Netz, mach mal!

Was die Crowd heute alles so kann: Geld sammeln, Inhalte erzeugen, Güter teilen und die Taxibranche konkurrenzieren. Und sie kann gemeinsam Ideen entwickeln. Darum habe ich mir Plattformen wie ideaswatch.com und Atizo angeschaut, auf denen «Crowd Innovation» stattfinden.

Was kann man nicht alles in und mit der Crowd tun: Geld sammeln (Crowdfunding), Leute für sich arbeiten lassen (Crowdsourcing oder auch Crowdworking), sie zum Erzeugen von Inhalten benutzen (Crowd Content oder User-generated content), sich von Fremden herumfahren lassen (Crowddriving a.k.a. Uber) und ihr Sofa benutzen (Crowdsleeping a.k.a Airbnb), dem Schwarm Dinge zum Testen vorwerfen (Crowdtesting) oder ihn Kontrollen ausführen lassen…

Nein halt, Crowd control ist was anderes. Aber ihr versteht, was ich meine. Das Netz ist so egalitär und die Sharing Economy so omnipräsent, dass Marx vor Freude hüpfen müsste. Oder auch nicht.

So wird es sein, wenn ich mal Unternehmer bin. (Bild: picjumbo.com)

Jedenfalls geht es hier um ein Ding, das man «Crowd Innovation» nennen könnte. Klar, auch das ist nicht neu. Es gibt die Schweizer Plattform Atizo.com, die ich hier und hier vorgestellt habe. Aber Atizo entwickelt Produktideen und -verbesserungen. Aber wie krass wäre denn ein Marktplatz, wo Geschäftsideen und Business-Pläne für Startups getauscht werden? Eine Website, auf der man seine Idee präsentiert und dann im Idealfall Leute findet, die sie mit einem (oder für sich allein) realisieren.

Und ja, das gibt es: ideaswatch.com heisst die Plattform. Man findet Ideen wie die App, die einem hilft, Güter zu versenden. Eine Parkplatz-Such-App (gibt es aber schon). Ein Cloud-Telefon, das das normale Telefon ersetzt, wenn dessen Akku leer ist – wobei ich nicht begriffen habe, auf welchem Gerät man dieses virtuelle Telefon dann nutzen würde. Eine virtuelle Ablage für Kassenbelege. Und eine App, die einem einen Partner fürs Mittag- oder Abendessen vermittelt. Und den LOL-Knopf fürs Web: LOL!

Man sieht: Da ist viel Quatsch dabei. Ebenso Dinge, die es wahrscheinlich schon gibt. Und ganz sicher viele Ideen, die bereits gescheitert sind. Trotzdem mag ich diese Website. Sie gibt einem das Gefühl, dass das Web noch nicht «fertig» ist und trotz 2,2 Millionen Apps im App-Store noch Geniestreiche auf die Realisierung warten.

Ich habe bislang auf ideaswatch.com zwar noch keine Idee gefunden, die ich sofort realisieren möchte und für die ich meinen Job aufgeben und mein Erspartes von der Bank holen würde. Und ich habe auch selbst noch kein Konzept zur Diskussion gestellt. Weil… naja, wahrscheinlich, weil mir die Idee fehlt.

Kann das funktionieren?

Eine Frage bleibt allerdings: Kann eine solche Website wirklich funktionieren? Sprich: Würdest du oder würde ich eine echte Hammer-Idee dort publizieren? Die Gefahr, dass jemand sie klaut, erscheint mir riesig. Natürlich kann man einwenden, dass diese Gefahr auch beim Crowdfunding existiert. Man tritt an und präsentiert seine Idee der Welt, noch bevor sie realisiert ist. Das könnte Nachahmer inspirieren.

Äh … nein.

Allerdings besteht beim Crowdfunding ein echter Vorsprung: Wenn man mit seiner Idee an die Öffentlichkeit tritt, ist diese Idee zwar noch in der Entstehungsphase begriffen. Dennoch haben die Macher viel Gehirnschmalz investiert. In vielen Fällen gibt es einen Prototypen und beträchtliche ideelle und materielle Vorleistungen.

Ein Trittbrettfahrer müsste nicht nur aufholen, sondern die Widersacher sogar überholen: Nicht nur zeitlich, sondern auch qualitativ und funktionell. Und das ist schwierig – zumal der Community das wahrscheinlich auffallen und es der Sympathie nicht gerade förderlich wäre. Ein grosser Konzern könnte das schaffen. Oder auch einfach dafür sorgen, dass die Idee stirbt, indem er ein ähnliches Produkt ankündigt. Microsoft ist ja bekannt dafür, dass sie sogar Präsentationen gefälscht haben, um den Konkurrenten eins reinzuwürgen. (Heute tun sie das glaubs nicht mehr.)

Die meisten Ideengeber haben selbst keinen Finger krumm gemacht

Bei den Ideen ist das etwas anderes. Bei ideaswatch.com besteht kein Zweifel, dass die allermeisten Leute noch keinen Finger krummgemacht haben, um eine Idee zu realisieren. Die Vorschläge sind oft so ins Unreine gesponnen, dass offensichtlich ist, wie wenig gedankliche Arbeit dahinter steht. Schon mit ein bisschen Nachdenken hat man einen Vorsprung rausgeholt – und könnte eine Idee in Angriff nehmen, ohne sich mit dem Urheber auseinandersetzen zu müssen.

Also: ideaswatch.com ist super, wenn man eine Idee für ein Produkt hat, das man gerne kaufen und nutzen, aber nicht selbst entwickeln und herstellen will. Dann: Ab ins Web damit, und mit etwas Glück findet es seinen Weg zum richtigen Entrepreneur, der es zum Erfolg führt. Man muss allerdings damit leben können, weder Geld noch Ehre oder nur einen Credit für seine Idee zu erhalten.

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