Spotify, das ist undurchsichtig!

Die Podcast-Strategie des schwedischen Streamingdienstes ist dubios: Will man bloss Rosinenpicken oder die ganze Szene vereinnahmen?

Eigentlich mag ich Spotify. Der Musik-Streamingdienst hat mir neue Horizonte eröffnet und mir erlaubt, diese kleinen flachen Staubfänger, die man auch unter dem Begriff Audio-CDs kennt, zu entsorgen. Ich habe Spotify sogar mit einem Patentrezepte-Video gewürdigt. Und hier habe ich Spotify gelobt, weil man dort auch Hörbücher bekommt.

Hier würde ich gerne demnächst den Nerdfunk sehen! (Bild: John Tekeridis/Pexels.com, CC0)

Doch was Spotify in Sachen Podcasts treibt, ärgert mich. Im Beitrag Die Plattformisierung der Podcasts habe ich kritisiert, dass der Streamingdienst ein Medium vereinnahmt, das IMHO ins offene Internet gehört. Exklusive, für einen Streamingdienst produzierte Podcasts, sind meines Erachtens kein Podcast, sondern Promocasts oder Merchaudiosing.

Trotzdem habe ich mich neulich gefragt, ob wir unseren Nerdfunk-Podcast nicht bei Spotify reinstellen soll. Das mag nun im ersten Moment extrem heuchlerisch klingen. Ist es aber nicht: Wir würden unsere Website deswegen natürlich nicht aufgeben. Wer Spotify nicht nutzen will, könnte den Nerdfunk auch weiterhin im Podcatcher oder im Webplayer auf der Seite hören. Spotify als zusätzlicher Ausspielweg hat nämlich durchaus seine Berechtigung: Man hat die Chance Leute zu erreichen, die mit dem Podcasting nie warm geworden sind, aber das Musikstreaming kapiert haben. Ich könnte mir vorstellen, dass das eine durchaus relevante Gruppe ist. Denn wie seinerzeit beschrieben, kranken Podcasts einerseits an einer schwer fassbaren Bezeichnung. Andererseits gibt es technische Hürden wie RSS-Feeds und Podcatcher.

Die Exklusivität ist das Problem

Oder kurz zusammengefasst: Ich habe kein Problem, wenn es einen Podcast bei Spotify gibt. Ärgerlich ist nur, wenn es ihn nur bei Spotify gibt. Und ich habe gehört, dass Spotify in Sachen Statistik interessante Dinge zu bieten hat. So erfährt man (angeblich), wie viele Leute eine Folge zu Ende gehört haben. Auch das sind potenziell nützliche Informationen für mich als Sendungsmacher.

Eben, und darum wollte ich diese Anmeldung mal kurz zwischendurch in fünf freien Minuten erledigen: Naiv wie ich bin, habe ich mir nämlich vorgestellt, dass man wie bei iTunes ein paar Dinge in ein Formular einträgt und die Sache dann ihren Lauf nimmt.

Es ist ein grosses Geheimnis, wie ein Podcast zu Spotify kommt

Aber nein. Eine Google-Suche zum Thema zeigt auf, dass es kein offizielles Formular gibt¹. Offenbar ist es sogar ein grosses Geheimnis, nach welchen Kriterien man zum Handkuss kommt.

Spotify sucht selber aus: So war es lange Zeit und es glich einem Ritterschlag ein Listing zu bekommen. Wenn deine Show richtig gut ist oder die Vermarkter einen Podcast über inoffizielle Kanäle in Spotify einreichen können, dann ging das auch «einfach so» (podcast-helden.de).

Okay, da wird es mit einem Podcast in Schweizerdeutsch schon mal schwierig. Inzwischen scheint es aber so zu sein, dass bei Libsyn gehostete Podcasts automatisch bei Spotify landen. Das erwähnen die Podcasthelden, und auch in einem E-Book von podcast-service.de wird das so beschrieben:

Da die Veröffentlichung bei Sportify an Lizenzen gebunden ist muss dein Podcast bei Audioboom oder bei Libsyn gehostet sein. Somit ist der erste Schritt der Umzug zu einem der beiden Anbieter.

Lizenzen? Häh? Ich erwarte keine Tantiemen von Spotify, obwohl ich da nicht abgeneigt wäre – aber ich sehe nicht ein, warum ich Spotify nicht eine Lizenz zur Tantiemenauszahlung einräumen könnte, wenn der Podcast dort verbleibt, wo er ist. Jedenfalls ist die Serverfrage für den Nerdfunk gelöst, und darum ist ein neuer Hoster keine Option.

Darum zurück zu Podcasthelden:

Für all die armen Teufel, die jetzt nicht den Hoster wechseln wollen, bleibt nur ein letzter Strohhalm – dieses Formular. Ich geistert schon eine Weile durch das Netz und der Ursprung scheint ein mittlerweile gelöschter Post aus dem Support von Spotify zu sein. Ob es klappt oder nicht … das werden wir dann sehen.

Danke für den «armen Teufel». Ich habe unseren Podcast jedenfalls in diesem Formular eingetragen, worauf es nochmals den expliziten Hinweis gab, dass es sich eben nicht um ein offizielles Anmeldeformular, sondern nur um ein inoffizielles Interessebekundungsformular handelt:

This form is to register your interest only and does not mean that your podcast will be made available on Spotify. We will let you know when we are able to add your podcast.

Wir harren noch einer Antwort…

Nur Rosinenpickerei?

Und auf die Gefahr hin, die Chancen auf einen positiven Entscheid nicht zu erhöhen, hier eine dicke Portion Kritik an diesem undurchsichtigen Verfahren: Wenn Spotify sich nicht bloss als Rosinenpicker betätigen will, sondern sich der Idee des Podcasts auch nur ansatzweise verpflichtet fühlt, dann sollten sie gefälligst jeden Podcast aufnehmen, der sich anmeldet, und der technische Minimalforderungen erfüllt. Oder ist Spotify etwa zu einem wichtigen Streamingdienst im Musikbereich geworden, weil sie nur ganz ausgewählte Titel und Alben ins Repertoire aufgenommen haben? Wohl eher nicht – denn ein guter Grund für ein Spotify-Abo ist, dass man dort den Trash hören kann, der keine Radiostation je spielen würde und für den man garantiert keine Bestellung bei Amazon oder Cede.ch aufgeben würde.

Wieso dann also diese Sperenzchen? Falls Spotify Ambitionen hat, nicht nur zur Musikplattform, sondern zur Audioplattform schlechthin zu werden – und das muss man vermuten, wo in den letzten Jahren eben nicht nur Podcasts, sondern auch Hörbücher aufgetaucht sind –, dann muss auch die Podcastszene in ihrer Gänze abgebildet werden. Und ganz sicher ist es sinnlos, das Angebot nach Hoster zu begrenzen.

Fussnoten

1) Update: Seit November 2018 können Podcasts offiziell und sehr einfach bei Spotify eingestellt werden. Siehe dazu Eine Investition in die Podcast-Zukunft

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