Gestern haben wir an dieser Stelle beschrieben, wie die Vorab-Testversion gefahrlos in einer virtuellen Maschine installiert und ausgetestet werden kann. Hier nun einige Tipps zu der neuen Windows-Version.
Falls du im Umgang mit dem in einer virtuellen Maschine laufenden Betriebssystem nicht vertraut bist, vorab ein wichtiger Hinweis: Zentral für das Wechseln zwischen Gastbetriebssystem und primärem Betriebssystem ist die so genannte Host-Taste. Sie gibt die Kontrolle von Tastatur und Maus vom Gast-Betriebssystem an das primäre Betriebssystem ab. Um wieder zum Gast-Betriebssystem zu wechseln, klick mit der Maus ins Fenster des Gast-Betriebssystems. Welches die Host-Taste ist, zeigt VirtualBox in der Statusleiste links unten an. Bei der Mac-Version dient standardmässig die linke Cmd-Taste als Host-Taste.
Viele bunte Kacheln
Nach dem Start von Windows 8 und der Anmeldung erscheint eine grüne Fläche mit vielen bunten Rechtecken. Das ist das Metro-Interface, das von Microsofts Telefon-Betriebssystem Windows Phone 7 inspiriert wurde und seine Ursprünge in der Benutzeroberfläche des (beerdigten) Zune-Musikplayers hat. Diese Übersicht mit den Kacheln ist der Ersatz des Startmenüs – das Startmenü in der ursprünglichen Form gibt es nicht mehr (wobei nicht auszuschliessen ist, dass man es über die Gruppenrichtlinie oder die Registry wieder hervorzaubern kann). Die Kacheln haben gegenüber den Icons den Vorteil, dass sie nicht bloss zum Draufklicken benutzt werden können, sondern ihrerseits Informationen anzeigen. In der News-Kachel sieht man eine Meldung, in der Wetterkachel die Prognose für die Heimatstadt, in der Tweetorama-Kachel des Windows-8-Twitter-Client gibt es die letzten Tweets zu lesen. Diese Anwendungen (Apps) sind für den Betrieb im Vollbild oder im Split-Screen (d.h. in der vertikal zweigeteilten Ansicht) konzipiert.
Ohne Zweifel ist das vor allem auf mobilen Geräten – sprich auf Tablets – sinnvoll. Microsoft hat denn an der Entwicklerkonferenz «Build» in Kalifornien denn auch 5000 Galaxy Tab 10.1 von Samsung an die Besucher abgegeben, auf denen Windows 8 dem Vernehmen nach schon sehr flüssig laufen soll.
Die Kachel namens Desktop führt zu einer Ansicht, die von Windows 7 vertraut ist.
In dieser Ansicht sollte man als erstes die Auflösung erhöhen. Viele der Kernfunktionen des neuen Bedienungskonzepts stehen bei geringer Auflösung nämlich gar nicht zur Verfügung. Die bunten Metro-Apps verweigern ihren Dienst und auch das Nebeneinander von zwei Apps geht erst ab einer gewissen Auflösung. Klick mit der rechten Maustaste auf eine freie Stelle des Desktops und wähle Screen resolution aus dem Kontextmenü. Setz die Auflösung auf 1600 × 1200 Pixel, falls möglich, ansonsten sind auch 1280 × 1024 Pixel akzeptabel. Falls das Fenster von VirtualBox dadurch zu gross wird, kannst du es seinerseits verkleinern. Dazu betätige die Host-Taste und wähle Maschine > Skalierten Modus einschalten.
Systemsteuerung nicht wiederzuerkennen
Das auf Gesten optimierte Metro-Interface lässt sich auch via Maus bedienen – die Steuerung ist allerdings anfänglich sehr ungewöhnlich. Anstelle des Startmenüs erscheint die erwähnte Kachel-Darstellung, in der sich die Windows-8-Apps tummeln – Wetter, der Twitter-Client Tweetorama, die Sharing-Anwendung Socialite und das komplett veränderte Control Panel (die Systemsteuerung) geben einen guten Eindruck, was man von diesem neuen Konzept zu erwarten hat.
