Fernsehen ist Einbahnstrasse

Braucht es fürs Fernsehen eine Settopbox mit Rückkanal und Dinge wie interaktive Werbung?

Da die Cablecom diesem Blog noch nie gesehene Einschalt- und Kommentarquoten beschert hat, dopple ich doch gleich noch einmal nach. Die Cablecom braucht wegen der interaktiven Zusatzdienste eigene Settop-Boxen fürs Digital-TV, das ist das offizielle Argument für die Zwangsverabreichung dieser Geräte, die man nicht eben als ingeneuse Meisterleistung bezeichnen kann. Tru2way ist das Schlagwort hier. Was das bringt, erläutert Wikipedia:

Interaktive Programmführer, interaktive Werbung, interaktive Games, Chat, Webbrowsing und T-Commerce (Quelle)

Sorry, aber darauf kann ich wunderbar verzichten. Interaktive Werbung? Da schauderts mir. Games? Wenn ich sowas wollte, würde ich mir eine Nintendo kaufen. Programmführer ist gut, aber wieso muss der interaktiv sein? Der muss anzeigen, was in der Glotze läuft, das reicht mir schon. Und fürs Web habe ich einen Laptop, und ein iPhone, und wenn das nicht reicht, kann ich auch den Windows-PC hochfahren.

Es soll sich lohnen

Es ist doch so: Interaktiv heisst doch vor allem kostenpflichtig. Egal was für eine Taste man an der (übrigens wirklich klobigen und hässlichen) Fernbedienung der Cablecom-Settopbox drückt, man zahlt hinterher 5.40 Franken extra für «Premium Services». Diese Aussicht ist für die Cablecom so lukrativ, dass man es heute in Kauf nimmt, von der Kundschaft wegen der miesen Settopbox und der fehlenden Wahlfreiheit geprügelt zu werden. Diese Prügel stecken die nicht aus reinem Masochismus ein, sondern weil es sich in naher Zukunft rechnen soll.

Nun, es gibt sicherlich auch gute Dienste, nämlich die Möglichkeit, Sendungen on demand abzurufen, ohne dass man sie vorher aufgenommen hat. Das soll beim Schweizer Fernsehen möglich werden, hat Hans Peter Nehmer im mehrfach erwähnten Digitalk in Aussicht gestellt.

Hallo Kurt Felix, was machen Sie auf meinem Sofa?

Schön, nur: Wie interaktiv soll Fernsehen sein? Als Fernsehkonsument sage ich: Interaktion habe ich den ganzen Tag. Wenn ich am Abend vor die Glotze hocke, erwarte ich Berieselung. Solide Unterhaltung, tolle Serien, House, Heroes, Lost, Desperate Housewives, Prison Break, Dexter, whatever, aber dass Gregory House plötzlich interaktiv wird und mir eine Diagnose oder einen scharfzüngigen Kommentar ins Wohnzimmer wirft, ist überflüssig wie Kurt Felix, der kommentiert, was ich auf dem Sofa tue oder nicht tue.

Stellt sich auch die Frage nach dem Datenschutz: Was heisst es genau, wenn eine Settop-Box einen Rückkanal hat? Die Box übermittelt Informationen an die Cablecom. Aber was für welche? Welchen Sender ich sehe? Wie oft ich umschalte? Was ich während der Werbepause mache? Ob ich nach Mitternacht «Forbidden TV» sehe?

Cablecom nimmt diese Diskussion und das Resultat vorweg – aus einleuchtenden Gründen. Ich sage: Diese Diskussion muss erst einmal geführt werden. Es macht einen Unterschied, ob der Provider mein Surfprotokoll aus rechtlichen Gründen protokolliert oder ob die Cablecom mein Fernsehverhalten kennt. Das will ich als Kunde nicht einfach als gegeben hinnehmen, zumal es nicht zwingend nötig ist. Fernsehen hat während 50 Jahren bestens als Einbahnstrasse funktioniert. Das muss sich nicht zwingend ändern, nur weil man jetzt anders kann.

Wie stehts um die Privatsphäre?

Sich um die Frage der Privatsphäre herumzudrücken, könnte für die Cablecom leicht zum Rohrkrepierer werden. Die Wahrung der Privatsphäre ist ein sehr viel stärkeres Argument als die lausige Qualität der Settopbox. Wenn sie, die Privatsphäre, nicht gewahrt ist, wird der Widerstand gegen die «Settopbox für alle, Interaktion für alle»-Strategie massiv zunehmen. Die Forderung nach der Wahlfreiheit bei der Box und bei den interaktiven Diensten wird Zulauf erhalten und das zu recht. Und auch wenn die Cablecom kein Staatsbetrieb ist, könnte man dann doch auch gleich mal über die Maximalforderung reden: Die Entbündelung der letzten Meile auch beim TV-Kabel.

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