Schweine hüten

Der omnipräsente Hang zum Du in den Medien geht mir auf den Wecker. Er ist aber nur eine Ausprägung des Trends, die Leute überall anzukumpeln, nur um die Illusion von Nähe und Vertrautheit zu schaffen.

Roger Schawinski hat Radio 1 ins Leben gerufen, weil er es leid war, ständig geduzt zu werden. Das kann ich ihm nachfühlen. Ich finde zwar nicht, dass man Schweine zusammen gehütet haben muss, bevor man sich Du sagt. Aber die vielen Vertraulichkeiten, die einem von unbekannter Seite entgegenschlagen, empfinde ich oft als Anbiederung und bestimme sie daher zum Schweinefleisch, Pardon: Schinken des Monats April.

Dass man bei Ikea geduzt wird, finde ich verkraftbar. Da passt es schliesslich zum Konzept und wer in meinem Alter noch Möbel bei Ikea kauft, ist sowieso selber schuld. In der Werbung finde ich das Du oft daneben, da ich, statt plump angekumpelt zu werden, lieber (einigermassen) sachliche Informationen hätte. Es ist aber nicht so, dass mit dem Sie jegliche Anbiederung ausgeräumt wäre.

«Wir bauen für Sie um»

Das Beispiel dafür ist unsägliche und verlogene «Wir tun das alles nur für Sie»-Formulierung. Es ist doch erstaunlich, was Leute alles ungefragt für mich machen. «Unsere neue Kollektion für Sie», «Wir bauen um für Sie!», «Wir renovieren für Sie!», «Wir haben eine sensationelle Tiefpreisaktion für Sie» und «Für Sie getestet».

www.begleitservice-freiburg.de ist da für mich, Reader’s Digest, die Swisscom, der Ostalbkreis.de und der TÜV Rheinland. Danke schön. Wer sich so nett um mich kümmert, könnte doch vorab abklären, ob ich die Renovation für nötig erachte, auf neue Kollektionen abfahre, mich von Tiefpreisaktionen anziehen lasse und überhaupt weiss, wo der Ostalbkreis ist. Und mich im Zweifelsfall in Ruhe lassen.

Taten zählen, nicht Worte

Man muss nicht BWL studiert haben um zu wissen, dass ein Geschäft nicht wegen eines einzigen Kunden betrieben wird. Kollektionen, Umbauten, Aktionen werden daher nicht allein wegen Herrn Matthias Schüssler in die Welt gesetzt, sondern wegen der Kundschaft, sprich: dem Kunden als Massenphänomen. Man könnte es auch so ausdrücken: Wenn ich mich angesprochen fühle, dann nicht deswegen, weil man mich direkt anspricht. Sondern weil das Angebot stimmt, mich die Informationen überzeugen und ich mir nicht angeschleimt vorkomme.

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