In der Desktop-Kachel laufen die klassischen Windows-Anwendungen – also alle Programme, die auf die bekannte Fensterdarstellung optimiert sind und nicht auf die Vollbild-Darstellung. In diesem Desktop können Sie (fast) wie bisher arbeiten. Auffällig ist hier, dass der Windows-Explorer das Menüband (Ribbon) von Office 2007/2010 erhalten hat.
Zwischen der Desktop-Kachel und den Vollbild-Anwendungen wechselt man, indem man mit der Maus an den linken Bildschirmrand fährt. Bei Geräten mit Touchscreen kann man natürlich auch eine Wischgeste verwenden, wobei sich beim Test in der virtuellen Maschine natürlich nur erahnen lässt, wie sich das bei einem Tablet anfühlt. Dieses Konzept funktioniert ganz ähnlich wie der Wechsel zwischen Spaces bzw. Vollbild-Anwendungen bei Mac OS X. Und bei «Lion» hat es sich in kurzer Zeit bewährt.
Es erscheint eine Miniaturansicht des nächsten Fensters, das man anklicken oder aber mit der Maus in die Mitte des Bildschirms ziehen kann. Durch das Ziehen kann man auch zwei Anwendungen nebeneinander platzieren – auch der Desktop und eine Metro-Anwendung teilen sich den Bildschirm so nach dem Split-Screen-Prinzip. Der Balken in der Mitte lässt sich verschieben, um die eine Anwendung schmaler und die andere gleichzeitig breiter zu machen. Wie oben erwähnt – die Split-Screen-Ansicht ist nur bei hoher Auflösung möglich.
Fazit: Aus Fenster werden Kacheln
Das neue Windows hinterlässt sehr gemischte Gefühle. Man kann sich das Metro-Interface sehr gut für mobile Geräte vorstellen. Windows 8 ist ein aussichtsreicher Kandidat für leistungsfähige Tablet-Computer, die sich für Leute eignen, denen ein iPad zu limitiert und zu geschlossen ist. Es gibt Gerüchte, dass künftige Versionen von Windows Phone 7 und Windows 8 auf der gleichen Codebasis aufbauen sollen. Microsoft rüstet sich für die neue Gerätegeneration und für die Zukunft – und das ist gut so.
Die Desktop-Kachel wirkt in dieser neuen fensterlosen Patchwork-Oberfläche wie ein Fremdkörper und ein Relikt aus vergangener Zeit. Dass ein Klick auf die Start-Schaltfläche nun nicht mehr das Startmenü zeigt, sondern zu der Kachel-Ansicht führt, ist gelinde gesagt bizarr. Es führt deutlich vor Augen, dass hier zwei Konzepte aus verschiedenen Jahrzehnten zusammengedengelt wurden. Für Anwender, die in der alten und in der neuen Welt zu Hause sind, wird Windows noch komplizierter. Das lässt sich nur schwer vermeiden, wenn man, wie Microsoft, grossen Wert auf Rückwärtskompatibilität legt und nicht, wie Apple, alte Zöpfe schnell und brutal abschneidet. Aber es ist und bleibt ein seltsamer Spagat – unelegant, irritierend und ohne ansteckenden Funken.
Und natürlich der Name. Wieso soll Windows «Windows» weiter heissen, wenn es fast keine Fenster mehr gibt? Ich empfehle, das Produkt in «Patchy» umzubenennen. Das wäre schon seit Windows XP ein guter Name, wenngleich aus anderen Gründen. 😉
Nein, ernsthaft: «Windows 8» ist, das sollte man sich bewusst machen, nur ein Code-Name. Wenn Microsoft bei der Benennung konsequent ist, wird «Windows» im nächsten oder übernächsten Jahr passé sein.