Von wegen Schutz des Urheberrechts!

Ich habe neulich einen Verlagsvertrag unterbreitet bekommen, bei dem mir die Kinnlade auf die Brust geklappt ist: Was ich hier alles an Rechten abtreten sollte, geht auf keine Kuhhaut.

Die Filmindustrie führt sich extrem heulsusig auf, weil ein paar ihrer Kunden die Neigung haben, den Inhalt von DVDs ins Internet zu stellen. Solche Leute mit der Juristenkeule niederzuknüppeln, reicht diesen sog. «Rechteinhabern» aber nicht aus. Nein, man muss ganze Regierungen vor den Karren spannen und mit Acta und Sopa auch gleich das Internet nach chinesischem Vorbild umbauen.

Die sog. «Rechteinhaber» schaffen keine Werke

Das ist ein Affront gegenüber den Internetbenutzern, und es dient der Sache nicht. Wie einige Leute zu Recht bemerkt haben, sind die sog. «Rechteinhaber» nämlich in aller Regel nicht die Leute, die ein Werk geschaffen haben. Das ist in der Musikindustrie der Fall, wo Prince einst sagte:

Wenn einem die eigenen Master nicht gehören, gehört man dem Master. (Zitiert nach Wikipedia)

Es ist aber auch in der Autorenbranche so. Ich copy-paste mal die Passage bezüglich Rechte aus einem Vertrag, der mir genau in dieser Form unterbreitet wurde:

2.1.2. Übertragung der Verlagsrechte

Die Urheberrechte bleiben bei Autor. Autor überträgt ∎∎∎∎∎∎∎ für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts das ausschließliche Recht zur Verfielfältigung [sic!] und Verbreitung des Werks oder Teilen des Werkes für alle Druck- und körperlichen elektronischen Ausgaben sowie für die Online-Nutzung (nicht abschliessende Aufzählung: Handys, PDAs, Personal Computer, Macintosh, iPod u.a. Devices), einschliesslich durch Autor veränderte Versionen (beliebige Veränderungen am Text und/oder Softwarecode, die Übersetzung und Übertragung in andere Sprachen), ohne Stückzahlbegrenzung, für alle Sprachen weltweit.

Soweit der Auftakt. Richtig los geht es aber erst jetzt.

2.1.3. Übertragung der sonstigen Nutzungsrechte
Autor überträgt ∎∎∎∎∎∎∎ für die Dauer des Hauptrechts gemäß 2.1.2. außerdem folgende ausschließliche Nebenrechte für alle bekannten oder zukünftigen Nutzungsarten:

a) Das Recht des ganzen oder teilweisen Vorabdrucks und Nachdrucks, auch in Zeitungen und Zeitschriften;
b) das Recht der Übersetzung in eine andere Sprache oder Mundart;

c) das Recht zur Vergabe von Lizenzen für deutschsprachige Ausgaben in anderen Ländern sowie für Taschenbuch-, Volks-, Sonder-, Reprint-, Schul- oder Buchgemeinschaftsausgaben oder andere Druck- und körperlichen elektronischen Ausgaben;

d) das Recht der Herausgabe von Mikrokopieausgaben;
e) das Recht zu sonstiger Vervielfältigung, insbesondere durch fotomechanische oder ähnliche Verfahren (z.B. Fotokopie);

f) das Recht zur Aufnahme auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe mittels Bild- oder Tonträger (z.B. Hörbuch), sowie das Recht zu deren Vervielfältigung, Verbreitung und Wiedergabe;

g) das Recht zum Vortrag des Werks durch Dritte;

*heul* Geht es noch lange?! (Bild: elvissa/Flickr.com, CC BY 2.0).

Leider ja. Wir sind erst bei g).

h) die am Werk oder seiner Bild- oder Tonträgerfixierung oder durch Lautsprecherübertragung oder Sendung entstehenden Wiedergabe- und Überspielungsrechte;

i) das Recht zur Vergabe von deutsch– oder fremdsprachigen Lizenzen in das In- und Ausland zur Ausübung der Nebenrechte a) bis h);

j) das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes oder nach ihm hergestellten Fassungen in besonderen Verfahren wie elektronische Datenaufzeichnung, einschließlich Programmierung, Speicherung und Aufnahme in Computerprogramme und Übertragung auf weitere Datenträger, Datenanlagen, Embedded Systems und Datentechniken, insbesondere CD-ROM, DVD sowie alle sonstigen vergleichbaren Technologien, Diskette und sonstige Softwaredatenträger, in Online- und Offline-Dienste und das Recht zur Einspeisung in interne und externe Netzwerke, insbesondere in das Internet, einschließlich das Recht zur entsprechenden Vervielfältigung und Verbreitung;

k) das Recht, das Werk zu verlinken, am Ende des Werks eine Linkübersicht ins Werk zu integrieren;

l) das Recht, das Werk im Rahmen von Werbe-, PR-, Marketing- und Vertriebspromotionen, wie z.B. als Beilage auf einer Magazin-CD-ROM oder in einem Online-Portal eines Content- und/oder Vertriebspartners einzusetzen und ggf. auch unentgeltlich abzugeben, um den Bekanntheitsgrad von Werk und/oder Autor und/oder ∎∎∎∎∎∎∎ zu steigern.

