein gar nichts bringt. Es wächst die Angst, dass Windows auf eine Geräteklasse zugeschnitten wird, die keiner kennt und nach der niemand gefragt hat.

Powerpoint 2013: Links in der normalen Ansicht für PCs und Laptops, rechts mit aktiviertem Touch Mode für Mobilgeräte, bei Schaltflächen und Symbole weiter auseinander platziert werden.

Microsoft täte gut daran, die Zeit bis zum Start von Windows 8 zu nutzen, um möglichst viele Leute von den Tablet-Fähigkeiten ihrer Produkte zu überzeugen. Und das geht nun einmal nicht ohne passende Hardware. Surface müsste ab sofort verfügbar sein und zahlreich unter die Leute gebracht werden.

Wer Windows 8 ernsthaft testet, müsste auch die Apps und das Metro-Interface auf der passenden Hardware sehen können. Dann würde es wahrscheinlich leichter fallen, Microsofts Zukunftsvision zu teilen. So ist die Gefahr gross, dass die Stimmung ins negative kippt und das Windows-8-Debakel zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird…

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