Warum die Cablecom nicht der Vatikan ist

Oder: Es geht wirklich ohne Cablecom-Box – wie der sehr ausführliche Test der Fernsehbox Arion AC-2710VHD PRCI+ beweist.

Mein Artikel «Es geht auch ohne Cablecom-Box» hat Staub aufgewirbelt und diverse Nachfragen produziert. Die Cablecom hat offenbar einen ähnlichen Status wie die katholische Kirche. Sie polarisiert so sehr, dass mit manchen Leuten kein vernünftiges Gespräch mehr möglich ist (wie anhand von Lesermails feststellen konnte).

Und wenn plötzlich verlautbart wird, dass es nun gestattet ist, Pariser, pardon: Settopboxen von Drittherstellern zu brauchen, dann sind die Leute so verblüfft, dass sie es nicht glauben mögen.

Gut, die Sache mit den Parisern war dann doch keine Kehrtwende, aber was die Settopboxen angeht: Das Undenkbare ist passiert.

Keine Miete für eine Settopbox zahlen müssen

Das Undenkbare ist, Digitalfernsehen über ein Cablecom-Kabel zu empfangen, ohne dass eine teure Monatsmiete für eine technisch mittelprächtige Box gezahlt werden muss. Man kann solches Teufelswerk mit einem Fernseher mit einem Einschub für ein CI+-Modul tun. Oder man nimmt die im Tagi vorgestellten Box, die Arion AC-2710VHD PRCI+. Sie gibt es für 299 Franken bei Fust und demnächst bei Media Markt und Saturn.

Aufnahmen abgreifen

Und noch etwas Undenkbares ist passiert. Mit der Arion-Box sind Aufnahmen möglich, die nicht auf der Festplatte des Aufnahmegeräts gefangen sind. Man kann sie vom Speichermedium holen, auf den Computer verwenden, dort ansehen und auf Youtube hochladen…

… wobei ich an dieser Stelle festhalte, dass die letzte Möglichkeit rein theoretischer Natur ist und ich auf keinen Fall gesagt haben will, dass man das auch tun soll. Auch Filme aufnehmen und diese als Torrent ins Web zu stellen, ist eine peccatum mortiferum und wird mit der Exkommunikation bestraft!

Inbetriebnahme

Also, weil das Thema offenbar brennend interessiert, hier eine ausführlichere Rezension der Box:

  1. Man schliesst die Box als erstes (und das kommt jetzt wahrscheinlich nicht allzu überraschend) an die Steckdose und via HDMI an den Fernseher an.
  2. Man setzt das CI+-Modul ein, das man an dieser Stelle schon besitzen sollte. Und sonst hier bekommt.
  3. Man startet das Setup, bei dem die Network-ID, Frequenz in KHz, Modulation und Symbolrate eintippen muss. Diese Informationen gibt es auf cablecom.ch/setup_id
  4. Man lässt die Sendersuche laufen und wartet, bis die Sender gefunden und freigeschaltet sind. Das hat etwa drei bis fünf Minuten gedauert.
  5. Und wenn man gleich aufnehmen will, steckt man am USB-Port hinten eine USB-Festplatte oder einen USB-Stick ein.

Mir gefällt die Bedienung alles in allem recht gut, auch wenn das Menü relativ langsam reagiert. Im direkten Vergleich ist die HD-Box der Cablecom (Cisco) im Menü deutlich flotter unterwegs.

Kanäle managen

Das Onscreen-Menü zeigt viele Informationen und ist auch einigermassen schick. Man kann sich fragen, ob man die Signalstärke und -qualität wirklich sehen will (ausser, wenn einen interessiert, was bei mir im Moment grad für ein erbärmliches Signal ankommt):

Rassemblez les TV Kanäle!

Der Kanalmanager erlaubt das Sperren, Entsperren, Löschen, und Umbenennen von Sendern. Sender lassen sich auch nach eigenen Wünschen sortieren, allerdings nur in den Favoriten. Die Standard-Liste lässt sich nicht sortieren, sie zeigt die Sender in der vom Kabelbetreiber festgelegten Reihenfolge. Wenn man aber eine Liste mit Favoriten anlegt (es sind mehrere Listen möglich), kann man in der Liste die Sender in die gewünschte Sortierung bringen.

Mit dem Steuerkreuz an der Ferbedienung blättert man horizontal von der Senderliste zu seinen Favoritenlisten und zu den Radiosendern. Vertikal bewegt man sich dann durch die Sender in gewählten Liste. So kommt man recht zügig voran und man kann sich eine praktische Organisation ausdenken. Beispielsweise kann man für die wichtigen deutschen und Schweizer Sender, für die ausländischen Programme und für seine Lieblings-Spartensender je eine Favoritenliste einrichten und kommt dann sehr schnell zu seinem Programm. Es gibt natürlich einen EPG und die üblichen Einstellungsmöglichkeiten.

Nun zu der Aufnahmefunktion

Eine Aufnahme programmiert man entweder über den EPG oder drückt für spontane Aufzeichnungen den Rec-Knopf an der Fernbedienung. Die Aufnahme erfolgt auf das externe USB-Speichermedium, was den Vorteil hat, dass die Box nicht Suisa-pflichtig ist. Will man das Speichermedium abziehen, sollte man es über die USB-Taste abmelden.

Am Computer ist im Dateisystem des Speichermediums pro Aufnahme ein Ordner ersichtlich, der folgende Unterordner hat:

Drei seltsame Dateien für eine Aufzeichnung.