Man denkt, die Worte «ausschließlich» und «einschließlich» seien nun oft genug gefallen. Aber nein, es geht noch weiter.

Darüber hinaus räumt Autor ∎∎∎∎∎∎∎ für die Dauer des Hauptrechts weitere ausschließliche Nebenrechte – insgesamt oder einzeln – ein:

a) Das Recht zur Bearbeitung als Bühnenstück sowie das Recht der Aufführung des so bearbeiteten Werkes;

b) das Recht zur Verfilmung einschließlich der Rechte zur Bearbeitung als Drehbuch und ur Vorführung des so hergestellten Films;

c) das Recht zur Bearbeitung und Verwertung des Werks im Fernsehfunk einschließlich Wiedergaberecht;

d) das Recht zur Bearbeitung und Verwertung des Werks im Hörfunk, z.B. als Hörspiel einschließlich Wiedergaberecht;

e) das Recht zur Vertonung des Werks;

f) das Recht zur Vergabe von Lizenzen zur Ausübung der Nebenrechte a) bis e).

Und ausserdem:

2.1.4. Vergabe von Lizenzen

∎∎∎∎∎∎∎ ist jederzeit berechtigt, Drittpersonen die Verwertung einzelner oder aller Verlagsrechte und/oder sonstigen Nutzungsrechte zu übertragen und zu diesem Zweck Lizenzen zu vergeben.

Brauche ich zu erwähnen, dass ich nicht unterschrieben habe? (Obwohl ich eigentlich daran interessiert wäre, eines meiner kleinen Tipp-Artikelchen als Bühnenstück oder Hörbuch zu hören. Aber dass sich ein Verlag die Rechte sichert, heisst ja eben nicht, dass diese Rechte jemals wahrgenommen werden.)

Du nix, wir alles.

Man hätte es auch kürzer machen können: Du nix, wir alles. Dieser Vertrag dürfte typisch dafür sein, wie die Rechteinhaber in vielen Bereichen an ihre Rechte kommen. Glaubt darum irgendwer die Mär, dass dieser vermeintliche Schutz des Urheberrechts demjenigen hilft, der ein Werk geschaffen hat? Nein, es hilft demjenigen, der sich die Nutzungsrechte gesichert hat und diese nach seinem Gusto zu Geld macht.

Zum Honorar äussert sich der Vertrag wie folgt:

4.1. Honorar für Verlagsrechte und sonstige Nutzungsrechte

Der Autor erhält als Honorar zwanzig (20) Prozent der von ∎∎∎∎∎∎∎ realisierten Umsätze (=einkassierte Nettoerlöse [ohne MwSt.]) aus der Verwertung der Vertriebs- und sonstigen Nutzungsrechte zuzüglich der auf die Honorare anfallende Mehrwertsteuer, sofern der Autor der Mehrwertsteuer untersteht, diese berechnen darf und diese auch mit der Mehrwertsteuerbehörde abrechnet. Der Nettoerlös ist nicht der Preis, den der Kunde bezahlt, sondern der effektive Umsatz, den ∎∎∎∎∎∎∎ erzielt, also abzüglich Mehrwertsteuer, Belastungen wie z.B. Kreditkarten- und andere Inkassokosten und die von unseren Absatzpartnern für deren Vertriebsbemühungen einbehaltenen Margen.

Es liegt auf der Hand, dass man über Begriffe wie «die von unseren Absatzpartnern für deren Vertriebsbemühungen einbehaltenen Margen» das Honorar nach Belieben steuern, sprich: reduzieren kann. Der Autor ist auf das Wohlwollen des Rechteinhabers angewiesen. Wenn der sich hart zeigt, kann es dem Autor die Raubkopiererei völlig schnurz sein – für ihn macht sie finanziell keinen Unterschied.

Ich sage jetzt nicht, dass alle Verträge so brutal sind. Es gibt auch die, die etwas partnerschaftlicher ausfallen. Aber ich stelle mir vor, dass diese Verträge im Bereich der Neuen Medien häufiger sind, als wir es uns denken würden.

Wer von wem schützen?

Wenn unsere lieben Politiker also etwas für die Kreativen tun wollen, dann sollten sie sie vor gierigen und unverschämten sog. «Rechteinhabern» schützen – und sich von der Illusion befreien, dass diese Leute wüssten, was gut fürs Internet ist.

Wenn man nun auch noch die freie Rede im Internet einschränkt, dann gibt man den sog. «Rechteinhabern» ein Mittel an die Hand, Autoren, die die vertraglichen Ketten durch Selbstverlag im Netz sprengen wollen, an die Kandare zu nehmen. Die Möglichkeiten bei ACTA, SOPA und PIPA gehen so weit, dass Selbstverleger und kleine Publizisten, die sich eine juristische Rückendeckung nicht leisten können, auf Verdacht hin aus dem Netzverkehr gezogen werden können. Wer dem entgehen will, muss sich unter den Schutz eines grossen Unternehmens begeben. Und da dann halt einen Vertrag wie figura zeigt, unterschreiben.

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