Wie man sieht, gibt es zwei Dateien, die der Recorder wohl für interne Zwecke braucht, wahrscheinlich für Metadaten, und eine grosse Videodatei mit Endung TRP. Diese Datei lässt sich mit gängigen Videoprogrammen nicht öffnen, aber das Programm Project X kennt sich damit aus. Dieses Java-Programm ist, gelinde gesagt, etwas vom Nerdigsten, was mir seit langem untergekommen ist. Nichtsdestotrotz; es erfüllt seinen Dienst und holt den MPG2-Strom in einer brauchbaren Form aus der Aufnahme:

Diese hübsche Software verwandelt die Aufzeichnung in ein brauchbares Format.

Allerdings versteht sich Project X nur auf SD-Signale. Versucht man, eine Aufnahme von HD Suisse zu bearbeiten, gibt es nur eine Fehlermeldung, da dieser HD-Sender MP4 als Codec nutzt. Das Umwandeln von HD-Aufnahmen klappt aber, wenn man die Endung TRP in TS ändert und mit Handbrake ans Werk geht. Ich habe damit eine Aufnahme von HD Suisse in MP4 konvertiert:

Und siehe da: Man kann sich die Sendung mit einem normalen Videoplayer (VLC) ansehen.

Das ist übrigens der gleiche Cowboy wie auf dem Screenshot oben.

Allerdings ist das Umwandeln von HD-Aufnahmen kein Vergnügen; auf meinem (allerdings schon fast vier Jahre alten) Rechner hat das Bearbeiten einer fünfminütigen Testaufnahme fast eine Dreiviertelstunde gedauert. Da kann man sich ausrechnen, wie lange das bei einem Spielfilm dauert – da braucht man entweder einen Extra-Rechner oder sehr viel Geduld. Oder man kauft dann doch die Bluray.

Fazit

Natürlich weisen die Kritiker zu recht auf die Probleme mit CI+ hin, die im Artikel auf Wikipedia detailliert ausgeführt sind: Es besteht die Gefahr, dass sich einzelne Sendungen oder das Programm von einzelnen Sender nicht aufnehmen oder nicht am Computer verwenden lässt. Diese Restriktionen sind technisch möglich und ich weiss auch von Gesprächen mit den Channel-Managern von HD Suisse, dass die Rechteinhaber der grossen Hollywoodproduktionen darauf drängen, dass Blockbuster und anderes torrentgefähredetes Material mit dem Kopierschutz-Bit ausgestrahlt wird.

Das ist störend, aber wieso sollte nun die Cablecom als Netzbetreiber gerade eine offensive Haltung gegenüber den Kräften einnehmen, die am liebsten jegliche Aufnahmen verunmöglichen würden? Die Aufgabe, uns für unsere Rechte als Konsumenten und Fernsehgebührenzahler einzusetzen, wird uns die Cablecom nicht abnehmen; das müssen wir selbst an die Hand nehmen.

Natürlich wäre es mir am liebsten, wenn die Cablecom auf die Verschlüsselung des digitalen Grundangebots verzichten würde und ich bin der dezidierten Meinung, dass unsere Volksvertreter genau das fordern und sich nicht mit weniger zufrieden geben sollten. Trotzdem halte ich die Öffnung, wie sie die Cablecom im Juli 2010 vollzogen hat, für einen guten ersten Schritt. Man kommt, wenn man will, ohne die ungeliebte Cablecom-Box aus. Die Arion-Box mit dem CI+-Modul eröffnet auch eine Möglichkeit für Zweit- oder Drittgeräte, wobei man sich dafür sicherlich ein günstigeres Gerät wünschen würde (bei dieser Lösung immerhin 398 Franken).

Aber wenn sich die Box gut verkauft – und davon gehe ich bei der grossen Resonanz meines Artikels aus –, dann werden wir bald eine Auswahl an alternativen Settopboxen in den Elektronikfachläden vorfinden… Zum Glück geht es in der Tech-Welt schneller voran als im Vatikan.

4 Kommentare zu «Warum die Cablecom nicht der Vatikan ist»

  1. Seit einigen Wochen steht das gute Gerät nun bei mir Zuhause. Und um ein bisschen Ursachenforschung zu betreiben, würde mich doch mal interessieren, ob bei dir – oder anderen AC-2710-Haltern – alle bisherigen Aufnahmen anstandslos geklappt haben. Meiner ziert sich da nämlich gerne mal, schmeisst Timereinträge gelegentlich auch einfach ungefragt raus oder trägt ganz andere Programme zum Aufnehmen ein.

  2. Ja bravo. Und das soll also die grosse Umwälzung sein? Ein mittelmässiger Topfield Receiver als “Heilsbringer” und dann auch noch über CI+ wo die Cablecom Einschränkungen etablieren kann wie es ihr gefällt?!

    Sorry, Zwangsbox, CI+ Slots, am besten noch direkt im Fernseher und solch Gelumpe als Alternative zu einem richtigen Receiver zu preisen zeugt nicht gerade von Sachverstand.

  3. Mal ein Update nach ein paar Jahren.

    Also, mein Receiver lebt immer noch. 🙂

    Aufnahmen von verschlüsselten Sendern wie Pro7 HD, Sat1 HD etc werden so gespeichert, dass sie auf dem PC weiter bearbeitbar sind, es braucht nur wie oben erwähnt den Cypheros TS Doctor.

    Aufnahmen von Teleclub HD allerdings nicht, mit den verschlüsselten Daten kann auch der TS Doctor nichts anfangen. Auf dem Arion-Receiver kann man diese Aufnahmen natürlich nach wie vor anschauen.

    Anscheinend kommt es also auf die Verschlüsselung an.

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